: Das Chaos hat System – und bleibt
Kommentar
von Susanne Memarnia
Senat erprobt neues Flüchtlingsmanagement
Da strahlt er, der Senator Czaja! Kann was zeigen, das die Welt noch nicht gesehen hat. Eine Registrierungsstelle für Flüchtlinge, die binnen einem Tag Asylentscheide fällen kann – rechtsstaatlich, versteht sich. Schön für die Syrer, die flott ihr neues Leben beginnen können. Weniger schön für „Wirtschaftsflüchtlinge“ aus sicheren Herkunftsländern, von denen es dank der Asylrechtsverschärfung, die diese Woche wohl beschlossen wird, bald dreimal mehr Abschiebungen geben wird. Balkan? – zack, weg! Muss leider sein, weil wir die vielen „echten“ Flüchtlinge aufnehmen müssen und uns das alles gerade ganz arg überfordert.
Das mit der Überforderung, die Czaja auch am Mittwoch wieder eifrig betonte, ist nicht zu übersehen. Das unter seiner Verantwortung stehende Lageso lässt Flüchtlinge seit Monaten stunden-, tage- und wochenlang anstehen. Menschen kommen nachts und am Wochenende in der Stadt an, aber es gibt niemand Offizielles, der sie in Empfang nimmt. Sorry, sind überfordert, damit konnte ja niemand rechnen!
Vielleicht nicht. Aber es fällt schwer zu glauben, dass dieses nun schon Monate währende Chaos nicht politisch gewollt ist. Um Angst zu schüren vor dem „Ansturm“, der „Welle“, der „Flut“, wie es gern heißt, und so den Boden zu bereiten für die „Lösung“ in Gestalt von härteren Gesetzen.
Nicht wirklich gewollt
Wenn man wirklich interessiert wäre an humanen Bedingungen, gäbe es einiges, was man längst hätte tun können. Warum hat Berlin nicht wie München eine 24-Stunden-Aufnahme von Flüchtlingen? Warum öffnet man nicht zwei seit Wochen bereitstehende Zelte auf dem Lageso-Gelände für die Wartenden, sondern lässt sie im Regen stehen? Warum müssen sich dort ehrenamtliche Ärzte unter Dritte-Welt-Bedingungen um die Kranken kümmern? Warum sagt man den Flüchtlingen: Bleibt in den Heimen, wir kommen, um euch zu registrieren – und kommt dann nicht?
Czaja sagt, nun sei endgültig Schluss mit dem Chaos. Das darf getrost bezweifelt werden. Die Menschen werden nach den bisherigen Erfahrungen mit Ämtern kaum in den Unterkünften auf ihren Bus-Shuttle zur Bundesallee warten – sie werden sich selbst auf den Weg machen. Das Wartechaos zieht um nach Wilmersdorf.
Aber gewiss wird irgendwann doch alles gut. Wenn sich bis in den letzten Winkel des Balkans herumgesprochen hat, dass wir sie bei uns nicht wollen! Und wenn Horst Seehofer endlich die Grenze dicht gemacht hat!
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