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Ohne Deutsch kein Bleiberecht

Flüchtlinge Die Große Koalition lobt ihr neues Integrationsgesetz als „Meilenstein“. Doch die geplanten Sanktionen und Auflagen für Asylbewerber sehen viele kritisch

von Daniel Bax

Die Große Koalition spart nicht mit Eigenlob. Für die Kanzlerin ist es ein „Meilenstein“, für ihren Vize, SPD-Chef Sigmar Gabriel, steht es für einen „Paradigmenwechsel“. Und die CSU sieht darin einen „Masterplan zur Integration“. Die Grünen dagegen sprechen von einer „Mogelpackung“, die Flüchtlingsrechtsorganisation Pro Asyl nennt es einen „Etikettenschwindel“, die Linke klagt über „Stammtisch per Gesetz“, und auch von Sozialverbänden, Kirchen und Gewerkschaften kommt Kritik.

Mit ihrem „Integrationsgesetz“ – das nur auf Flüchtlinge und nicht auf alle Einwanderer zielt – will sich die Regierung handlungsfähig und einig zeigen. Auf ihrer zweitägigen Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg bei Berlin segnete sie die Eckpunkte ab, die bereits vor Wochen bekannt und seither kontrovers diskutiert wurden.

Lebensunterhalt verdienen

Zu den umstrittensten Punkten gehört, dass anerkannte Flüchtlinge nicht mehr nach drei Jahren automatisch ein Bleiberecht erhalten sollen wie bisher. Statt dessen soll es ihnen nach drei Jahren nur noch gewährt werden, wenn sie das fortgeschrittene C1-Sprachniveau erreichen – also fließend Deutsch sprechen und anspruchsvolle Texte verstehen – und zugleich nachweisen können, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Ansonsten erhalten sie eine „Niederlassungserlaubnis“ nur, wenn sie nach fünf Jahren hinreichende Sprachkenntnisse auf dem A2-Niveau nachweisen können – also sich in alltäglichen Situationen zumindest in einfachen, leichten Sätzen verständigen können – und selbst für ihren Unterhalt sorgen. Gabriel sagte in Meseberg, die Botschaft an Flüchtlinge sei: „Wenn du dich reinhängst, dann wird hier was aus dir.“

Die SPD hatte sich vor allem dafür starkgemacht, die Maßnahmen auszuweiten, um Asylbewerber schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dazu gehören eine stärkere Sprachförderung und die Schaffung von 100.000 1-Euro-Jobs für Flüchtlinge. Gegen Sanktionen und Leistungskürzungen für Flüchtlinge, die Sprachkurse oder Arbeitsangebote nicht annehmen, hatte sie sich lange gesperrt – vergeblich.

Das Integrationsgesetz dürfe „kein Repressionsgesetz“ werden, hatte Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) noch im April gesagt. Zurück aus Meseberg, stellte sie sich am Mittwoch gemeinsam mit ihrem Kabinettskollegen, Innenminister Thomas de Maizière (CDU), in der Bundespressekonferenz in Berlin den Hauptstadt-Journalisten und hob hervor, man arbeite „mit Hochdruck“ daran, das Angebot an berufsbezogenen Sprachkursen zu erhöhen.

Von 20.000 auf 200.000 Anfang kommenden Jahres solle sich ihre Zahl verzehnfachen. Und de Maizière ergänzte, sein Haus fahre auch die Zahl der Integrationskurse hoch. Der derzeitige Engpass liege aber „nicht am Geld, sondern an den Lehrkräften“, an denen es mangele. Um den Job attraktiver zu machen, wolle man deren Vergütung erhöhen. Sollten die Mittel nicht reichen, werde man aufstocken, versprach de Maizière.

Die Regierung habe „aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt“, betonte der Innenminister: Man werde „keine Parallelgesellschaften und keine Gettos“ zulassen. Damit verteidigte de Maizière den anderen umstrittenen Punkt: die sogenannte Wohnortzuweisung, die auch für anerkannte Flüchtlinge gelten soll. Damit werden sie verpflichtet, zumindest in dem Bundesland zu bleiben, in dem sie gemeldet sind. Die Regelung soll vorerst auf drei Jahre befristet werden. Eine Ausnahme gemacht werden soll für Flüchtlinge, die andernorts einen Job oder einen Ausbildungs- oder Studienplatz gefunden haben. Viele Städte und Gemeinden hatten eine solche Wohnsitzauflage begrüßt, um einen ungesteuerte Zuzug in Ballungsgebiete zu vermeiden.

Weil die Regelung rückwirkend für alle Flüchtlinge gelten soll, die seit 1. Januar 2016 anerkannt worden sind, sagt die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl „Chaos bei den Ausländerbehörden und in den Bundesländern“ voraus. Dabei bleibt es den Ländern freigestellt, ob sie konkrete Wohnorte vorschreiben oder den Umzug in bestimmte Städte oder Regionen verbieten. Die neue rheinland-pfälzische Integrationsministerin Anne Spiegel (Grüne) hat bereits angekündigt, die Wohnsitzauflage in ihrem Bundesland nicht umsetzen zu wollen.

Wenn du dich reinhängst, dann wird hier was aus dir“

Sigmar Gabriel

Acht Bundesländer haben signalisiert, bei arbeitsuchenden Flüchtlingen auf die Vorrangprüfung verzichten zu wollen. Nach dieser Regelung dürfen Flüchtlinge nur dann einen Job annehmen, wenn sich kein anderer geeigneter Bewerber aus Deutschland oder einem anderen EU-Land findet. Das neue Integrationsgesetz ermöglicht es den Ländern, die Vorrangsprüfung für drei Jahre auszusetzen, abhängig von der regionalen Arbeitslosigkeit. Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen wollen von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, erklärte Arbeitsministerin Nahles am Mittwoch. In Hessen und Nordrhein-Westfalen will man erst mal einzelne Agenturbezirke von der Regelung ausnehmen. Nur Mecklenburg-Vorpommern will sicher an der Vorrangprüfung festhalten. Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Brandenburg hätten sich noch nicht festgelegt, sagte Nahles.

Besserer Schutz für Kinder

Am Mittwoch gab die Bundesagentur für Arbeit außerdem bekannt, dass die Zahl der Flüchtlinge, denen eine Arbeitserlaubnis erteilt wurde, stark zugenommen hat. Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden mehr als doppelt so viele Anträge für eine konkrete Tätigkeit bei den Arbeitsagenturen gestellt als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Drei Viertel der knapp 27.000 Anträge, etwa 20.300, erhielten einen positiven Bescheid, so dass die Bewerber noch während ihres laufenden Asylverfahrens eine Stelle antreten können.

Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) kündigte Maßnahmen an, um Frauen und Kinder in Flüchtlingsheimen besser vor Übergriffen zu schützen. Es werde „zügig geprüft“, ob der Bund dafür ein Gesetz vorlege oder die Länder selbst den Betreibern von Unterkünften stärkere Auflagen zum Schutz der Bewohnerinnen machen, die sich in manchen Unterkünften Schlafräume, Duschen oder Toiletten mit Männern teilen müssen. „Jeder Fall von Gewalt, Kindesmissbrauch und Vergewaltigung ist einer zu viel“, sagte Schwesig.

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