piwik no script img

Ein Lied für den Eurovision Song ContestManga aus Niedersachsen

Jamie-Lee Kriewitz gewinnt den deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest. Ihr Style: Pop in jeder Hinsicht – mit asiatischen Dekorationen.

Jamie-Lee Kriewitz fährt für Deutschland zum Eurovision Song Contest 2016 nach Stockholm. Foto: dpa

Köln taz | Im Dezember hatte sie eben die aktuelle Ausgabe von „The Voice“ gewonnen, tags darauf fragte sie ihre Plattenfirma Universal, ob sie sich auch vorstellen könne, an der Qualifikation zum Eurovision Song Contest teilzunehmen. Nach ein paar Tagen Bedenkzeit stimmte sie zu: Und das gereicht ihr nun zum Vorteil, denn Donnerstagabend gewann sie in den Brainpool-Studios von Köln den Wettbewerb um das Ticket zum Finale des Popevents am 14. Mai in Stockholm.

Ihr Titel „Ghost“, von der 17-Jährigen mitverfasst, schafft es in der zweiten Runde des Abends, in der nur noch die Meat-Loaf-Gedächtnisband Avantasia und der bayerische Barde Alex Diehl ihre Konkurrenten waren, 44,5 Prozent der Televotingstimmen zu mobilisieren (Diehl 33,9, Avantasia 21,6).

Jamie-Lee Kriewetz trat in einem milde schrillen, mangaartigen Outfit auf. Auf dem Kopf das, was man ein Haargesteck nach Ikebanatechnik nennen könnte. Sie gewann, so darf vermutet werden, weil ihr Lied am ehesten den zeitgenössischen Kategorien von Pop entspricht. Sie sang obendrein mit stärker werdender Stimme, offenbar die eigenen Auftritte genießend – nicht zu Furcht erstarrt. Ihre Performances berührten offenkundig am stärksten, sie wirkte auf der Bühne mit den ersten Tönen wie von Lampenfieber befreit und selbstvertraut.

Für den NDR muss die von der gut aufgelegten Barbara Schöneberger moderierten Show eine Wohltat gewesen sein. Nur Frau Schöneberger erinnerte in ihrem Eingangsmedley hübsch selbstironisch an den gescheiterten Versuch des NDR, wie er erfahren musste, gegen die politischen Abteilungen des Hauses den politisch mindestens ambivalenten Top-Scorer des deutschen Pop, Xavier Naidoo durchzusetzen. Naidoo war zunächst als Solist nominiert worden, aber nach Protesten – wegen älterer politischer Statements zugunsten der sogenannten Reichsbürger – musste der Kandidat wieder ausgeladen werden.

Auf die Schnelle organisierte der NDR das Teilnehmerfeld, darunter auch als Komponisten Ralph Siegel, der überglücklich war, nach elf Jahren wieder an einer deutschen Vorentscheidung teilnehmen zu dürfen. Seine Kandidatin sang ein Stück, das ästhetisch an die niederen Qualitätsansprüche der achtziger Jahre anknüpfte – Laura Pinski scheiterte schon in der Vorrunde.

Ein anderer Act, Kreoma (ein Mann und eine Frau aus Berlin und Köln), war neben dem „Ghost“ von Jamie-Lee Kriewitz der modernste Auftritt des Abends: Ihr Lied „Protected“ war bester Elektropop – und scheiterte auch in der Vorrunde.

Ein wuchtiger Bayer mit Wut im Bauch

Alex Diehl verfasste Ende vorigen Jahres nach den Pariser Terrorattacken ein Lied, das er „Nur ein Lied“ nannte: Ein wuchtiger Bayer mit ausgesprochener Wut auf alle Pegidisten, Afd-Gifter*innen und rassistischen Flüchtlingshasser, hatte am Ende nur die Siegerin noch vor sich: Die deutsche Vorentscheidung für die proeuropäischste Kulturveranstaltung des Jahres hatte offenbar vom Publikum her ein Profil, das solchen Friedensliedern der schlichten Art gegenüber viel Sympathien entgegenbringt.

