Abgeschobene Roma-Familie: Das Elend grün-roter Realpolitik

Erst kam die Abschiebung aus Baden Württemberg. Jetzt muss eine Roma-Familie unter katastrophalen Bedingungen in Serbien leben.

Ob der serbische Ministerpräsident Vucic bei Winfried Kretschmann auch über abgeschobene Roma gesprochen hat, ist nicht bekannt. Bild: dpa

TÜBINGEN taz | Die Roma-Siedlung in Nis in Südserbien ist ein Slum: Die Wege sind schlammig, die Häuser baufällig. Die Großfamilie Ametovic mit sechs Kindern lebt dort in einem neun Quadratmeter großen Zimmer des Großvaters. Ihre eigene Wohnung ist nicht bewohnbar: Es regnet zur Decke herein, die Wände sind nass, überall schimmelt es. Die Notdurft wird auf dem Boden neben dem Hühnerstall verrichtet.

Das zeigen Bilder, die Mitarbeiter des Jugendhilfswerks Freiburg aufgenommen und nun veröffentlicht haben. Sie sind nach Nis gereist, um sich von den Lebensumständen ein Bild zu machen. Die Familie war am 20. Januar aus Freiburg abgeschoben worden.

Der Bericht über die katastrophalen Zustände stärkt die Position der Kritiker dieser Abschiebung. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte versichert, es gebe Abmachungen mit serbischen Behörden, wonach die Familie weiterbetreut wird: „Wir überlassen keine Familie ihrem Schicksal.“ Diese Abmachung wurden zumindest nach Berichten des Jugendhilfswerks nicht eingehalten.

Der abgeschobenen Familie sei keinerlei Unterstützung angeboten worden, weder finanziell noch medizinisch, heißt es im Bericht aus Nis. Das Innenministerium teilt hingegen mit: „Wir wurden am Abend der Abschiebung von den serbischen Behörden darüber informiert, dass die Familie gut in Belgrad angekommen ist.“ Angebotene medizinische Hilfe und eine angebotene Wohnungszuweisung hätte sie aber nicht angenommen.

Wiedereinreise gefordert

Die Abschiebung der Familie Ametovic hatte Proteste in den Freiburger Kindergärten und Schulen, die die Kinder der Großfamilie besucht haben, und bei Flüchtlingsinitiativen ausgelöst. Der Vorgang wird vom Innenministerium jedoch als juristisch wasserdicht dargestellt. Weiter heißt es: „Grundsätzlich können materielle Notlagen nicht über das Asylrecht gelöst werden. Die Hilfe in Baden-Württemberg richtet sich an politisch Verfolgte und Flüchtlinge aus Bürgerkriegsländern wie Syrien.“ Schlechte Karten für Roma.

Der Geschäftsführer des Freiburger Jugendhilfswerks, Carlos Mari, kritisiert diese Haltung. Wegen des schlechten Gesundheitszustands einiger Familienmitglieder hätten die Ametovics aus humanitären Gründen nicht abgeschoben werden dürfen, sagt er. Mindestens eine vorübergehende Duldung hätte er erwartet. Freiburger Flüchtlingsinitiativen fordern die Wiedereinreise.

Transparente Kriterien

Auch der Petitionsausschuss wird sich am 4. März erneut mit der Lage der Familie beschäftigen. Im Oktober hatte der Ausschuss die Petition auf Bleiberecht abgelehnt. Der Ausschuss unter Vorsitz der Grünen Beate Böhlen hat aber vom Innenministerium gefordert, dass der Familie auch in Serbien eine Unterkunft und medizinische Versorgung zugesagt wird. Nun wird der Bericht des Innenministeriums erwartet.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Edith Sitzmann, befindet sich derzeit in Gesprächen mit Innenminister Reinhold Gall (SPD), um verbindliche Kriterien auszuhandeln, wann eine Abschiebung aus humanitären Gründen ausgesetzt werden muss. Man befinde sich auf einem guten Weg, heißt es. Solche transparenten Kriterien, wie sie Anwälte und Asylrechtsgruppen fordern, wurden vom Innenministerium bislang abgelehnt.

Mit dem Asylkompromiss vom September 2014, wonach Serbien zu den sicheren Herkunftsländern zählt, hat die Abschiebung der Familie nichts zu tun. Der Asylantrag war nach einer Einzelfallprüfung bereits 2013 abgelehnt worden.

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