Die Berliner PDS quält Wahlalternative

Gemeinsame Liste, ja. Aber gute Plätze gibt’s nur für PDSler. Sozialistenchef Liebich bestraft abtrünnige Genossin

BERLIN taz ■ Dass die PDS in die Berliner Landesregierung eintrat, hat Renate Herranen (50) nie verkraftet. Sie beschimpfte ihre Parteichefs, sie verließ die Partei und belegte sie mit dem schlimmsten Vorwurf, den man Sozialisten machen kann: Die PDS beteilige sich aktiv an neoliberaler Politik. „Da, wo die PDS mitregiert“, sagte Herranen, „werden katastrophale Streichungen im Bildungs-Jugend-Präventionsbereich gemacht.“ Allein ihr Mandat im Berlin-Reinickendorfer Bezirksparlament behielt Renate Herranen. Dafür lässt die PDS sie nun büßen.

„Sie dafür auch noch mit einem Spitzenplatz bei der PDS zu belohnen halte ich für schwer vermittelbar“, sagte PDS-Chef Stefan Liebich gestern kühl. Will sagen: Am Samstag stellt die Berliner PDS ihre gemeinsame Landesliste mit der WASG für die Bundestagswahl zusammen – aber Renate Herranen wird den von ihr angestrebten vierten Platz nicht bekommen.

Die PDSler, die allein wahlberechtigt sind, werden der ungeliebten WASG überhaupt keinen Stich lassen. Die PDS-Spitze empfahl ihren Delegierten gestern, dem kleinen Partner aussichtsreiche Plätze zu verweigern und auch dessen Lieblingskandidatin Herranen zu blockieren.

Erst auf dem chancenlosen siebten Platz will die PDS-Führung das WASG-Mitglied Ralf Krämer kandidieren lassen. Die Wahlalternative fordert von der 10.000 Mitglieder starken Berliner PDS hingegen weiterhin Platz 4. Allerdings hat die WASG nur rund 400 Mitglieder – und bei der PDS wenig Freunde.

Zwei Wochen nach dem desaströsen Nominierungsparteitag der bayerischen Linkspartei steht die Wahlalternative damit vor der nächsten Schlappe. „Riesige Differenzen“ sieht PDS-Landeschef Stefan Liebich zwischen den beiden Parteien, die in der Hauptstadt nur widerwillig zusammengehen. „Das ist das Problem der WASG“, so Liebich. Der PDS-Chef begründet die kalte Schulter mit der Abgeordnetenhauswahl im kommenden Jahr, die beide Parteien getrennt bestreiten wollen. 2006 werden beide Seiten wieder zu Rivalen.

Doch der Stachel im Fleisch der Kanzlder Genossen steckt tiefer. Die Berliner WASG zählt viele enttäuschte Ex-PDSler in ihren Reihen. Sie werfen der PDS neoliberale Politik vor – etwa durch Umsetzung der Hartz-IV-Gesetze auf Landesebene. Und viele PDS-Mitglieder haben nicht vergessen, dass die WASG letztes Jahr zu den treibenden Kräften eines Volksbegehrens zum Sturz des Senats gehörte. MATTHIAS LOHRE