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Rückbau von Atomkraftwerken„Der Kaiser ist nackt“

Rücklagen, was für Rücklagen? RWE-Boss Peter Terium räumt ein, dass das Geld für die Atommüllentsorgung zum Teil erst noch verdient werden muss.

Braucht die Kohle aus der Braunkohle: RWE-Chef Peter Terium Bild: dpa

GÖTTINGEN taz | Das Geld für den Rückbau der Atomkraftwerke und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle sei da, haben die vier großen Stromkonzerne immer wieder versichert. Die insgesamt rund 35 Milliarden Euro steuerfreier Rücklagen seien gut angelegt und stünden zur Verfügung, wenn sie gebraucht würden.

Doch das stimmt gar nicht, wie RWE-Chef Peter Terium jetzt in einem Fernseh-Interview einräumt. Eigentlich drehte sich das am Montag ausgestrahlte Interview des Senders n-tv mit dem RWE-Chef um den Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), eine Kohlendioxidabgabe auf ältere Braunkohlekraftwerke zu erheben.

RWE hält von dieser Idee bekanntlich gar nichts, dabei ist der Konzern der größte CO2-Emittent Europas. „Wenn sie so kommt, auch in der Höhe, wie sie ursprünglich vorgesehen war, dann trifft das zu 80, 90 Prozent unsere Braunkohle in einem Ausmaß, wo RWE es nicht mehr stemmen können würde“, sagte Terium in dem Gespräch. RWE sei aber auf das Geld angewiesen, das mit der Braunkohle noch zu verdienen sei, um zukünftig seine sozialen Versprechungen gegenüber den Mitarbeitern erfüllen zu können – wie etwa Altersteilzeit oder einen vorgezogenen Ruhestand.

Und dann kommt der eigentliche Kernsatz: „Wir brauchen das Geld, das wir in der Braunkohle noch verdienen, auch für den Rückbau der Kernkraftwerke und die Endlagerung. Das alles braucht Geld, das muss irgendwo herkommen.“

„Ein Lügengebäude“

Leider hakt der Reporter nicht weiter nach, doch die Aussage ist eindeutig: Entweder hat RWE entgegen allen früheren Behauptungen die für das Unternehmen anteiligen 17 Milliarden Euro nicht komplett sicher angelegt - sondern zumindest teilweise in Braunkohlekraftwerke gesteckt, deren Zukunft unsicher ist. Oder Terium sagt jetzt die Unwahrheit, um so Druck auf die Bundesregierung auszuüben, damit diese ihre Pläne für eine Klimaabgabe zurückzieht.

Aus Sicht von Greenpeace bricht damit „ein Lügengebäude“ der Stromkonzerne in sich zusammen. Die Erklärung von Terium sei eine Bankrotterklärung im Wortsinn, sagte der Atomexperte der Umweltschutzorganisation, Tobias Münchmeyer, dem WDR. „Das bedeutet ja tatsächlich, RWE hat nicht vorgesorgt, hat nicht das getan, was es über Jahre beteuert hat, dass nämlich Rückstellungen gebildet würden, die natürlich sicher seien.“

„Der Kaiser ist nackt: RWE hat kein Geld für die Folgekosten der Atomkraft auf die Seite gelegt, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist, sondern alles verpulvert“, kommentiert Jochen Stay von der Anti-Atom-Organisation „ausgestrahlt" die Äußerungen von Terium. Die Stromkonzerne müssten die Gelder, die in ihren Büchern für AKW-Abriss und Atommüll-Lagerung stünden, endlich in einen öffentlich-rechtlichen Fonds abgeben. Und sogar noch deutlich mehr zahlen. „Die Regierung sollte nachrechnen, wie teuer die Sache wirklich wird. Und wenn RWE nicht zahlen kann, dann müssen eben Unternehmensteile verkauft werden.“

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17 Kommentare

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  • Ich wundere mich jeden Tag aufs Neue, wie den maßgeblichen Personen dieser Regierung von seiten der Wählerschaft immer noch so großes Vertrauen entgegen gebracht werden kann. Liegt es an den fehlenden Alternativen?

