Korruptionsvorwürfe gegen Bundesanstalt: „Klimarealisten“ unter Verdacht
Vorwürfe gegen die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe: Angeblich hat sie ihre Studien von der Industrie finanzieren lassen.
Aber schon immer galten die BGR-Studien zu Fracking, Atommüll oder eben dem Klimawandel als besonders industrienah. Jetzt belegen Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR, dass die Behörde mit fast 800 Mitarbeitern in Hannover sich tatsächlich in einigen Fällen von der Industrie hat bezahlen lassen.
Bei Politikern firmiert die BGR inzwischen als „Spendensammelclub für gekaufte Gutachten“. Am Donnerstag gingen bei der Staatsanwaltschaft Hannover Strafanzeigen wegen des Verdachts auf Vorteilsgewährung und Bestechlichkeit bei BGR und Stiftung ein.
Der Vorwurf: Die nach dem ehemaligen BGR-Chef genannte und in der Behörde angesiedelte Hans-Joachim-Martini-Stiftung „belohnt“ bereits seit den 80er Jahren Mitarbeiter mit „Preisgeldern“ für ihre Arbeit. Der Clou: Das Geld der Stiftung kam jahrzehntelang von der Industrie. „Förderer“: die Chemiekonzerne Bayer und Hoechst, der Braunkohle-Produzent Rheinbraun (heute RWE), der Erdöl- und Erdgas-Riese Wintershall oder Kali + Salz.
Vorsitzender ist derzeit laut Satzung der Vorsitzende des BGR-Kuratoriums – also Martin Bachmann, Vorstand beim Gasförderer Wintershall und Vorsitzender des Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie. Welche Intention die Gründer verfolgten, zeigt eine interne Notiz von 1981. Darin heißt es: „Die Stiftung soll dazu dienen, junge bzw. verdiente Mitarbeiter der BGR durch maßvolle finanzielle Anreize zu belohnen“. So wurden jahrzehntelang weitgehend im Verborgenen den Stiftern genehme Studien, Tagungen oder Empfänge mit dem Logo der BGR gesponsert. 1995 gab es für die Klimauntersuchung 50.000 Mark.
Umstritten ist auch eine von der Stiftung unterstützte Gorleben-Untersuchung: Dabei ging es um Gasvorkommen, die im Salzstock entdeckt worden waren. Die BGR hielt die Konzentration des Gases für zu klein, um eine Gefahr darzustellen. Ein von Greenpeace beauftragter Geologe bekam im Februar 2011 genau das Gegenteil heraus.
Dass sich Schacht Konrad als Endlager für geringstrahlenden Atommüll eignet, bezweifelt Ludwig Wasmus schon lange. Nun bekomme der Verdacht, dass die BGR die geologischen Verhältnisse im stillgelegten Eisenerz-Bergwerk beschönigt hat, „neue Nahrung“, sagt der Vorstand der AG Schacht Konrad. „Es gibt ja schon während des ganzen Verfahrens fachliche Kritik an der Erhebung der Naturdaten und den Berechnungen zur Langzeitsicherheit.“
Auch andere BGR-Studien über die unterirdische Lagerung von Kohlendioxid (CCS) oder Fracking müssten nun grundlegend geprüft werden, sagte Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne). BGR und Stiftung weisen die Vorwürfe allerdings fast wortgleich zurück.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen