Türkei im Syrienkrieg: Ankara bombardiert Kurden in Syrien
Die Regierung will den Zusammenschluss kurdischer Gebiete verhindern. Damit verschärft sie auch die Spannungen mit den USA.
Seit der Nacht von Samstag auf Sonntag greifen türkische Streitkräfte die Milizen der syrischen Kurden (YPG) massiv an. Zunächst waren türkische Kampfflugzeuge in den syrischen Luftraum eingedrungen und hatten die Kurdenmiliz etwas südwestlich von Azaz, das an der Verbindungsstraße von der Grenze nach Aleppo liegt, bombardiert. Nachdem die türkischen F-16-Kampfflugjets ins Radar der russischen Flugabwehr gerieten, stellte die Luftwaffe die Angriffe ein. Stattdessen setzte die türkische Artillerie von der Grenze aus den Beschuss auf die Kurden fort.
Noch am Sonntagnachmittag, so berichteten Korrespondenten verschiedener türkischer Fernsehsender, ging der Beschuss der türkischen Armee auf kurdische Stellungen weiter. Alle zehn Minuten feuerte schwere Artillerie ganze Salven auf die syrische Seite. „Da bebt hier die Erde“, sagte die Korrespondentin von CNN-Türk.
Als Begründung für die Angriffe gab Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu in einer Stellungnahme vor der Presse an, man wolle einen Vormarsch der mit Russland und dem Regime von Präsident Baschar al-Assad verbündeten „kurdischen Terroristen“ stoppen und damit auch die Flüchtlinge aus Aleppo schützen, die zwischen der Stadt Azaz und der türkischen Grenze in neu errichteten Lagern untergebracht sind.
Der tatsächliche Hintergrund des Angriffs auf die YPG dürfte sein, dass diese in den Tagen zuvor aus ihrem Kanton Afrin im Nordwesten Syriens heraus einen Militärflughafen angegriffen haben, der genau an der für die Anti-Assad-Rebellen in Aleppo wichtigen Strecke zur türkischen Grenze liegt. Der Flughafen unterstand der Kontrolle der Al-Nusra-Front, die die Rebellen in Aleppo unterstützt. Offenbar versucht die Türkei durch den Beschuss die Verbindungslinie nach Aleppo für die von ihr unterstützten Kämpfer offen zu halten oder wieder freizubomben. Gleichzeitig will die Regierung in Ankara schon seit längerem verhindern, dass die syrischen Kurden ihr Gebiet im Westen mit dem im Osten verbinden und somit einen durchgängigen Streifen entlang der Grenze zur Türkei kontrollieren.
Der Angriff auf die kurdische YPG verschärft nicht nur den Konflikt zwischen der Türkei und Russland, sondern auch mit den USA. Zwischen der türkischen Regierung und der Obama-Administration schwelt seit Wochen ein immer härter ausgetragener Konflikt über den Umgang mit der kurdischen YPG. Für die Türkei ist die YPG eine Unterorganisation der PKK, mit der sich die türkischen Sicherheitskräfte seit Monaten schwere Kämpfe im Südosten des Landes liefern.
Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan und Ministerpräsident Davutoğlu sind deshalb empört, dass die USA die YPG trotzdem weiter mit Waffen und anderem kriegswichtigen Material beliefern. Für die USA ist die kurdische YPG dagegen die einzige wirksame Unterstützung gegen den „Islamischen Staat“ (IS) am Boden. Seit die YPG mit amerikanischer Luftunterstützung den IS in Kobane besiegte, arbeiten die syrischen Kurden und die USA eng zusammen.
Da Ankara und Washington sich trotz zahlreicher Gespräche hinter den Kulissen über die YPG nicht einigen konnten, hat Erdoğan kürzlich die USA öffentlich aufgefordert, sich zwischen ihrem Alliierten Türkei oder der „Terrororganisation“ zu entscheiden. Der Sprecher des US-Außenministeriums sagte dazu nur, auch verbündete Staaten müssten sich nicht immer in allen Punkten einig sein.
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