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Der einfache Mensch denkt, daß nach so einem Interview die Alarmglocken in der Regierung klingen müssten.

    Aber nein, nicht in der Merkel-Regierung. Da konnte Frau Merkel noch nicht mit Messer und Gabel essen, als sie das Aussitzen schon von ihrem Mentor gelernt hatte. Warscheinlich müssen die Gewinne der RWE-Aktionäre und die 40000 Selektoren von NSA/BND erst in der Zeitung stehen, ehe Frau Merkel sagt: 'Daß sowas in der Zeitung steht, geht gar nicht'.

    In den Geschichtsbüchern wird über die Merkelregierung nur stehen, daß sie den Atomausstieg wieder aufgenommen hat, es aber nicht geschafft hat, ihn zu Ende zu führen. Nichts sonst wird da stehen.

  • Wenn man mal die Zeitschiene in der Entwicklung der Energepolitik sachlich korrekt zurückverfolgt, dann hat Peter Terium schlicht und einfach recht mit seiner Aussage !

    Zu dem Zeitpunkt, als die Atomwirtschaft in Deutschland ins Laufen kam, das waren die 1970er-Jahre, und das Gesetz zur Rücklagenbildung für die Atommüllentsorgung verabschiedet wurde, da galten eben Kohlekraftwerke als sichere Geldanlage, schliesslich war der Klimawandel zu dieser Zeit noch gar kein Thema und das bis weit in die 1990er-Jahre übrigens. Und der Gestzgeber hatte daher offensichtlich damals auch nichts dagegen, Kohlekraftwerke als sichere Geldanlage für die Atomrücklagen zu betrachten, warum sollte es auch anders gewesen sein. Gedanke war, die Atomrücklagen in einer "sicheren Bank" anzulegen und das waren damals eben die Kohlekraftwerke; Braunkohlestrom war damals eine regelrechte "Gelddruckmaschine".

    Also, muss man sich jetzt eben damit auseinandersetzen, dass die Rücklagen für den Atomrückbau in den Braunkohlekraftwerken stecken, die man ja jetzt auch ganz flott zurückbauen will. Damit sind dann aber praktisch besagte Atomrücklagen entwertet !

    Nun, wo man ja unbedingt aus Kohle- und Kernkraft gerne gleichzeitig aussteigen will, da stellt sich eben nun heraus, dass beides gleichzeitig eben aus benannten Konstellationen heraus nicht zu haben ist, es sei denn Staat/Steuerzahler/Stromkunden legen nochmal kräftig einen drauf.

    Wie sich explodierende Strompreise allerdings politisch auswirken, steht dann auf einem anderen Papier.

    Diese Ausführung ist jetzt mal dazu gedacht, die Debatte wieder auf sachlich korrekte Füsse zu stellen.

    • @Ulfi Spassvogel:

      Wo steht denn geschrieben, dass die Rücklagen in Kohlekraftwerke gesteckt werden müssten?

      Spätestens seit dem Kyoto-Zusatzprotokoll 1997 war auch den Energieversorgern der Zusammenhang zwischen Erderwärmung und Treibhausgasen wohl bekannt. Von Kohlekraftwerken als sichere Bank konnte man seither vernünftigerweise gar nicht mehr ausgehen, vielmehr musste man ja mit einschneidenden umwelt- und energiepolitischen Korrekturen rechnen.

      Bereits 1974 war übrigens ein Rahmenprogramm zur Energieforschung aufgelegt worden, das auch die Erforschung Erneuerbarer Energien beinhaltete. In den 70er Jahren wurde jedoch unter Energieforschung maßgeblich die Erforschung der Kernenergie verstanden; noch 1979 flossen in Deutschland rund 65 % der Ausgaben zur Energieforschung in die Kernspaltung bzw. -fusion, während Erneuerbare Energien nur 4,4 % der Forschungsgelder erhielten.

