: Be like Mia – „Jede kann es versuchen“
Mia Hamm gilt als weltbeste Fußballerin. Aus ihr soll ein Markenartikel werden ■ Von Rainer Hennies
Duisburg (taz) – Eigentlich strahlt sie meistens. Als Mia Hamm und ihre Teamgefährtinnen am Dienstag aus dem Flugzeug stiegen, war das aber nicht so. Was weder mit dem langen Flug zu tun hatte noch mit der Konzentration auf die beiden prestigeträchtigen Länderspiele von Olympiasiegerin USA heute in Duisburg und am Sonntag in Salzgitter gegen die DFB-Auswahl. Hamm stand vielmehr Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, da dem Team vor dem Abflug nach Deutschland mitgeteilt worden war, daß das erwartete grüne Licht zur Einführung der weiblichen Profiliga beim Meeting zwischen Liga-Anbietern und US-Fußballverband noch nicht gegeben wurde.
Mia Hamm (25) ist der neue Star im US-Team, nachdem die altgedienten Michelle Akers und Carin Gabarra langsam von der Spitze weichen, die sie 1991 mit dem Gewinn der ersten WM erklommen hatten. Hamm, die mit 15 Jahren Nationalspielerin wurde, war damals schon dabei. Sie lief so mit. Doch seit Atlanta verkörpert sie die neue Generation der sich entwickelnden Sportart. 130 Länderspiele mit 78 Toren stehen für die junge Frau aus Selma in Alabama zu Buche, die mittlerweile verheiratet in Pensacola, Florida, lebt.
Soll heißen: Hamm wird allein diesbezüglich neue Maßstäbe setzen. Schon jetzt bezeichnet der US-Fußballverband die Mittelfeldspielerin als „weltbeste Allrounderin“. In der Tat kann sie fast alles spielen. Sie ist schnell, torgefährlich, geht lange Wege durch das Mittelfeld und verändert durch ihre Explosivität Situationen.
Hamms Glück ist die enge Verbindung zu Anson Dorrance, dem Cheftrainer an der University of North Carolina. Dort machte sie ihren Abschluß als Politikwissenschaftlerin und wurde viermal US- Fußballmeisterin. Dorrance formte nicht nur in zehn Jahren als Nationaltrainer bis 1994 das US- Team, sondern auch Hamm. Als deren Vater im diplomatischen Dienst nach Rom versetzt wurde, nahm Dorrance, selbst polyglotter Diplomatensohn, das Talent bei sich in Chapel Hill auf.
Mittlerweile öffnet sich für Hamm die Welt. Zwar liegt die Muriel Margaret Hamm nicht gerade zu Füßen, aber „Mia“ ist bei Teenies bereits ein Markenname. Nike-Direktor Phil Knight hat sich nämlich ihrer angenommen. Er spricht von „drei Athleten, die in den letzten Jahren ihren Sport auf eine neue Ebene gehievt haben: Michael Jordan im Basketball, Tiger Woods im Golf und Mia Hamm im Frauenfußball“. Deshalb sei sie unter Vertrag genommen. Ob sie 40 Millionen Dollar bekommt, wie Tiger Woods für fünf Jahre, bleibt unbeantwortet. Fakt ist, daß andere Fußballer wie Alexi Lalas oder Cobi Jonoe im Gegensatz zu Hamm im gigantischen Krieg der Sportartikler um Nike, Reebok und adidas als Auslaufmodelle gehandelt werden.
„Wir suchen uns die TV-Spots mittlerweile aus“, sagt Hamms Manager David Bober, der aus der Sportlerin aber kein Zirkuspferd machen will. Sagt er. „Im Gegensatz zu Gabrielle Reece, die mittlerweile über MTV besser bekannt ist denn als Volleyballerin, oder Lisa Leslie, deren TV- und Modeljobs inzwischen den Basketball überlagern, wird Mia Hamm Fußballspielerin bleiben.“
Hamm ist zwar nicht eben extrovertiert, sondern von angenehmer Zurückhaltung, besitzt aber die US-typische Lockerheit bei öffentlichen Auftritten. Daß sich das Produkt Hamm so gut plazieren läßt? „Oft stellen junge Frauen fest, daß sie keine Chance haben, ihr Idol zu erreichen, genauso zu werden“, sagt Manager Bober. Er vermarktet Hamm als Individuum in einem Mannschaftssport. Hierin liege die Zukunft und der große Vorteil. „Martina Hingis zum Beispiel ist ein absoluter Weltstar. Aber sie ist als Tennisspielerin nicht kopierbar. Du kannst sie nicht erreichen, im Gegensatz zu Mia Hamm. Jedes Mädchen kann in einem Fußballteam spielen und versuchen, wie Mia zu werden.“
Daß Hamm sich seit Jahren fleißig in Wohlfahrtsdingen engagiert, erleichtert den Firmen von Pepsi über Power Bar bis Earthgrains die Zusammenarbeit. Ebenso Listen wie jene des People Magazine, das Mia Hamm unter den fünfzig schönsten Frauen der Welt eingruppiert.
Die vieldiskutierte Profiliga anzuschieben ist für Hamm natürlich Pflicht. Sie gilt als Vorzeigespielerin und Aushängeschild in der Kampagne der National Soccer Alliance (NSA) um Berater Anson Dorrance und Comissioner Booth Gardner, einen Ex-Gouverneur und Wirtschafts- und Marketingfachmann aus dem Umfeld von Bill Clinton.
Dennoch konnten die NSA-Experten ihr Ligamodell am vergangenen Wochenende in einem Treffen mit der Führung des US-Fußballverbandes noch nicht durchsetzen. Ressourcen sollen vorhanden sein; man spricht von zwölf Millionen Dollar für die acht Teams. Es geht wohl um organisatorische Dinge, die mit dem Aufbau innerhalb von nur sechs Monaten zusammenhingen, mutmaßt Aaron Heifetz, Pressesprecher des Frauen-Nationalteams. „Wir haben für die Frauenliga kein Muster“, sagt er. „Aber allmählich entsteht Zeitdruck.“ Soll nämlich tatsächlich am 17. April die zehnwöchige Saison starten, in der es pro Frau bis zu 30.000 Dollar zu verdienen gibt, müssen im Dezember die Trainer benannt sein und im Februar die Drafts beginnen.
Damit es vorwärts gehen kann, muß die Liga her. Dringend. Das sagt nicht nur Nationalcoach Tony DiCicco immer wieder. Spätestens jetzt wird erklärlich, warum Mia Hamm derzeit nicht ganz glücklich dreinschauen kann.
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