: Polizeipräsident glaubt an die Gefahr
ANTI-TERROR Der Untersuchungsausschuss versucht noch immer, die Hintergründe des so genannten Terror-Wochenendes vergangenen Frühjahrs zu ermitteln. Polizeipräsident Lutz Müller sagt aus
Fast ein Jahr nach dem großen Terror-Einsatz in der Bremer Innenstadt versucht der parlamentarische Untersuchungsausschuss immer noch, Klarheit in die Vorgänge von damals zu bringen. Am Dienstag wurde Polizeipräsident Lutz Müller stundenlang vernommen. 400 Mitarbeiter hatte er in der Nacht zu jenem 28. Februar in einer „besonderen Aufbauorganisation“ mit dem Namen „Gold“ zusammengefasst. In der normalen Struktur hätte die Polizei nicht adäquat reagieren können, erklärte er.
Gefunden wurde am Ende nichts: keine Kriegswaffen, kein Terrorist, keiner der „Franzosen“, die angeblich auf dem Weg nach Bremen waren. Dass es sich dabei offenbar um aufgeschäumte Polizeifantasien handelte, mag Müller so nicht sagen. Es habe sich nichts erwiesen, also sei bis heute unklar, ob nicht vielleicht doch Gefahr bestand. Die Täter seien möglicherweise durch die polizeilichen Maßnahmen abgeschreckt worden.
Und vielleicht waren die Waffen ja auch in dem Kellerraum, der nicht rechtzeitig durchsucht wurde – vielleicht in der Moschee, bei der es eine „Observationslücke“ gab. „Wenn man nichts findet, ist man immer in einer Erklärungsnot“, räumte Müller ein. Insbesondere durch die bohrenden Fragen von Kristina Vogt (Die Linke) wurde aber gestern in öffentlicher Sitzung deutlich, was die Abgeordneten von vertraulichen Sitzungen bereits wussten: Am Morgen des 28. Februar sah die Polizei keinen Sinn in der Durchsuchung, des muslimischen Gemeindezentrums IKZ. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) drängte aber darauf, sogar eine „Gefahr im Vollzug“ anzunehmen.
Das wurde von der Polizei abgelehnt, weil es rechtswidrig gewesen wäre. Der Staatsanwalt hat den Antrag auf Durchsuchung mit Behauptungen aufgebauscht, die für die Polizei damals schon unseriös waren und die der Polizeipräsident sich auch heute nicht erklären kann. Die Polizei war in den Monaten zuvor zu dem Ergebnis gekommen, dass an der Geschichte von den 60 Maschinenpistolen, die angeblich an Gemeindepriester verteilt worden sein sollten, nichts dran war.
Die Überwachung der beiden Brüder, die später als „Haupttäter“ bezeichnet wurden, war auch damals schon im Sande verlaufen. Und den Verfassungsschutz-Hinweis auf vier „Franzosen“, die am Freitag im IKZ gebetet haben sollen, konnten die Ermittlungen nicht erhärten. Nur weil die Polizei vollkommen im Dunkeln tappte, stellte sie Bewaffnete auf den Marktplatz und observierte Verdächtige in der Hoffnung auf Hinweise.
Als endlich ein Bulli mit französischem Kennzeichen vor der Glocke parkte, stürzte sich die Polizei auf die Touristen. Doch auch nach einem Jahr stellte Müller das Feindbild IKZ und die Qualität der „Quellen“ nicht infrage.
Von einem Strafverfahren im Umfeld des IKZ wisse er nichts, räumte Müller ein. Brandgefährlich sei das Gemeindezentrum aber dennoch. Und er würde in ähnlicher Lage wieder so handeln – nur ohne polizeihandwerkliche Fehler, erklärte Müller sinngemäß. Offenbar darf es nicht sein, dass die Polizei ein 400-Mann-Manöver gegen Gespenster aufführt.
Klaus Wolschner
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