      • @Rainer B.:

        "Wo steht denn geschrieben, dass die Rücklagen in Kohlekraftwerke gesteckt werden müssten?"

        Vor 20-30 Jahren, als die Atomrücklagen gebildet wurden, waren Kohlekraftwerke anerkannt sichere Geldanlagen; schau Dir doch mal die Energiepolitik von damals an, lies die Geschäftsberichte der Energiekonzerne aus dieser Zeit, lies die Prospekte mit Geldanlageempfehlungen der Banken aus dieser Zeit usw.

        Ich denke, dann wirst Du verstehen, warum die Dinge heute so sind, wie sie eben nun mal sind.

        Und ein Kyoto-Zusatzprotokoll von 1997 heisst noch lange nicht, dass die Stromkonzerne dann ab 1998 nichts eiligeres zu tun hätten, als ihre Kohlekraftwerke zu verkaufen oder zu verschrotten.

        Was erwartest Du ? In welcher Welt lebst Du ?

        Schon aus der im Aktiengesetz festgelegten Verpflichtung der Geschäftsführungen gegenüber ihren Aktionären zum Werterhalt ihres Anlagekaptitals verbietet sich eine sofortige "Korrektur" von Anlagevermögen von Zeitwert auf Null (was ja die Stillegung eines Kraftwerks letztendlich bilanztechnisch wäre).

        Übrigens, hätte man damals in den 1980ern den Veba-Konzern, heute bekanntlich E.ON, nicht privatisiert, dann könnte der Bund heute als Mehrheitseigentümer nicht nur von der Gesetzgeberseite, sondern auch von der Eigentümerseite her einiges in Sachen Atomausstieg und Energiewende besser regeln. Warum hört man denn von Seiten der EnBW vergleichsweise wenig Proteste in den Medien ? Weil da das Land Baden Württemberg als politisch aktiver Eigentümer mit einer grün-roten Landesregierung an der Geschäftspolitik mit dem Ziel einer funktionierenden Energiewende aktiv "mitschraubt".

        • @Ulfi Spassvogel:

          In welcher Welt ich lebe? Jedenfalls nicht in der von vor 20-30 Jahren.

          Dass Sie ausgerechnet die Geldanlageempfehlungen der Banken aus dieser Zeit als überzeugendes Argument verwendet wissen wollen, spricht immerhin für einen ausgeprägten Humor.

          Auf einen werterhaltenden Umgang mit dem Anlagekapital lassen die Aussagen des RWE-Chefs Terium doch ganz und gar nicht schließen.

  • wie jetzt, jedem hartz4ler darf der staat in die wohnung marschieren und kontrollieren, ob nicht 3,50 erschlichen worden sind (was er ja auch tatsaechlich macht), aber einem der groessten unternehmen deutschlands wird einfach mal so geglaubt, was seine buchhaltung behauptet, und wenn er gelogen hat, dann eben pech gehabt? dann sind eben gesetzlich festgelegte milliarden futsch, herr terium wie auch herr grossmann fahren genervt in eines ihrer altersresidenzen und lassen es sich dann bis ans ende ihrer tage gut gehen? ist es nicht genau so?

    aber genug aufgeregt, hacken wir einfach mal weiter auf den griechen rum. faule saeue! betrueger! alle wie sie da sind!

  • Ich meine, mich zu erinnern, daß Rückbaurücklagen der Konzerne teilweise begrenzt wurden und auf das so freiwerdende Kapital Steuern erhoben wurden?

    • @Bodo Eggert:

      Möglicherweise meinen Sie die Brennelementesteuer, die 2011 im Zusammenhang mit den Laufzeitverlängerungen und der notwendig gewordenen Sanierung der Schachtanlage Asse eingeführt wurde.