Jamie-Lee Kriewitz hat, nebenbei, geschworen, auf jeden Fall in Stockholm antreten zu wollen. Nicht so wie Andreas Kümmert, der voriges Jahr haushoch den Vorentscheid gewann und in den Sekunden nach der Siegesverkündung mitteilte, er stehe den Stress des ESC nicht durch – und verzichte. Ann Sophie als Ersatz wurde in Wien beim ESC-Finale Allerletzte, erntete keinen Punkt – ein Schicksal, das nach Auskunft der europäischen Wettbüros der gestrigen Siegerin nicht droht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

34 Kommentare

 / 
  • "…Nur Frau Schöneberger erinnerte in ihrem Eingangsmedley hübsch selbstironisch an den gescheiterten Versuch des NDR, wie er erfahren musste, gegen die politischen Abteilungen des Hauses den politisch mindestens ambivalenten Top-Scorer des deutschen Pop, Xavier Naidoo durchzusetzen. …"

     

    Für solche jaffeligen medleyErgüsse

    Liebe ich - doch doch - i Bitt' see -

    Den Cheflobbyisten du ESC;!¡-D

    Gummibärchen ey - made - My Day;)

  • ESC: Die Urmutter aller sinnlosen TV-Events.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Gott sei Dank hat mein Tv Gerät einen zuverlässigen Ausknopf.

      • @Jabba666:

        Gott sei Dank habe ich schon gar keine Glotze mehr.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      ESC - Escape, ist doch schon die Handlungsanweisung für Leute mit Musikgeschmack. Oder sind da jetzt die Teilnehmer dem guten Musikgeschmack entwichen ? Na wie auch immer.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    " ... warum tritt bei dem Contest dann immer nur dieser im besten Fall mittelmäßige Müll an?"

    .

    Auch in der allergrößten Wut sollten Sie anerkennen, dass die Sängerin ein Mensch mit großem Ehrgeiz ist.

    Solche Beleidigungen sollten Sie sich sparen...

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @571 (Profil gelöscht):

      Irrläufer!

      War @Ingrid Werner gerichtet.

      • @571 (Profil gelöscht):

        ;() jau - wer schreib - der bleibt - & ~>

         

        Es irrt der Mensch solang er schreibt

        Denn posts in ihrem irren Lauf

        Hält weder Modds noch Kette auf;)

        • 5G
          571 (Profil gelöscht)
          @Lowandorder:

          Das "kommune"-Schreibfensterchen spielt mir zuweilen "irre" Streiche, bin allerdings damit nicht allein.

          • @571 (Profil gelöscht):

            schonn - das geht den

            Menschen wie denn Irren;()

  • Jedes Jahr sehe ich den ESC an und frage mich immer wieder warum ich mir das antue, eine künstlich aufgeblähte, megalangweilige Veranstaltung, mit viel Fahnengeschwenk. Ich frag mich immer wieder, eine Frage die inzw niemand mehr zu stellen scheint, obwohl sie die ist die sich am deutlichsten stellt: Europa u Dtl hat soo viele gute MusikerInnen, warum tritt bei dem Contest dann immer nur dieser im besten Fall mittelmäßige Müll an? Auch aus großen Popnationen wie UK tritt seit ewig nichts anständiges mehr an. Kann das jmd erklären? müssen die Musiker die Rechte an ihren Songs an die Eurovision antreten, und wollen deshalb nicht? oder wollen zu wenige von denen noch was mit der europ. Idee zu tun haben? Die Europ. Idee hat besseres verdient, für sie muss diese schlechte Musik nicht hochgejubelt werden. Und hätte Smudo nicht wenigstens ein bisschen von dem Esprit der Fanta4 an dieses Püppchen abgeben können, wenn er schon die Rolle des Mäzens für sie übernimmt?

    • @ingrid werner:

      Liegt an den Teilnahmebedingungen. Nur Playback, max 3 Min., keine politischen Texte (außer ein bischen Frieden natürlich) und am wichtigsten: Es darf nicht dem Image des Liederwettbewerbs schaden, sprich Zensur ohne Ende.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Manga aus Niedersachsen

    &

    Mango aus Indien

  • Ach du liebe Güte : ESC. Ein Garant für Eintagsfliegen-Pop. Prädikat "Besonders Wertlos". Aber es gibt ja Fans für jeden M*st , schließlich hatte auch Küblböck seine.

