Rechte Gewalt gegen Flüchtlingsheime: Zündeln aus der Mitte

Die Polizei fasst nur wenige Täter der Brandanschläge auf Asylunterkünfte. Viele waren vorher nicht bekannt. Inzwischen reagiert die Justiz härter.

Ein Mann sitzt an einem Pult und versteckt sein Gesicht hinter einer Mappe. Daneben sitzt ein Mann in Robe.

Biederer Brandstifter: Björn K. ist einer von vielen rechten mutmaßlichen Gewalttätern, die zuvor relativ unauffällig waren. Foto: dpa

BERLIN taz | Keiner wolle die Ausländer hier haben, soll Björn K. seinen Bekannten gesagt haben. „Einer musste es ja tun.“ Zuvor war der Potsdamer in ein noch unbewohntes Asylheim in Beelitz-Heilstätten eingestiegen, hatte eine Matratze und eine Gardine angezündet. Das Feuer richtete einen Schaden von mehreren tausend Euro an.

Am Montag saß Björn K. auf der Anklagebank, schon zum zweiten Mal. Es war die zweite Instanz, diesmal vor dem Landgericht Potsdam. Und die Richter bestätigten das erste Urteil: anderthalb Jahre Haft. Anders aber als das Amtsgericht sahen sie für die drei Jahre zurückliegende Tat auch ein klares politisches Motiv: Fremdenfeindlichkeit.

95 Brandanschläge auf Asylunterkünfte zählte das Bundeskriminalamt (BKA) im vergangenen Jahr. Eine dramatische Zahl: Im Vorjahr waren es sechs Anschläge. Verdächtige aber fasste die Polizei nur in etwa einem Viertel der Fälle.

Wenige waren ihnen politisch bekannt. Viele sind Ersttäter, wohnten bis dahin unbescholten im Ort. Björn K. etwa kannte die Polizei zwar von einer Körperverletzung, Diebstahl und Hausfriedensbuch, nicht aber wegen politischer Taten. Eine Nachbarin führte die Ermittler auf die Fährte des 30-Jährigen.

Im Ort beliebt

Es ist ein wiederkehrendes Muster. In Escheburg zündelte ein Finanzbeamter, weil er „Angst um das Schöne“ im Ort hatte. In Altena legte ein junger Feuerwehrmann einen Brand in einem bereits bewohnten Heim.

Auch Dirk D. war vorstrafenlos und im Ort beliebt. Er habe verhindern wollen, dass noch mehr Flüchtlinge in das Haus kommen, sagte er. In Groß Lüsewitz bei Rostock waren es zwei junge Väter, auch sie politisch bisher nicht bekannt, die Brandflaschen auf eine bewohnte Unterkunft warfen. Er habe sich darüber geärgert, dass die örtlichen Politiker nicht über das Heim informiert hätten, sagte einer.

Im Internet aber äußerten sich die Festgenommenen fast alle eindeutig. Der Altenaer Dirk D. teilte Posts, die Flüchtlingen Terrorismus unterstellten, informierte sich auf der Seite „Deutschland steh auf“.

Einer der Rostocker soll auf Facebook über die im oberen Stockwerk der Unterkunft eingezogenen Flüchtlinge geschrieben haben: „Die größte Scheiße schwimmt in Gülle immer oben, aber in diesem Fall wohnt sie oben.“

Urteil wegen versuchten Mordes wahrscheinlich

Die Taten der Gefassten gelten als Beleg, wie sich Einzelne von der Flüchtlingsdebatte aufputschen lassen. Die Justiz reagiert inzwischen auf die Taten mit mehr Härte. Nicht nur in Salzhemmendorf, auch bei der Rostocker Tat lautet die Anklage auf versuchten Mord. Dort läuft der Prozess seit Anfang Februar.

Auch nachdem ein Unbekannter auf eine Unterkunft in Dreieich (Hessen) schoss und einen Flüchtling am Bein traf, oder nach den Brandsatzwürfen dreier Männer auf eine bewohnte Unterkunft im sächsischen Crimmitschau (Sachsen) wird wegen versuchten Mordes ermittelt.

In Altena sahen die Ermittler zuerst kein vorrangig politisches Motiv. Die Anklage lautete auf schwere Brandstiftung. Das Landgericht sah dies kürzlich anders: Ein Urteil wegen versuchten Mordes sei wahrscheinlicher, teilt es mit.

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