      Gegen diese Steuer klagen die Energieversorger ja bis heute noch. In einigen Monaten ist aller Voraussicht nach mit einem für sie negativen Urteil des EuGH zu rechnen. Die wirtschaftliche Attraktivität längerer Laufzeiten von Atomkraftwerken sinkt durch die Steuer, die Verpflichtung zur Rücklagenbildung meines Wissens nach nicht. Niedrigere Gewinne in einem Geschäftsjahr führen allerdings auch zu niedrigeren Rücklagen in diesem.

  • RWE hat ca. 14 Milliarden € Aktienkapital (Buchwert etwa die Hälfte). Das könnte der Staat ja jetzt mal festsetzen, bis das Geld für den Rückbau und die Kohlestrafgebühr garantiert sind.

  • Hier hat jemand offensichtlich gar nichts verstanden. Glauben Sie denn, dass ein Unternehmen das Geld auf ein Termingeldkonto legt, oder auf ein Sparbuch? Rückstellungen sind nur eine Bilanzposition auf der Passivseite, mit der Gegenposition auf der Aktivseite hat das gar nix zu tun. Und wenn es hart auf hart kommt, dann müssen halt Unternehmensteile verkauft werden, das ist doch ganz normal. Und wenn das auch nicht reicht, dann muss man halt zum Konkursrichter.

    • @Helga Jodel:

      Rücklagen müssen wie auszuschüttende Beträge (Dividenden) aus dem Gewinn gebildet werden. Den Aktionären hat man jedenfalls nicht gesagt, dass ihre Dividende gar nicht da ist und deshalb erst noch mit der Braunkohle verdient werden muss. Nach Angaben der Energieversorgungsunternehmen belief sich die Rücklagenhöhe Ende 2013 auf etwa 32,5 Milliarden Euro.

    • @Helga Jodel:

      Es geht hier ausdrücklich nicht um Rückstellungen, sondern um Rücklagen.

  • Die Bildung dieser Rücklagen liegt nicht im Ermessen und Wohlwollen von RWE. Sie ist gesetzlich vorgeschrieben.

    Gemäß § 21 des deutschen Atomgesetzes wird "der Verursacher von radioaktiven Abfällen verpflichtet, die Kosten für die Erkundung, Errichtung, sowie den Unterhalt von Anlagen zur geordneten Beseitigung des Abfalls zu tragen. Zu diesem Zweck haben die Energieversorgungsunternehmen Rücklagen (nicht zu verwechseln mit steuermindernden Rückstellungen!!) zu bilden." Derartige Rücklagen müssen von Kapitalgesellschaften als Eigenkapital in der Bilanz gesondert ausgewiesen werden und müssen kurzfristig als liquide Mittel realisierbar sein.

    Da braucht die Staatsanwaltschaft doch nur mal einen Blick in die Bilanzen werfen und schon dürften die Handschellen hier wieder klicken - wenn es denn in einem Rechtsstaat auch mal nach Recht und Gesetz gehen würde.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Entmachten, enteignen diese verlogene Bagage.

     

    Energie in Bürgerhand - dorthin gehört sie!

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @571 (Profil gelöscht):

      Zustimmung zur "Bagage", energischen Widerspruch zur "Bürgerhand"!

      In meiner Hand möchte ich in meinem Lebensabend nichts Strahlendes, allenfalls strahlende Kinderaugen oder das strahlende Lächeln einer schönen Frau in meinem Blickfeld.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Jeder Körper strahlt gemäß seiner Temperatur. Sie geben eine Schwarzkörperstrahlung von ca. 310 Kelvin ab - auch ohne Sonnenbräune.

         

        Wir können das aber nicht sehen, denn Augen, die das sehen könnten, würden sich selbst blenden.

         

        Bei zur Energiegewinnung relevanter Strahlung würde ich aber auch nicht meine Hand aufhalten.