: Der Fall ist kompliziert
Vorgeschichte Über den Fall Lohfink wird seit Wochen diskutiert. Was bisher geschah
Die Person: Gina-Lisa Lohfink ist 1986 in Hessen geboren, macht eine Ausbildung zu Arzthelferin und nimmt an Miss-Wahlen teil. 2008 wird sie durch „Germany’s next Topmodel“ bekannt, wo sie die verrückte Nudel ohne jegliche Gewinnchance ist. Anschließend und nach diversen chirurgischen Eingriffen sieht man sie in Reality-Formaten, im Playboy, in Amateurpornos und als Gesicht der Erotikmesse Venus. Mit einer angestrebten Adoption durch Frederic von Anhalt und einer ausgedachten Liaison mit Sängerin Loona bleibt sie in den Schlagzeilen.
Die Nacht: Im Juni 2012 verbrachte Lohfink eine Nacht mit einem Mann, den sie zusammen mit einem seiner Bekannten am nächsten Abend in einem Berliner Club wiedertrifft. Als ein Video dieser Nacht im Internet auftaucht, in dem beide Männer mit Lohfink in einer Wohnung Sex haben, erstattet ihr Anwalt Anzeigen, erst wegen Verbreitung der Videos, ein paar Wochen später wegen Vergewaltigung. Lohfink sagt aus, einen Filmriss zu haben, und geht deswegen davon aus, K.-o.-Tropfen verabreicht bekommen zu haben.
Die Justiz: Wegen der Verbreitung wird gegen einen der Männer ein Bußgeld verhängt, der andere ist nicht gemeldet und deswegen nicht zu belangen. Die zweite Anzeige allerdings wird von der Staatsanwaltschaft abgewiesen, nachdem elf Videos gesichtet wurden. Ein Gutachter sieht keinen Beweis für eine Sedierung. Auch eine Vergewaltigung wird ausgeschlossen. Nur in einem Clip wirkt sie benebelt, und mehrfach sagt sie „Hör auf“. Das ist auch das Video, das im Netz zu sehen ist. Die Staatsanwaltschaft verurteilt Lohfink zu einem Bußgeld wegen falscher Anschuldigung. Ihr Anwalt legt Widerspuch ein und geht an die Öffentlichkeit. Daraufhin entsteht eine emotionale Debatte.
Die Politik: Manuela Schwesig fordert: „Wir brauchen die Verschärfung des Sexualstrafrechts.“ Heiko Maas verkündet, man habe sich in der Koalition über die Verschärfung geeinigt. Der Berliner Justizsenator verteidigt das Vorgehen der Staatsanwaltschaft.
Der Hashtag: Am 1. Juni bricht Lohfink während einer Verhandlung zusammen, nachdem unbekannte Männer sie bei Gericht als „Hure“ beschimpften. Wenige Tage später melden sich Netzfeminist_innen auf Twitter zu Wort, die mit dem Hashtag #TeamGinaLisa ihre Solidarität mit Lohfink ausdrücken. Es geht ihnen darum, dass das Aussehen einer Frau keine Rolle bei der Beurteilung einer Anklage spielen solle.
Die Demonstration: Die Initiative für Gerechtigkeit bei sexueller Gewalt organisierte an diesem Montag eine Demonstration vor dem Gerichtsgebäude. Dem Aufruf folgte ein breites Bündnis von Frauen. Die Initiative begleitete bereits den Fall Kachelmann und organisierte eine Unterstützungsdemonstration für Claudia D. (taz)
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