  • Oh Gott, nu geht's schon wieder los...Jan Feddersen, der in seinem Nebenberuf bezahlter ESC-Medienberater ist, darf in der TAZ ein planetarisches Hupfdohlenevent kommentieren... es hat absolute Deja-Vu-Qualität: Zuerst werden Schwulenkompabilität und gesellschaftliche Relevanz der Interpreten ventiliert, danach erscheinen die Lifestyle -Reportagen ausgewählter Kandidat(innen), zum Schluss breathtaking-reports von der Generalprobe und letztlich Tschörmeny: Zero Points. In China fällt derweil der berühmte Sack um.

    • @Thea:

      Dafür braucht es in der Tat einen Redakteur für besondere Aufgaben.

  • Qualitativ war die Veranstaltung größtenteils ein Armutszeugnis, vllt. war das aber auch der kurzen Vorbereitungszeit geschuldet. Die Messlatte für schmerzfrei hörbare Radiosongs wurde jedenfalls sehr oft unterschritten.

     

    So gesehen ist der Siegertitel klar der Einäugige unter den Blinden, manchmal ist auf das Wahlvolk noch verlass. Dieses reichlich naive "mach dass das aufhört"-Geklimper oder dieser Fleischklops light wären dann doch etwas peinlich auf der ESC-Bühne.

  • Wir sollten ab jetzt einfach jedes Jahr irgend ein Mädchen aus Niedersachsen zum Contest schicken und Hannover einfach dauerhaft zur deutschen Kulturhauptstadt erklären. Vielleicht nehmen wir der Einfachheit halber die jeweilige niedersächsische Weinkönigin oder Karnevalsprinzessin oder was auch immer die da oben so haben, dann sparen wir uns sowohl Diskussionen um Rechtspopsänger als auch leidige Vorentscheidungen.

    • @Christian:

      Wenn jemand prädestiniert ist, dann die Niedersächsische Weinkönigin. Dass da noch niemand drauf gekommen ist.^^

        • @Hans aus Jena:

          Es gibt wirklich Weinanbau in Niedersachsen?! Ha, Spitze :) Kann ich ja gleich mal ne Petition vorbereiten ...

          • @Christian:

            Mittlerweile habe ich meine Meinung geändert und schließe mich der Petition an. Die junge Dame dürft nämlich mit der weltweiten Vermarktung des Hitzacker Weines keineswegs ausgelastet sein und mit dem ESC erhielte sie eine weitere sinnvolle Aufgabe. So langweilt sie sich weniger.

            • @Joba:

              Cool! Sind wir schon zu dritt! .... Wie ist die Grenze, damit sich der Bundestag damit befassen muss? ;)

        • @Hans aus Jena:

          Leider leider ist liegt Hitzacker zwar in Niedersachsen, die dortige Weinkönigin vertritt aber nicht das ganze Bundesland und auch mit Hannover, was für einen Erfolg unerlässlich wäre, hat sie zu wenig zu tun. Was nicht ist, kann aber noch werden und vielleicht steht dem niedersächsischen Weinbau wegen des Klimawandels eine große Zukunft bevor und die Weinkönigin mit Sitz in Hannover wird Deutschland regelmäßig beim ESC vertreten.

          • @Joba:

            Ich befürchte, Hitzacker wird auch in Zukunft nur mit dem Antiatom-Wendland und Gorleben in Verbindung gebracht.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Ist das eine wichtige Meldung?

    • 8G
      86548 (Profil gelöscht)
      @1714 (Profil gelöscht):

      Ja, das ist wichtig, endlich mal nicht Griechenland oder Syrien

    • @1714 (Profil gelöscht):

      Immerhin kommt sie von einem Redakteur für besondere Aufgaben. Muß also schon ein gewisses Gewicht haben.

    • @1714 (Profil gelöscht):

      Wichtig genug für Sie, um es zu kommentieren offenbar.

      • 1G
        1714 (Profil gelöscht)
        @Christian:

        Ich hinterfrage das - kommentiere es aber nicht....

        • 5G
          571 (Profil gelöscht)
          @1714 (Profil gelöscht):

          Die Kunst:

          Hinterfragen ohne zu kommentieren.

           

          Muss ich mir merken.

      • @Christian:

        Gute Antwort an die nervigen 'ist das wichtig'-Trolle :-)

    • @1714 (Profil gelöscht):

      Da jedes "wichtige" Medium berichtet, muss das wohl auch (leider) hier so sein.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Erik Lange:

        Nö, nur Leidenschaft wahrscheinlich.

         

        Dafür steht seit Jahren der (taz-) "Redakteur für besondere Aufgaben"...