Kommentar Tsipras in Moskau: Diplomatie mit Pfirsichen

Außer Südfrüchten hat Griechenland wenig zu bieten. Das haben die Russen glasklar erkannt und keinerlei Finanzzusagen gemacht.

Spricht von „geopolitischer Dynamik“: Griechenlands Premier Tsipras (links) zusammen mit Russlands Präsident Putin. Bild: reuters

So banal kann Diplomatie sein: Zwei Tage lang ist der griechische Premier Alexis Tsipras in Moskau, und an beiden Tagen redet er - über Pfirsiche und Erdbeeren. Der Rest ist rhetorisches Getöse, für das Tsipras die wolkigen Worte von der „geopolitischen Dynamik“ fand.

Wichtig ist jedoch nur das Thema Obst. Die Griechen würden gern wieder ihre Südfrüchte nach Russland exportieren, was wohl 100 Millionen Euro brächte. Dieses lukrative Geschäft ist momentan unterbrochen, weil Russland ein Embargo gegen EU-Produkte verhängt hat, um sich für die europäischen Sanktionen wegen der Ukraine zu rächen.

Wie zu erwarten: Putin wollte sich mit den griechischen Pfirsichen nicht näher abgeben, denn derartiger Kleinkram passt nicht zu seinem Image als Weltenlenker. Aber am heutigen Donnerstag trifft sich Tsipras mit dem russischen Premier Medwedjew, und es ist bereits ausgemacht, dass das Thema Obst erneut auf der Tagesordnung steht. Es ist nicht auszuschließen, dass Russland das Embargo für Griechenland ein wenig lockert, um Zwietracht in der EU zu sähen. So billig sind politische Störmanöver selten zu haben, und außerdem bekäme man einen echten Gegenwert - eben die Pfirsiche.

Außer Südfrüchten hat Griechenland aber nichts zu bieten, wie die Russen glasklar erkannt haben. Also haben sie keinerlei Finanzzusagen gemacht, weil das Geld garantiert verloren wäre, wenn man Kredite an einen Pleitestaat vergibt. Die Sanierung der Griechen dürfen die Europäer gern allein übernehmen.

Tsipras war klug genug, die Russen gar nicht erst zu fragen, ob sie Rettungskredite gewähren würden. Auch er wusste immer, dass es in Moskau letztlich nur um Pfirsiche gehen würde. Aber das konnte ihm egal sein. Es zählte der europaweite Rummel, den seine Reise erzeugt hat und der in jeder griechischen Zeitung breit gewürdigt wurde.

Auch die konservativen Medien transportierten unterschwellig die Botschaft: Tsipras hat gekämpft, wird international wahrgenommen. Dies ist bereits ein Trost für viele Griechen, die sich seit fünf Jahren gedemütigt fühlen. Tsipras hat in Moskau vor allem Symbolpolitik betrieben. Aber auch das ist Politik – und kann sehr schlau sein.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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