Exxon-Europa-Chef über Fracking: „Das ist der Preis“
Manche Argumente, mit denen Exxon für Fracking wirbt, sind fragwürdig, räumt Europa-Chef Gernot Kalkoffen ein. Einen Boykott der Verbraucher fürchtet er nicht.
taz: Herr Kalkoffen, während die Politik gerade über das Fracking-Gesetz streitet, haben Sie eine intensive Lobby-Kampagne für die Technik gestartet. Die Gewinne, die Sie damit erwarten, sind offenbar gewaltig.
Gernot Kalkoffen: So weit denken wir noch gar nicht. Uns geht es erst mal darum zu schauen, wie groß das Potenzial an Erdgas in Deutschland noch ist und unter welchen Bedingungen man es fördern kann. Die konventionelle Gasproduktion in Deutschland fällt um 10 Prozent im Jahr. Ohne Fracking wird hier bald kein Erdgas mehr gefördert.
Ist denn Erdgasförderung angesichts der hohen Preise – dreimal so hoch wie in den USA – nicht extrem profitabel?
Das ist die eine Seite der Medaille. Wir haben aber auch wesentlich höhere Kosten und höhere Auflagen. Wenn wir beispielsweise einen Bohrplatz in Deutschland haben, dann müssen wir den versiegeln wie Sie das zum Beispiel auch von Tankstellen kennen. Das ist in den USA nicht der Fall. Schon die Erstellung eines Bohrplatzes ist in Deutschland extrem viel teurer. Viele Sauereien die in den USA passiert sind, wo es auch Kontaminationen von Trinkwasser gab ...
... auch von Ihrem Konzern ...
... haben nicht ursächlich damit zu tun, dass aus der Tiefe etwas nach oben gekommen ist. Sondern es sind beispielsweise von oben Diesel oder Chemikalien in den Untergrund geraten. Solche Kontaminationen können bei versiegelten Bohrplätzen nicht entstehen.
Wir haben uns Förderstätten von Ihnen angeschaut. An manchen Stellen sah es nicht nach Versiegelung aus, es gab rissige Betonflächen, daneben ging der Schotter los, die Konsequenz war, dass Umweltverbände erhöhte Benzol- und Quecksilberwerte in der Umgebung festgestellt haben.
Das streiten wir überhaupt nicht ab. Da müssen wir besser werden. Ihr Beispiel hatte nichts mit Bohren zu tun. Wir haben alte Anlagenteile abgebaut, die mussten gereinigt und entsorgt werden. Beim Reinigen hatte sich auf dem Platz Quecksilber angesammelt, das zum Teil über den Platz hinaustrat. Das darf eigentlich nicht sein. Da sind wir dran, und das machen wir transparent und offen. Wir arbeiten ein Sanierungsprogramm ab, das wir mit den Behörden abgestimmt haben.
Der 64-jährige Doktor der Physik ist Europa-Chef des weltgrößten privaten Öl- und Gaskonzerns ExxonMobil und großer Anhänger der umstrittenen Fördermethode Fracking. ExxonMobil fördert rund 8 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases.
Es gab auch andere Ursachen: Sie haben jahrelang Plastikrohre verwendet, durch die Quecksilber und andere Stoffe diffundiert sind, und nichts davon gemerkt. Wie soll da Vertrauen in ein Unternehmen entstehen, das jetzt auch noch fracken will?
Den Punkt verstehe ich. In Lagerstättenwasser, das aus ein paar tausend Metern Tiefe nach oben kommt, sind Schwermetalle oder aromatische Kohlenwasserstoffe wie Benzol enthalten. Wir haben früher geglaubt - übrigens auch die Behörden - dass man dieses Wasser in Kunststoffrohren transportieren kann, ähnlich wie Abwasser. Das war falsch. Da diffundiert mit der Zeit etwas durch. Das haben wir erkannt und haben uns deshalb als Industrie dazu verpflichtet, im Gasbereich diese Leitungen für solche Wässer gegen GfK- oder Stahlleitungen auszutauschen.
Andere Unternehmen halten den Widerstand gegen Fracking in Deutschland für zu groß, um zu investieren. Warum glauben Sie, das gesellschaftliche Klima drehen zu können?
Ich bin Physiker und glaube, dass sich in einem kontroversen und offenen Diskurs die Vernunft durchsetzt. Am Ende müssen Politik und Gesellschaft sagen: Unter diesen Bedingungen und Auflagen erlauben wir es.
Sie halten die Fracking-Gegner also für unvernünftig?
Nein, die verschiedenen Sichtweisen sind legitim. Es geht mir darum, dass wir gemeinsam die richtige Balance finden müssen. Am Ende sollte etwas herauskommen, das dem Land als Ganzes nutzt. Deutschland hat sich für die Energiewende entschieden. Dafür brauchen wir auf absehbare Zeit Erdgas. Wir hoffen, den Anteil von heimischem Erdgas von 10 wieder wie früher auf 20 Prozent steigern zu können. Das macht uns auch unabhängiger von Importen etwa aus Russland.
Um an der Importabhängigkeit wirklich etwas zu ändern, sind die Reserven in Deutschland doch viel zu gering.
Das ist nur auf den ersten Blick richtig. Man kann besser verhandeln, wenn man mehrere Eier im Korb hat. Und insgesamt ist schon Gas in signifikanten Mengen vorhanden. Wir schätzen die förderbare Menge auf 2,3 Billionen Kubikmeter – ungefähr das Zehnfache der bisherigen Reserven. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften nennt die gleiche Größenordnung.
Moment. Die BGR spricht von 0,7 bis 2,3 Billionen Kubikmetern. Sie nehmen von dieser breiten Spanne einfach nur den obersten Wert.
Das Letzte, was ich will, ist, die Dinge rosarot zu malen. Das hilft auch uns als Unternehmen nicht. Aber um ein Beispiel zu nennen: Die BGR geht von nur 10 Prozent technisch förderbarer Menge aus, das heißt, das tatsächlich vorhandene Erdgas wäre zehnmal mehr. Aber Sie haben schon recht. Um sicherzugehen, müssen wir nachschauen, wie viel Gas denn wirklich da ist und ob es sich technisch fördern lässt. Deshalb wollen wir ja Pilotprojekte machen. Dabei könnten wir auch unsere neu entwickelte Fracking-Flüssigkeit testen. Die enthält nur noch zwei ungiftige Chemikalien.
Das Fracking: Mit dieser Art der Förderung wird Erdgas aus dichten Gesteinsschichten freigesetzt. Dazu wird unter hohem Druck ein Gemisch aus Wasser und Chemikalien in den Boden gepresst, um Risse im Gestein zu erzeugen.
Die Kritik: Bisher werden dabei giftige und krebserregende Stoffe eingesetzt. Außerdem müssen große Mengen belastetes Wasser entsorgt werden, denn neben der Fracking-Flüssigkeit kommt meist auch kontaminiertes Lagerstättenwasser hoch. Zudem werden große Flächen benötigt. (mkr)
In Ihren Anzeigen suggerieren Sie, das alles sei längst einsatzbereit. „Es werden nur noch zwei ungiftige und zudem biologisch leicht abbaubare Zusätze zum Einsatz kommen“, haben Sie geschrieben.
Es ist richtig, dass wir die Flüssigkeit noch nicht ausprobiert haben. Aber ich finde es zynisch, uns das vorzuwerfen. Schließlich bekommen wir gar keine Genehmigung dafür.
Warum testen Sie sie nicht in den USA, wo Sie längst fracken?
Das Problem ist, dass jedes Ton- und Schiefergestein ein bisschen anders ist. Um die neue Flüssigkeit zu testen, bräuchte ich genau die Bedingungen wie in Deutschland.
Ihre bisher eingesetzte Fracking-Flüssigkeit enthält 30 bis 40 teils giftige Substanzen. Warum sollte die Öffentlichkeit glauben, dass Sie künftig mit zwei ungiftigen auskommen, obwohl sie keine Tests unternehmen, weil die angeblich nur in Deutschland möglich sind?
International sind ähnliche Rezepturen mit weniger Chemikalien bereits erfolgreich eingesetzt worden. Am Ende des Tages wollen Politik und Öffentlichkeit aber wissen, wie es bei uns in Deutschland aussieht. Bei den Pilotvorhaben sollen uns Wissenschaft und Öffentlichkeit ja gerade auf die Finger schauen.
In Ihrer Werbung behaupten Sie auch, in deutschem Tongestein würde es kein kontaminiertes Lagerstättenwasser geben. Wie kommen Sie darauf?
Das ist einfach die Geologie: In diesem dichten Gestein kann kein Wasser nachströmen. Wir erwarten nur geringe Mengen Kondenswasser.
Woher wissen Sie das?
Wir haben in Deutschland in den letzten 100 Jahren schon sehr viele Bohrungen gemacht – und dabei natürlich auch durch Ton gebohrt. Das heißt, es gibt ganz viel geologische Erfahrung in der Industrie, aber auch an Universitäten oder bei der BGR …
Der Inhalt: Schon im Juli haben das Wirtschafts- und das Umweltministerium gemeinsame Eckpunkte für ein Fracking-Gesetz vorgelegt. Dieses lässt oberhalb von 3.000 Metern nur Erprobungsmaßnahmen zu. In diesen Bereichen liegen Tongesteine. Im tiefer gelegenen Sandstein darf die Technik unter Auflagen weiter eingesetzt werden. So soll Fracking in Wasser- und Naturschutzgebieten verboten werden.
Der Stand: Der lange angekündigte Gesetzentwurf wird derzeit vom Kanzleramt blockiert. Nach taz-Informationen wollen Teile der Union das Verbot von Fracking oberhalb von 3.000 Meter zeitlich befristen und den Umfang der Schutzgebiete verkleinern. (mkr)
… die schreibt 2012 in ihrer Frackingstudie: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen nur begrenzt Daten zur Porosität von Tongestein in Deutschland vor, und zum Gas-Wasser-Verhältnis können keine Angaben gemacht werden.“ Ein klarer Widerspruch zu Ihrer Aussage.
