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SPD in Baden-WürttembergNils Schmid ist kein „Bubi“ mehr

Der Spitzenkandidat zur Landtagswahl ist gekürt. Schmid wirkt seriöser als noch 2011 und möchte die Koalition mit den Grünen fortsetzen.

Nils Schmid auf dem SPD-Parteitag in Singen. Bild: dpa

SINGEN taz | Nils Schmid bedankt sich für den Applaus, lacht gelöst. Er geht zu seinem Platz, verbeugt sich, doch der Applaus endet nicht. Verhalten geht er zurück an den Bühnenrand und winkt. Er wurde am Wochenende bei einem Parteitag in Singen zum Spitzenkandidaten im Wahlkampf um das Amt des baden-württembergischen Ministerpräsidenten gewählt.

Bei der CDU, gleicher Anlass einige Wochen zuvor, hatte man den Eindruck, der Spitzenkandidat Guido Wolf feiere schon den Sieg der Landtagswahl, so lange und selbstbewusst ließ er sich von den Delegierten feiern. Nils Schmid ist anders. Kein Bühnenkünstler. Kann so einer Erfolge bei einer Wahl einfahren?

Beim Parteitag in Singen wurde Nils Schmid von 93,3 Prozent der Delegierten zum Spitzenkandidaten gewählt. Vor fünf Jahren hatten bei der Spitzenkandidatenkür 92 Prozent für ihn gestimmt. Schmid will an der Seite der Grünen einen Wahlkampf gegen die CDU führen.

Er steht im Windschatten des grünen Landesvaters Winfried Kretschmann mit seinen hohen Zustimmungswerten, zuletzt 70 Prozent laut Infratest dimap im Auftrag von Stuttgarter Zeitung und SWR. Doch sollte die Wahl im März 2016 zugunsten der SPD ausgehen, würde er nach dem Ministerpräsidentenamt greifen.

Image als Musterschüler

Nils Schmid (41) ist der Superminister aus Stuttgart. Er führt gleichzeitg das Wirtschafts- und Finanzministerium, ist Landesvorsitzender der SPD und Vize-Ministerpräsident im Südwesten. Er hat in Tübingen Jura studiert, abgeschlossen mit Prädikat, was ihm das Image des Musterschülers einbrachte, des Strebers. Er ist der jüngste Minister im Kabinett, Spitzname zu Beginn der Regierungszeit: „der kleine Nils“. Er trinkt keinen Alkohol und ist nicht der letzte, der vom Fest geht.

Nils Schmid winkt ab. Die wichtige Arbeit laufe nicht nachts im Bierkeller, sagt er, sondern tagsüber in seinem Büro oder dem Dienstwagen, mit dem er durch das Land fährt – oft bringt er zuvor seine Tochter in den Kindergarten. Schmid ist verheiratet, seine Frau Tülay Schmid hat türkische Wurzeln, hat ein Kind mit in die Ehe gebracht. Bei der Taufe der gemeinsamen Tochter gab es Rostbraten und zum Nachtisch eine türkische Süßspeise. „Wir sind eine bunte Familie.“ Das erzählt Schmid auf der Bühne beim Landesparteitag.

Schmid erzählt noch mehr Geschichten aus dem Land. Die braucht er, denn seine Themen kompliziert. Es geht in seinem Ressort um Staatsfinanzen, um technologische Innovationen. Gepaart mit seiner sachlichen Art trägt ihm das den Vorwurf ein, ihm fehle die Emotionalität. Auch aus der Fraktion hört man, Schmid könnte offensiver sein und ein bisschen mehr nach außen strahlen. Die Generalsekretärin der CDU, Katrin Schütz, spricht von einem „leidenschaftslosen Auftritt“ in Singen. „Neben Übervater Kretschmann bleibt Nils Schmid seit 2011 mit seiner SPD der blasse Juniorpartner.“

Zufriedenheit spüren

Die große Rede mag Schmids Ding nicht sein. Er möge den Dialog mit den Leuten im Land, sagt er am Rande des Parteitags. Dort könne er vermitteln, dass er Politik auf Augenhöhe mit den Baden-Württembergern betreiben wolle. Dort spüre er Zufriedenheit.

Und was ihn inzwischen im Auftreten stärkt: Er kann Ergebnisse seiner Regierungszeit vorweisen: Die Nullverschuldung, die er erreicht und mit Fotos neben einer großen schwarzen Pappnull inszeniert hat, schien wie ein Befreiuungsschlag für ihn zu sein. Ein Erfolg, der auf seine Rechnung geht. Die Wirtschaft ist mit ihm zufrieden. „Wir haben einen exzellenten Kontakt zur Landesregierung“, sagt Joachim Möhrle, Präsident des baden-württembergischen Handwerkstags.

Nils Schmid ist in seiner Regierungszeit souveräner geworden. Rita Haller-Haid, seit 14 Jahren SPD-Parlamentarierin, empfindet ihn als deutlich reifer als bei der letzten Spitzenkandidaten-Wahl 2010. „Da haben ihn manche noch als Bubi empfunden. Das ist er nicht mehr.“

Er wird im Wahlkampf mit dem Versprechen für „gute Arbeit“ und Familienpolitik werben. Das ist SPD-Kern und dürfte bei Schmid durch seinen Hintergund und seinen Ressortzuschnitt authentisch wirken. Bei der Wahl will die SPD 25 Prozent erreichen (2011: 23,1 Prozent).

