Konsumsucht durch Beauty-Hauls: Die Aufbrauchmonster
21 Duschgels, 78 Nagellacke, 9 Mascaras: „Aufbrauchen“-Videos helfen beim Ausmisten von überquellenden Badezimmerregalen.
Eine Folge der Hauls ist, dass bei vielen Mädchen zahlreiche ungenutzte Fläschchen, Dosen und Kosmetika herumstehen. Ein Phänomen, das dem entgegenwirkt, verbreitet sich recht unauffällig auf YouTube: das „Aufbrauchen“. Selbsternannte „Deosuchtis“ und „Aufbrauchmonster“ laden Videos hoch, in denen dem Überquellen der Badezimmerschränke Einhalt geboten wird. Im englischsprachigem Raum ist das „Aufbrauchen“ unter dem Begriff „Use It Up Beauty“ bekannt und bringt über 1,1 Millionen Treffer auf Youtube, was im Vergleich zur Masse der Haul-Videos noch vergleichsweise gering ist.
Das „Project 10 Pan“ stellt Regeln für das „Aufbrauchen“ auf. Sich auf zehn Produkte zu konzentrieren, keine Neukäufe zu tätigen und zuerst die Artikel zu benutzen, deren Mindeshaltbarkeitsdaten ablaufen. Auf YouTube sind zudem Tutorials zu finden, die Tipps zum effektiven Aufbrauchen geben. Anke Hering von der Verbraucherzentrale NRW begrüßt das „Projekt 10 Pan“. Doch die „Klickzahlen der einzelnen Videos sind allerdings noch kein Anlass für Euphorie.“
Die Altersstruktur der AufbraucherInnen ist heterogen: Während Haul-Videos hauptsächlich von Teenagern gedreht werden, spricht das „Aufbrauchen“ sowohl 14-Jährige als auch 40-Jährige an. Weitere Plattformen auf denen sich die Frauen und Mädchen über ihren Stand im „Aufbrauchen“ austauschen – besonders in den Kommentarspalten – sind Beautyblogs und Instagram. Erfolge werden mit Fotos von leeren Verpackungen, den „Empties“, oder aktualisierten Bestands-Listen dokumentiert. Unter dem Hashtag „Empties“ sind bislang lediglich 51.129 Beiträge auf Instagram veröffentlicht, der Hashtag „Haul“ kommt mit 930.970 Fotos auf eine deutlich größere Zahl .
Viele Kosmetikprodukte
Ein „Aufbrauchen“-Video beginnt oft wie ein Haul-Video: eine knisternde Tüte gefüllt mit Dosen, Flaschen, Packungen und Spraydosen wird vor der Kamera präsentiert. Doch hier sind die gesammelten, bunten Verpackungen leer.
Die YouTuberin Roses Are Red erklärt, was sie zum Dreh ihres Videos „Ich will, muss aufbrauchen“ bewogen hat: „Durch eigene Einkäufe, Geschenke, Tausch- und zugesendete Testprodukte hat sich bei mir eine Menge angesammelt. Ziel war es, meinen Beauty-Bestand zu verkleinern.“ Zu Beginn des Videos stellt Roses Are Red einige Produkte vor, die sie innerhalb der kommenden drei Monate aufbrauchen möchte, unter anderem zwei Body-Lotions, eine milde Gesichtsreiningung, eine Fußbutter. Kleine Updates per Video folgen nach einem Monat, bis dann am Ende die leeren Verpackungen den Erfolg des Aufbrauchen-Projektes zeigen.
Die YouTuberInnen, die Aufbrauch-Videos hochladen, aber auch ihre ZuschauerInnen besitzen oft viele Pflegeprodukte. Der Grund dafür ist, dass viele Mädchen „angefixt werden von neuen Produkten, außergewöhnlichen Verpackungsdesigns oder Limited-Editions, die sie in Videos sehen“, erklärt Erdbeerliese, ebenfalls YouTuberin.
Erdbeerliese bewertet den Haul-Trend kritisch: „Viele kaufen nur noch wahllos ein, laden im Monat mehrere große Hauls hoch und geben Unmengen an Geld für Dinge aus, die sie schon zigfach zuhause haben.“ Sie selber hat ihren Bestand verkleinert und das Ergebnis im Video “Ausmisten XXL“ festgehalten. „Ich habe mich irgendwann von der Masse der Produkte komplett erdrückt gefühlt.“ Erdbeerliese thematisiert in einem anderen Video die Konsumsucht durch YouTube.
Klärung der Bedürfnisse
Hering sagt, „dass sich die Verbraucherzentrale NRW grundsätzlich für nachhaltiges Konsumverhalten einsetzt und für informierte, aufgeklärte VerbraucherInnen – ein Haul ist natürlich das genaue Gegenteil.“ Um bereits früh einzugreifen, bieten sie außerschulische Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche an. Kaufwunsch und Bedürfnisse werden in diesen Einheiten geklärt. Anfragen zu den negativen Auswirkungen von Hauls habe es von VerbraucherInnen bisher nur in Verbindung mit Schleichwerbung gegeben, für deren Klärung aber die Landesmedienanstalten zuständig seien.
Christoph Werner, dm-Geschäftsführer und verantwortlich für das Ressort Marketing, kann keine „direkte Verbindung zwischen Hauls und höheren Verkaufszahlen feststellen.“ Er räumt ein, dass es „auf der subjektiven Ebene betrachtet nahe liegt, dass virale Aktionen durchaus zu einer verstärkten Nachfrage von Produkten beitragen können.“ Dies ist nicht zuletzt durch die Ankündigung von YouTube-Star Bibi, eine eigene Marke bei dm anzubieten, und dem darauffolgenden Hype im Internet abzulesen.
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