: Demütigender Humor
■ AltenpflegerInnen, die Senioren quälten, müssen doch nicht ins Gefängnis
Schwarzer Humor kann makabre Blüten treiben. Für die „Scherze“von vier ehemaligen AltenpflegerInnen brachte das Hamburger Landgericht gestern Verständnis auf. „Sie waren in ihrem harten Beruf total überfordert“, begründete die Vorsitzende Richterin, wieso sie die in der ersten Instanz verhängten Gefängnisstrafen in Bewährungen umwandelte.
Die AltenpflegerInnen hatten zwischen 1994 und 1996 wehrlose HeimbewohnerInnen gequält. Das Amtsgericht hatte sie im Dezember 1996 wegen Mißhandlung von Schutzbefohlenen, sexueller Nötigung, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung zu Haftstrafen bis zu dreieinhalb Jahren verurteilt.
Die Hauptangeklagte, eine Auszubildende, hatte die Schamhaare eines geistig verwirrten Mannes im Staatlichen Pflege- und Altenwohnheim Groß Borstel mit dem Feuerzeug in Brand gesteckt. Zwei alten PatientInnen hatte sie zusammen mit ihrer Anleiterin Kot ins Gesicht geschmiert. Eine Patientin wurde nackt in das Zimmer eines alten Heimbewohners gesperrt. Mehrfach wählten die PflegerInnen Telefonsexnummern, um den Hörer anschließend verwirrten PatientInnen ans Ohr zu halten.
Diese Demütigungen der alten und behinderten Menschen seien „unvorstellbar“, hatte der Richter der ersten Instanz seiner Erschütterung Luft gemacht und die Gefängnisstrafen mit der Hoffnung auf eine Signalwirkung begründet. Gestern bestätigte zwar die Vorsitzende Richterin am Landgericht, die Angeklagten hätten eine „rohe Gesinnung“gezeigt.
Objektiv seien die Mißhandlungen jedoch für die Opfer ungefährlich gewesen. Wegen ihrer Überforderung hätten die Taten für die AltenpflegerInnen eine „Ventilfunktion“gehabt. Ein Sachverständiger hatte im Prozeß auf die Abstumpfung und Verrohung der AltenpflegerInnen durch den ständigen Umgang mit Exkrementen hingewiesen.
Hatten die vier vor dem Amtsgericht ihre Taten nur verhalten eingeräumt, gestanden sie diesmal unumwunden. „Bei so einem Job entwickelt man eben einen makabren Humor“, erklärte eine Angeklagte. Den müssen die AltenpflegerInnen künftig zwangsläufig im Zaume halten: Sie erhielten ein mehrjähriges Berufsverbot. Elke Spanner
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