: Das geht selbst de Maizière zu weit
Sicherheit Das Ende doppelter Staatsbürgerschaften und der ärztlichen Schweigepflicht, 15.000 neue PolizistInnen – nach Berichten über solche Pläne steht der Bundesinnenminister unter Erklärungsdruck
aus Berlin Anja Maier
Angela Merkels Sprecherin lässt es an Eindeutigkeit nicht fehlen. „Die Bundesregierung plant derzeit nicht, das Staatsangehörigkeitsrecht zu ändern“, sagt Ulrike Demmer am Mittwoch in der Bundespressekonferenz. Mit diesen Worten erteilt sie jenen Landesinnenministern von CDU und CSU eine Abfuhr, die nach Gesetzesverschärfungen im Bereich Innere Sicherheit rufen.
Nötig geworden war diese Klarstellung wegen Berichten, laut derer – grob verkürzt – Bundesinnenminister Thomas de Maizière gemeinsam mit CDU- und CSU-Landesinnenministern massiv an Bürgerrechten schrauben wolle. Am Mittwochmorgen hatte es noch geheißen, de Maizière plane, die doppelte Staatsbürgerschaft zu kippen, ein Burkaverbot durchzusetzen und die Schweigepflicht für ÄrztInnen zu kippen. Außerdem sollten die Geldflüsse von Moschee-Vereinen kontrolliert werden und „nichtdeutsche Hassprediger“ ausgewiesen werden. Auch sollten in den kommenden vier Jahren 15.000 PolizistInnen eingestellt werden.
Bei der mittäglichen Bundespressekonferenz legte der Sprecher des Innenministers großen Wert auf die Feststellung, dass in der Berichterstattung offensichtlich zwei Sachverhalte vermischt würden. Zum einen werde der Minister erst am Donnerstag seine Pläne zu „weiteren Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit in Deutschland“ vorstellen. Zum anderen seien die Innenminister der unionsgeführten Länder derzeit dabei, eine Erklärung zu formulieren, die sie bei ihrer gemeinsamen Tagung am Donnerstag und Freitag der kommenden Woche beschließen wollten. Da gebe es also noch gar nichts zu kommentieren.
Natürlich blieb dieser Hinweis wirkungslos. Die Nachrichtenagenturen zitierten am Mittwoch ausführlich aus dem 27 Punkte umfassenden Entwurf der „Berliner Erklärung“. Demnach verlangen die Landesinnenminister von Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern, dem Saarland und Hessen tatsächlich das Ende der doppelten Staatsangehörigkeit. Auch die Forderung nach 15.000 weiteren PolizistInnen wird aufgestellt. Außerdem soll die Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen ausgedehnt werden. Der Verfassungsschutz müsse auch gegen 14-Jährige ermitteln können. Für Extremisten solle es ein Waffenverbot geben, die Vollverschleierung solle verboten werden.
Sollte das Durchstecken des Papiers an die Medien den Bundesinnenminister und die Kanzlerin unter Druck setzen, so ist dies gelungen. Nicht nur, dass de Maizière eilig bei einem Termin in Bremen klarstellte, er sei „nicht mit allem einverstanden“, was in dem Entwurf stehe. Auch der Koalitionspartner und die Opposition teilten heftig aus.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte der Süddeutschen Zeitung: „Wer jetzt die Inhaber zweier Pässe unter Generalverdacht stellt, macht einen Riesenfehler.“ Grünen-Chefin Simone Peter sagte der taz, die Unions-Innenminister sorgten mit ihrem Vorschlag, die doppelte Staatsbürgerschaft abzuschaffen, nicht für mehr Sicherheit, sondern schürten Ressentiments gegen Einwanderer. „Es darf keinen Rückfall in Zeiten reaktionärer und rechtspopulistischer Politik à la Roland Koch und Konsorten geben. Wir Grünen haben nicht vergessen, wie damals gegen Migrantinnen und Migranten hierzulande Stimmung gemacht wurde.“
Frank Tempel (Die Linke), stellvertretender Innenausschuss-Vorsitzender im Bundestag, hält eine Abschaffung des Doppelpasses für „das Dümmste an dem ganzen Paket“. Tempel, ein erklärter Anhänger von Rot-Rot-Grün im Bund ab 2017, meint: „Das würde deutlich machen, dass weder die SPD noch die Grünen noch die Linken innenpolitisch mit der Union in irgendeiner Art und Weise zusammenarbeiten können.“
Simone Peter, Grüne
FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki erklärte, die doppelte Staatsbürgerschaft habe mit der inneren Sicherheit „überhaupt nichts zu tun. Keiner der Attentäter in Deutschland besaß die doppelte Staatsbürgerschaft. Mit ihren Vorschlägen trägt die Union nicht dazu bei, das Sicherheitsgefühl der Menschen zu stärken, sondern Angst zu schüren.“
Es gab auch Lob, etwa von der rheinland-pfälzischen CDU-Landeschefin Julia Klöckner. „Ich freue mich, dass meine Forderung, die ich bereits beim Parteitag 2014 aufgestellt habe, die Vollverschleierung in Deutschland zu verbieten, wieder aufgegriffen wird“, sagte die CDU-Vizechefin. „Klarheit und Eindeutigkeit mit Blick auf Integration, Sicherheit und Chancen sind gerade in diesen Zeiten wichtig.“
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