Kommentar Belgien - USA: Die neuen Roten Teufel

Sie sind sehr jung und haben bisher nur in Ansätzen überzeugt. Im Viertelfinale gegen Argentinien wird sich zeigen, wozu diese Belgier in der Lage sind.

Die beiden belgischen Torschützen: Romelu Lukaku (l.) und Kevin de Bruyne. Bild: reuters

So manch einer mag sich noch an Jean-Marie Pfaff erinnern. Der ehemalige Torwart des FC Bayern lenkte nicht nur Einwürfe ins eigene Tor oder importierte einen legendär schlechten Kleidungsstil, nein, er stand hierzulande auch wie kein anderer für die letzte erfolgreiche Epoche des belgischen Fußballs Mitte der 80er Jahre. Pfaff holte damals mit dem Nationalteam, den Rode Duivels (Roten Teufeln), den dritten Platz bei der WM 1986 in Mexiko – mit ihm kickten unter anderem Enzo Scifo, Jan Ceulemans oder Eric Gerets.

Nun kommt die nächste Generation Belgiens. Dank des 2:1 gegen die USA nach Verlängerung, feiert Belgien den WM-Viertelfinaleinzug. Es ist der größte Erfolg seit Mexiko, die aktuelle Fußballbegeisterung im Nachbarland ist enorm. Nun ist – bei einem Sieg gegen die bisher keinesfalls Ehrfurcht einflößenden Argentinier (Samstag, 05. Juli, 18 Uhr) – gar ein Traum-Halbfinale gegen Holland drin. Vor zwei Jahren besiegte man Oranje in einem Freundschaftsspiel 4:2. Es war der Beginn des Siegeszuges der neuen Teufel.

Das heutige Team hat dabei mit den Helden von damals so ungefähr gar nichts gemein. Damals war Pfaff als im Ausland kickender Belgier Exot – das Team bestand aus Profis, die zumeist in der belgischen Liga spielten und aus seit Generationen in Belgien lebenden Familien stammten.

Heute hat man ein deutlich heterogeneres Team: Stürmer Romelu Lukaku, Torschütze gegen die USA, hat familiäre Wurzeln im Kongo, Mittelfeldmann Marouane Fellaini hat einen marokkanischen Migrationshintergrund, und der gegen Klinsmanns US-Boys erfrischend aufspielende Divock Origi kommt aus einer kenianischen Familie. Dazwischen kicken Weißbrote wie der in Deutschland bestens bekannte und am Dienstag bärenstarke Kevin De Bruyne, der noch zur Schlüsselfigur werden könnte. Sie alle zeigten gegen die USA, wie temporeicher Konterfußball geht, wie das Individuelle im Kollektiv aufgehen kann. Selbstverständlich verdienen heute fast alle Spieler ihr Geld im Ausland.

Wider dem Populismus

Dieser Mix bildet aber nicht nur die globalisierte Fußballwelt ab – und Belgien ist in dieser Hinsicht auch kein Einzelfall. Aber das belgische Team beweist derzeit auf dem Fußballfeld, wie man sehr unterschiedliche Ressourcen integrieren kann, wie diese Heterogenität auf dem Platz zu etwas Großem zusammenwachsen kann. Ob zu etwas ganz Großem, schon bei dieser WM, das weiß man noch nicht – denn bisher hat Belgien noch nicht gegen taktisch auf absolutem Topniveau agierende Mannschaften gespielt.

Wichtiger könnte aber ohnehin sein, dass diese 23 belgischen Spieler den regionalistisch-populistischen Tönen, die in ihrer Heimat ähnlich laut sind wie in anderen europäischen Ländern, ein bisschen fußballerische Symbolpolitik entgegensetzen. Der Halbfinaleinzug gegen Argentinien käme da gelegen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist Redakteur im Ressort wochentaz. Er schreibt vor allem über Musik, Literatur und Gesellschaftsthemen.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.