Kommentar Urteil Zeugen Jehova: Drückeberger in Karlsruhe

In seinem Beschluss zu den Zeugen Jehova lässt das Bundesverfassungsgericht eine klare Haltung vermissen. Aber genau die wäre dringend nötig.

Zeugen Jehovas bei einer Taufe

Wollen Anerkennung: Zeugen Jehovas, hier bei einer Taufe. Foto: dpa

Wozu haben wir ein Verfassungsgericht? Eine seiner wichtigsten Aufgaben ist der Schutz von unbeliebten Minderheiten. Religiöse, politische und sexuelle Außenseiter werden von der Mehrheit oft diskriminiert und die Politik macht auch noch mit, um damit Pluspunkte bei den Wählern zu sammeln.

Auch die Zeugen Jehovas sind eine seltsame Sekte, die kaum jemand mag. Deshalb ist es kein Zufall, dass das Verfahren zur Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts in manchen Bundesländern nach 25 Jahren immer noch nicht abgeschlossen ist.

Zwar gab es durchaus ernsthafte Bedenken gegenüber der Sekte, insbesondere im Umgang mit Kindern und Ausstiegswilligen. Doch diese sind inzwischen von der Rechtsprechung weitgehend geprüft, widerlegt oder für irrelevant erklärt worden. Seit dem Jahr 2006 ist die Lage eigentlich klar, seitdem findet nur noch politische Obstruktion statt.

Leider hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe den Zeugen Jehovas mit seinem jüngsten Urteil nun auch nicht wirklich weitergeholfen. Die Richter haben ausführlich und gründlich über Föderalismus und Gewaltenteilung diskutiert. Doch am Ende hat die Richtermehrheit die – für die Zeugen entscheidende – Frage einfach offen gelassen, ob sie nun einen Anspruch auf Anerkennung haben oder nicht.

Gesellschaft braucht Entscheidungen

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts mögen an den staatsrechtlichen Debatten ihren Spaß gehabt haben. Die Gesellschaft braucht aber ein Verfassungsgericht, das Fälle auch entscheidet, wenn sie entscheidungsreif sind.

Nicht nur in Bremen, auch in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen wartet die Politik auf die Weisung aus Karlsruhe – vielleicht weil sie sich selbst die Finger nicht schmutzig machen will. Doch diesmal hat sich sogar das Bundesverfassungsgericht gedrückt. Mal sehen, ob es jetzt auch ohne Vorgabe der Roten Roben geht.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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