Die CDU ist die große Unbekannte in der Spekulation über ein künftiges Wahlergebnis. Schmid schließt eine Koalition mit der CDU nicht aus, sagt aber: „Wir sind inhaltlich weit auseinander. Ich kann mir das nicht vorstellen.“ Die baden-württembergische CDU sei „noch rechtslastiger als die Merkel-CDU“ auf Bundesebene. Schmid würde wie Kretschmann am liebsten die bestehende Koalition fortsetzen. Unter wessen Führung ist aber offen.

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6 Kommentare

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  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Schmids Chancen stehen sicher nicht ganz schlecht. Guido Wolf ist schließlich über Oberschwaben hinaus schwer vermittelbar.

  • Oh je, das Nilsle. Na, da kann die SPD nur froh sein, daß die Union ne Schlaftablette ins Rennen geschickt hat. Aber für Grün-Rot oder Rot-Grün wird´s trotzdem nicht mehr langen. Der Schwabe hat erkannt, das man Unionspolitik doch besser vom Original machen läßt - da stehen hinterher wenigstens noch ein paar Steine aufeinander, wenn auch wackelig.

  • So ein Super- und Wirtschaftsminister passt super zu den führenden Genossen in Berlin, vor allem zum Parteivorsitzenden und Wirtschaftsminister: keine Ahnung von Ökonomie, denn die braucht man ja nicht, weil man sich von interessierten Fachleuten beraten lässt. Da muss man nicht einmal Ahnung von Buchhaltung und Bilanzierung haben, wo es immer zwei per def. gleiche Seiten gibt wie Einnahmen und Ausgaben, Exporte und Importe, Geldvermögen und Geldschulden, das addiert sich immer zu Null. Und wenn man an einer Stelle Ausgaben streicht, dann sinken an anderer Stelle die Einnahmen um mindestens denselben Betrag, denn der Ausgabenmultiplikator staatlicher Ausgaben ist so um 1,5 und kriegt bei Streichung von Ausgaben ein negatives Vorzeichen; wenn man alle Geldschulden tilgt, dann gibt es auch kein Geldvermögen mehr, und die Wirtschaft ist bankrott. Aber solche Petitessen kann man souverän übergehen, man hält sich an Fiskalpakt und Schuldenbremse, denn die garantieren, dass die staatlichen Schulden kontinuierlich steigen, wie man nicht nur in Europa beobachten kann. Wie war das noch mal- wenn alle sparen, dann geht es bergauf mit der Wirtschaft, dann steigen die Umsätze? Oder sind Schulden eher das Pendant zu Vermögen, das wie Mist gleichmäßig verteilt sein sollte? Vielleicht sollte sich dieser Superminister mal schlau machen in Sachen Buchhaltung, volkswirtschaftlicher Saldenmechanik, dem Primat der Politik (Wirtschaft funktioniert nur, wenn alles Relevante von der Politik gesetzlich geregelt ist) und der staatlichen Theorie des Geldes. Eigentlich sollten das alle Ökonomen an der Uni gelernt haben. Wenn der Herr Minister das alles kapiert hat, dann kann er in Berlin endlich ein Fass aufmachen und seinen Genossen wirtschaftspolitische Kompetenz beibringe, denn er ist ja noch jung und sicher lernfähig.

    • @Emil:

      "Und wenn man an einer Stelle Ausgaben streicht, dann sinken an anderer Stelle die Einnahmen um mindestens denselben Betrag..."

       

      Das ist aber sehr pauschal. Es kommt immer auch darauf an, wo gespart wird. Bei den Investitionen sparen, ist der Fehler.

       

      Der kleine Niels macht aber einen den Umständen entsprechend guten Job. Die CDU Alternative wäre viel schlimmer.

    • @Emil:

      Sehr geehrter Emil,

       

      wie ich Ihren Anmerkungen entnommen habe ist Ihnen der Begriff "Schuldgeldsystem" geläufig, was gefühlt für 0,005% der Bevölkerung ebenso gilt. Es ist wohltuend einmal von einem Gleichgesinnten zu lesen.

       

      Und wer einmal verstanden hat, was ein Schuldgeldsystem ist, und vor allem das es sich hierbei um unser real existierendes Geldsystem handelt, kann an den Sinn von Wahlen und Demokratie nicht mehr glauben.

  • Also, ich frage mich, was die Lobhudelei der taz soll. Herr Schmid wirbt für gute Arbeit. Was macht grün-rot als Arbeitgeber? Nachdem die alte Regierung schon zweimal die Arbeitszeiten der Beamten hochgesetzt hat und auch gerne mal Nullrunden verordnet hat:

    u.a.- Kürzung der Bezüge in den ersten drei Jahren um 8%

    - Kürzung bei der Beihilfe

    - Verschiebung der Besoldungserhöhungen um ein Jahr in 2014 und 2015 (faktisch durch die Inflation eine Reallohnkürzung)

    - Abschaffung der Vermögenswirksamen Leistungen für den höheren Dienst

    (die ganze Liste ist deutlich länger)

    Daneben noch andere Dinge, wie die Erhöhung der Grunderwerbssteuer. Gleichzeitig kämpft er für die Steuerfreheit von Betriebserben. Wieso hat die taz hier nichts kommentiert?