„Bei der CDU bewegt sich was“

Christian Posselt von „Mehr Demokratie e. V.“ freut sich über die große Resonanz zum Bürgerentscheid. Mittlerweile habe selbst die CDU ihre Skepsis abgelegt. Keine andere Partei engagiere sich bei Bürgerbegehren mehr als die Union

taz: Herr Posselt, der Bürgerentscheid um die Rudi-Dutschke-Straße war der erste, der in Berlin außerhalb von Bezirks- oder Abgeordnetenhauswahlen stattgefunden hat. Sind Sie mit dem Verlauf zufrieden?

Christian Posselt: Ich bin erleichtert, dass das Quorum, die Mindestbeteiligung von 15 Prozent, geschafft worden ist. Und es freut mich, dass der Bürgerentscheid weit über Berlin hinaus so viel Resonanz in den Medien erfahren hat.

„Mehr Demokratie“ war immer gegen die Einführung eines Quorums.

Das Quorum verhindert demokratische Entscheidungen. Bei einer Bezirksverordnetenwahl ist es doch auch egal, wie viele Menschen an der Abstimmung teilnehmen, obwohl die BVV fünf Jahre lang ihres Amtes waltet. Dass die Abstimmung über Einzelfragen an eine Mindestwahlbeteiligung von 15 Prozent gekoppelt worden ist, ist nicht einzusehen.

Ist das Quorum nicht ein Schutz davor, dass Einzelne ihre verrückten Ideen durchsetzen?

Vor dem Bürgerentscheid findet ein Bürgerbegehren statt. Das heißt, 3 Prozent der Wahlberechtigten müssen unterschreiben, sonst kommt das Thema nicht auf die Agenda. Dieses Verfahren schützt davor, dass Einzelne ihre Partikularinteressen durchsetzen können. Es muss schon eine relevante Minderheit sein.

Die Anwohner der Kochstraße empfinden es als ungerecht, dass sie von Leuten überstimmt worden sind, die von der Umbenennung nicht direkt betroffen sind.

Das ist in gewisser Weise nachvollziehbar. Anwohner von Mitte, die nur wenige Meter entfernt von der Kochstraße wohnen, durften nicht mitstimmen. Dafür aber die Friedrichshainer, die am anderen Ende des Bezirks wohnen. Aber die Bezirke sind in Berlin nun mal die Verwaltungsebene.

Darunter geht’s nicht?

Es wäre auch denkbar, auf Kiezebene zu entscheiden. Dafür müsste man die Kieze aber verwaltungstechnisch abgrenzen. Das war bei dem Gesetzgebungsverfahren auch angedacht, ist dann aber nicht weiter verfolgt worden, weil es zu schwierig war.

Wie viele Bürgerbegehren laufen in Berlin zurzeit?

Seit das Gesetz im Sommer 2005 in Kraft getreten ist, sind 15 Bürgerbegehren gestartet worden. Die Coppi-Schule in Lichtenberg und die Rudi-Dutschke Straße in Friedrichhain-Kreuzberg sind abgeschlossen. Zwei oder drei Anträge sind durch Einigung beigelegt worden, ohne dass es zu einem Bürgerentscheid kam. Die anderen laufen noch. Auf Landesebene gibt es noch einen Antrag auf Offenhaltung des Flughafens Tempelhof. Dieser Antrag wird auch von der CDU unterstützt.

Bisher stand die CDU mit Basisdemokratie doch eher auf Kriegsfuß.

Es sieht ganz so aus, als ob sich bei der CDU etwas bewegt, gerade in Berlin. Bei der Einführung von Bürgerbegehren und -entscheid war die CDU noch dagegen. Inzwischen ist sie an zahlreichen Initiativen beteiligt. Keine andere Partei hat sich bei Bürgerentscheiden bisher so hervorgetan.

Interview: PLUTONIA PLARRE