Fernmeldeunion will Internet regulieren: Netztechnokraten unter sich
Auf der Konferenz der Internationalen Fernmeldeunion wird diskutiert, ob Regierungen das Internet verwalten sollen. Google organisiert eine Kampagne dagegen.
„Take action“ lautet //www.google.com/intl/de/takeaction/:das Motto der Kampagne, die der Internet-Konzern Google gegen eine mögliche Neuordnung der Telekommunikations-Infrastrukturen weltweit gestartet hat. Ziel der Kampagne ist die Internationale Fernmeldeunion (ITU), die im Dezember in Dubai zur Weltkonferenz (WCIT) einlädt, um ihre Regularien nach fast 25 Jahren zu überarbeiten.
Das Horror-Szenario für Google: Eine intransparente Regierungsorganisation könnte sich des Internets bemächtigen. Dch Google steht damit nicht alleine: Auch das Europaparlament hat am Donnerstag einen Entschließungsantrag verabschiedet, der sich deutlich gegen jede Machtverschiebung zur ITU ausspricht.
„In unserer Resolution stellen wir klar, dass das Europäische Parlament der Konferenz gänzlich die Kompetenz abspricht, sich auch nur ansatzweise mit einer Regulierung des Internets zu befassen“ erklärt die SPD-Europaabgeordnete Petra Kammevert. „Schließlich hat sich die Selbstorganisation des Internets als freies Medium bewährt”.
Die ITU ist eine Versammlung von Technokraten, die seit der Gründung der Organisation im Jahre 1865 dafür sorgen, dass Botschaften einheitlich übertragen werden. Ihr Verdienst ist es, dass ein Telefon in Europa mit Telefonen in Australien oder Amerika kommunizieren kann, dass ein Fax aus Deutschland auch in China ankommt. Seit 1949 ist die ITU den Vereinten Nationen unterstellt. Wie die UN ist sie nach Nationalstaaten organisiert: Jedes Land hat eine Stimme. Dass darunter auch viele Feinde der Internetfreiheit sind, beunruhigt viele.
Seit 1988 nichts geändert
Die Entwicklung des Internets hatte die ITU fast verschlafen: Sie änderte ihre Regeln zuletzt im Jahr 1988 – doch seitdem hat sich die Welt der Telekommunikation radikal verändert. Zwar funktionieren Telefone immer noch weltweit nach den Anforderungen der ITU, doch die Verbindungen zwischen Ihnen laufen jetzt immer öfter über Internet-Protokolle, dabei kommt das Internet in den ITU-Regularien nicht vor. Und E-Mails kommen beim Empfänger an, obwohl sich kein ITU-Standard um deren Form und Übertragung kümmert. Stattdessen haben die am Internet beteiligten Firmen selbst organisiert: dezentral und trotzdem nach verbindlichen Standards.
Um diese Errungenschaften fürchten nun viele. Denn was die Mitgliedsstaaten in Dubai beraten werden, ist nicht transparent. Auf der Plattform WCITLeaks werden Dokumente gesammelt, die trotzdem nach außen gedrungen sind. Obwohl diese Dokumente allesamt die hohe Bedeutung des Internets betonen und sich mit Mindestqualitäten und Transparenz über die Kommunikationswege befassen, steckt im Detail erhebliches Konfliktpotenzial.
So schlägt eine Allianz arabischer und afrikanischer Staaten vor, dass die Regierungen volle Kontrolle über IP-Adressen und Domainnamen haben sollten. Gleichzeitig sollen sie die Möglichkeit bekommen, jeden Internetnutzer zu identifizieren. Solche Vorschläge, die als Missbrauchsbekämpfung vorgeschlagen werden, eignen sich natürlich auch um Oppositionelle zu unterdrücken oder Netzblockaden voranzutreiben.
Zollschranken im Netz
Auch andere Prinzipien des Internets stehen zur Debatte, wie beispielsweise das Best-Efforts-Prinzip, wonach die Internetprovider jeden Datenverkehr nach besten Möglichkeiten weitertransportieren. Eine Änderung dieses Prinzips könnte dafür sorgen, dass quasi Zollschranken für Internetverkehr errichtet werden.
Besonders Google fürchtet solche Beschränkungen – denn die Milliardengewinne des US-Konzerns haben weltweit Begehrlichkeiten ausgelöst. Treffen würden sie aber wohl vor allem Kleinunternehmen, die künftig erheblich mehr zahlen müssten um im Internet groß zu werden. Wirtschaftliche Erfolgsstories wie Google oder Facebook wären wieder ganz in der Hand der Telekommunikationsfirmen – so wie es die ITU seit über 100 Jahren gewohnt ist.
Leser*innenkommentare
systemix
Gast
In dem Artikel sind zunächst einige Punkte zu ergänzen. Die ITU hat nicht nur die technischen Standards im Telefonverkehr bestimmt, sondern auch die weltweite Frequenzvergabe für den Funkverkehr. In diesem Bereich haben in der Tat sehr viele Staaten davon profitiert. Auch die Sicherheit im Schiffs- und Luftverkehr wurde über Jahrzehnte durch diese Regelungen garantiert.
Es geht in Wirklichkeit um ein anderes Problem. Mittels der ITU wollen einige Staaten, und das ist leider die Mehrheit, Einfluss auf die Inhalte des Datenverkehrs erlangen. Das Fernmeldegeheimnis schützt jedoch bisher den nicht öffentlichen Funkverkehr. Solche Bestrebungen sind aber in der EU auch vorhanden. Durch die "deep packet inspection" soll das Fernmeldegeheimnis auch für alle Datenverkehre unterlaufen werden. In Verbund mit der IPv6-Adresse ist damit Absender und Inhalt jeder Nachricht im Internet fest zu stellen. Frau Malmström ist eine Vorreiterin einer EU-
Gestapo.
Die Übertragung der Registration von Domain und IP-Adresse auf staatliche Stellen bietet den großen Vorteil unmittelbar gegen Anbieter und Nutzer vorzugehen, was derzeit mit einigen Mühen verbunden ist, aber auch keine echte Hürde darstellt.
Dass viele Bananenrepubliken und auch die EU-Scheindemokratien solche Begehrlichkeiten entwickeln ist ja keinesfalls verwunderlich. Das kommt davon, wenn man nicht nicht frühzeitig genug den Regierungen auf die Finger haut und stattdessen alles schleifen lässst.
Die Verteidigung der demokratischen Grundrechte ist eine alltägliche Aufgabe und nicht nur dem Wahltag vorbehalten.
Hans Wurst
Gast
Der Link zur Google-Kampagne ist defekt.
http://www.google.com/intl/de/takeaction/
T.V.
Gast
So viel schlimmer als wie momentan von einer nichttransparenten NGO kontrolliert zu werden, kann's auch nicht sein.
Markus
Gast
Wofür wollt ihr den Geld verlangen???
Ihr verdient doch durch die Werbung schon genug.
Wenn ich mich auf dieser Webseite so umsehe, ist der Anteil an Werbung weit höher als der des geschriebenen Wortes.
Wenn das hier kostenpflichtig wird lese ich eben wo anders.
Übertreibt es besser mal nicht!!!
justme
Gast
ehrlich... lieber soll die itu, als unterorganisation der un die regeln fuer ein weltweites datennetz definieren, als selbstorganisierte firmen, die undemokratischen, kapitalistischen paradigmen folgen.
Mirko Malessa
Gast
Das Netz wird doch schon (seit anfangan) reguliert; oder wie meint ihr, läuft das ab? Ihr Schwachmaten!