Ich habe mittlerweile gelernt, dass Wissenschaftler erst dann etwas sagen, wenn man den letzten Beweis hat. Ich will jetzt nicht aus zweiter Hand schätzen, was die BGR gesagt hat. Wir haben andere Erkenntnisse.
Sie sagen also, die zuständige Bundesbehörde, die ja nicht gerade Fracking-kritisch ist, hat keine Ahnung? Und Sie garantieren, dass es kein Lagerstättenwasser gibt?
Nein, so absolut würde ich das nie formulieren.
Sie schreiben in Ihrer Werbung: „Es wird kein salziges Wasser aus dem Untergrund mitgefördert.“ Das ist ziemlich absolut.
Ja, aus unserer Sicht ist es schwer möglich, dass an unseren geplanten Förderstellen Lagerstättenwasser nachfließt. Die Aussage ist korrekt.
Bei der Stromproduktion mit Gas entstehen weniger Treibhausgase als mit Kohle. Allerdings entweicht beim Fracken eine größere Menge Methan – und das ist ja als Treibhausgas besonders schädlich. Wie klimafreundlich ist gefracktes Erdgas eigentlich?
Das ist ein sehr relevanter Punkt, und den nehmen wir auch ernst. Es gibt da relativ wenig Erfahrungen, denn vor zehn Jahren wurde Fracking ja noch kaum eingesetzt. Auch uns als Industrie ist es darum wichtig zu messen, was da wirklich passiert.
Solche Messungen hätten Sie doch längst machen können, wenn das Interesse wirklich so groß ist.
Es ist ja nicht so, dass gar nichts gemessen wird. In den USA wissen wir beispielsweise, dass die Methan-Emissionen generell gefallen sind, obwohl die Schiefergasförderung ansteigt.
Eben haben Sie noch gesagt, dass bisher nicht ordentlich gemessen wurde.
Doch, insgesamt wird der Ausstoß schon gemessen. Aber die Werte sind natürlich pauschaliert, man nimmt da bestimmte technische Faktoren an. Klar ist, dass aus dem Bohrloch nichts entweicht, wenn es dicht ist. Außerdem sinkt der Druck über die Jahre stark ab, sodass die technische Integrität nicht schlechter wird. In Deutschland veröffentlichen wir mit unserem Verband jedes Jahr die Methan-Emissionen.
Ein Sprecher von Exxon hat uns im Zuge einer Recherche gesagt, dass Sie an den Bohrstellen nichts messen. Da gibt es eine grobe Hochrechnung, mehr nicht.
Es gibt an unterschiedlichen Stellen Messungen, aber nicht überall, das ist richtig. Natürlich können wir da noch besser werden. Aber die Bedingungen, unter denen in Deutschland Erdgas gefördert wird, sind schon um Größenordnungen besser als in anderen Ländern. Und für das Klima ist es ja ziemlich egal, wo Methan freigesetzt wird. Da spricht gerade unter Klimagesichtspunkten schon einiges für eine Förderung von Erdgas hier in Deutschland.
Das Fracking-Gesetz, auf das sich Umwelt- und Wirtschaftsministerium schon geeinigt haben, hängt derzeit noch im Kanzleramt fest – offenbar, weil es die Industrie und Teile der Union zu restriktiv finden. Was sollte denn aus Ihrer Sicht daran noch geändert werden?
Am bisher bekannten Eckpunktepapier stört mich, dass unklar ist, wie es nach dem Jahr 2021 weitergeht. Unter diesen Bedingungen wird man kaum Investoren hinter dem Ofen hervorlocken können. Der andere Punkt sind die Ausschlussgebiete, in denen unter keinen Umständen gefrackt werden darf. Das dürfen nicht so viele sein, dass am Ende gar nichts mehr übrig bleibt. Wir sind ja damit einverstanden, dass es für jedes Vorhaben eine wasserrechtliche Erlaubnis geben soll. Aber wenn sie alles von vornherein ausschließen, macht eine solche Prüfung des Einzelfalls keinen Sinn mehr. Aber ich bin von Haus aus Optimist und hoffe, dass es am Ende eine vernünftige Balance gibt.
Selbst wenn Sie die Politik umstimmen: Fürchten Sie angesichts der breiten Proteste nicht, dass viele Menschen Benzin oder Heizöl nicht mehr bei Ihrer deutschen Marke Esso kaufen, wenn Exxon der größte deutsche Fracking-Akteur wird?
So konkret habe ich mir diese Frage noch nicht gestellt. Aber das ist vielleicht der Preis, den man zahlen muss, wenn man am Markt eine große Rolle spielt. Wir sind an vielen Stellen Marktführer und müssen den Markt dann eben auch führen.
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