: Hoffen und bangen um Abu-Jamal
Im Fall eines der prominentesten Verurteilten der USA, des schwarzen Journalisten Mumia Abu-Jamal, wird sich ab morgen entscheiden, ob er wieder wegen Polizistenmordes die Todesstrafe fürchten muss oder sein Verfahren neu aufgerollt wird
AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF
Es war die Nacht zum 9. Dezember 1981, als der schwarze Journalist und Taxifahrer Mumia Abu-Jamal sein Auto in der Innenstadt Philadelphias anhielt und einem Menschen zu Hilfe kam, der, über die Motorhaube eines anderen Wagens gebeugt, geschlagen wurde. Das Opfer war Mumias jüngerer Bruder, Bill Cook. Als Mumia auf ihn zurannte, spürte er plötzlich, dass er selbst von einer Kugel getroffen worden war. Gehört hat er diesen Schuss nie.
Es sind diese Nacht und ihre Ereignisse, um die es immer und immer wieder geht. Mumia Abu-Jamal, dessen selbst gewählter Name nichts anderes bedeutet als „Mumia, der Vater von Jamal“ und kein islamischer Glaubensname ist, wurde kurze Zeit später des Mordes am Polizeibeamten Daniel Faulkner angeklagt und ein Jahr später von einem Jurygericht zum Tode verurteilt.
Jetzt, mehr als 25 Jahre nach einem Mord, den er nicht begangen haben will, soll Mumia Abu-Jamal ein weiteres Mal vor Gericht gehört werden. Für morgen hat das US-Bundesberufungsgericht in Philadelphia eine neuerliche Anhörung einbestellt. Die Verteidigung hatte zuvor alle anderen juristischen Möglichkeiten ausgeschöpft.
Der Fall Mumia ist seit den 80er-Jahren weit über die US-Grenzen hinaus von Rechtsanwälten, Unterstützern und zahlreichen internationalen Menschenrechtsgruppen zum Beispielfall einer unmenschlichen, diskriminierenden US-Justiz erklärt worden. Das Verfahren sowie das Urteil werden selbst von einigen US-Rechtsanwaltsvereinigungen als fehlerhaft kritisiert. Zahlreiche Fragwürdigkeiten wie verschwundene Schusswaffen, ein nicht berücksichtigter Autopsiebericht, widerrufene Zeugenaussagen und offenkundig befangene Richter haben dazu geführt, dass zahlreiche Aktivisten weltweit in Mumia einen „politischen Häftling“ sehen. Mumias früheres Engagement für die Black-Panther-Organisation sowie die radikale Antirassistische MOVE-Bewegung geben diesen Vermutungen weiteren Grund.
Seine Gegner hingegen meinen, Mumia hätte einen fairen Prozess bekommen, und halten das Urteil gegen ihn für rechtens. Bereits im Dezember 2001 hatte ein US-Bundesdistriktgericht Abu Jamals Todesurteil in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt. Allerdings hatte die Gegenseite daraufhin Berufung angekündigt. Im März 2006 reichte der Bundesstaat Pennsylvania seine Berufungsklage mit der Forderung nach der Wiedereinsetzung der Todesstrafe für Abu-Jamal ein.
Scharf kritisiert wurde seit Beginn des Falls Mumia die rassistische Voreingenommenheit der Juryauswahl sowie der weißen Richterschaft insgesamt. Insgesamt wurden fünf Richter zu unterschiedlichen Zeitpunkten trotz berechtigter Bedenken für unabhängig und unvoreingenommen erklärt – obwohl sie die Wahlkämpfe um ihre Kandidaturen mit Spenden jener Polizeigewerkschaft finanzierten, die Mumia Abu-Jamals Tod fordert.
Beobachter der kommenden Anhörung stellen sich insofern vor allem die Frage, wie ernst es das Berufungsgericht diesmal meint mit seiner richterlichen Unabhängigkeit. Der US-Journalist Linn Washington, der über den Fall seit der Mordnacht berichtet, ist der Ansicht, dass „unter allen Gerichten, vor denen der Fall Mumia gehört wurde, dieses Gericht, also das Gericht des Dritten Circuits, das fairste zu sein scheint. Und das am wenigsten von Politik beeinflusste.“ Hoffnung also für den Todeskandidaten?
Noch im April hatte das Gericht in Reaktion auf einen Befangenheitsantrag von Mumias Anwalt Robert R. Bryan selbst den Rücktritt aller drei Richter angeordnet. Hintergrund war, dass eine Richterin, Marjorie Rendell, die Ehefrau des früheren Staatsanwaltes von Pennsylvania und heutigen Gouverneurs Ed Rendell ist. Rendell hatte 2003 angekündigt, das Todesurteil gegen Mumia Abu-Jamal unterzeichnen und in Kraft setzen zu wollen.
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