: Eine barbarische Liaison
SAUDI-ARABIEN Trotz weltweiter scharfer Proteste gegen 47 Hinrichtungen vermeidet die Bundesregierung direkte Kritik am wichtigsten Verbündeten in der Golfregion
Scheich Nimr Baker al-Nimr, der stets für gewaltfreie Proteste eingetreten war, war am Samstag wegen „Aufwiegelung, Ungehorsam und Waffenbesitz“ öffentlich exekutiert worden. Am selben Tag wurden 46 weitere Männer hingerichtet, die die saudische Regierung als „Terroristen“ bezeichnet.
Irans geistliches Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei warnte Riad am Sonntag vor der „Rache Gottes“. Iraks oberster schiitischer Geistlicher Ajatollah Ali al-Sistani sprach von einer „Aggression“. In Teheran griffen Demonstranten Saudi-Arabiens Botschaft an. Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon kritisierte die Exekutionen scharf. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sprach von einem „Akt der Barbarei“.
Die Bundesregierung dagegen vermied direkte Kritik an Saudi-Arabien. Aus dem Auswärtigen Amt verlautete lediglich wohl ausgewogen, dass „die Exekutionen unsere bestehenden Sorgen über zunehmende Spannungen und sich vertiefende Gräben in der Region verstärken“. Saudi-Arabien, das Land mit den größten Ölreserven der Welt, gilt Deutschland, den USA und anderen westlichen Staaten als wichtigster Verbündeter im Nahen Osten seit dem Bruch des Westens mit Iraks Diktator Saddam Hussein im Jahr 1990. Deutschland ist neben den USA Riads größter Waffenlieferant, mit ständig steigenden Exportzahlen in den letzten Jahren. Bundeskanzlerin Angela Merkel begründete die Aufrüstung Saudi-Arabiens 2014 vor dem Bundestag mit der „Notwendigkeit“, den „Verbündeten“ gegen Iran zu schützen und so zu mehr „Stabilität“ in der Golfregion beizutragen.
Grünen-Chef Cem Özdemir erhob schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung. Während sie bei der Terrorismusbekämpfung innenpolitisch „hektischen Aktionismus“ betreibe, paktiere sie gleichzeitig außenpolitisch mit Saudi-Arabien, das für die ideologischen Grundlagen der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) verantwortlich sei. „Wirtschaftsinteressen und Rüstungsexporte dürfen nicht länger wichtiger sein als die menschenrechtliche Glaubwürdigkeit Deutschlands und der EU“, verlangte er. Es sei „höchste Zeit“, dass sich der Bundestag mit Saudi-Arabien beschäftige. azu
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