: Schweinswale wanderten bis Magdeburg
■ Schon seit Hunderten von Jahren verirren sich Wale in die Elbe und stranden
Als im vergangenen Winter 18 Pottwale an der Nordseeküste strandeten, war die Aufregung groß. Klaus Barthelmeß vom Kölnischen Stadtmuseum kann jedoch keinen Grund zur Beunruhigung erkennen: „Alles schon mal dagewesen“, lautet sein Kommentar. Denn Wale sind auch schon in früheren Jahrhunderten im Nordseeraum gestrandet. Daß auch die Elbe traditionell eine „Walfalle“ ist, beweist eine Ausstellung, die zur Zeit im Natureum in Balje (Kreis Stade) gezeigt wird.
Schon 1659 sichteten danach Fischer zwei Entenwale vor Blankenese. 1723 kam es zur Massenstrandung von Pottwalen bei Neuwerk. Und 100 Jahre später wurde ein 14 Meter langer Buckelwal auf dem Vogelsand angeschwemmt. 3000 Kilo schwer war der Schwertwal, der 1921 bis nach Fliegenberg im Kreis Harburg kam. Er starb nach fünftägiger Jagd im Kugelhagel. Seine Reste landeten im Hamburger Zoologischen Museum.
1983 schwamm ein weißer Wal sogar bis in den Hamburger Hafen, verschwand aber wieder in Richtung See. Und zehn Jahre später trieb ein Belugawal tot in der Elbe bei Wischhafen. Er war verhungert, weil sich eine verschluckte Plastiktüte um seinen Kehlkopf gelegt hatte. Walstrandungen beeindruckten die Menschen schon immer. Die vom Meer ausgespuckten Riesen, so weiß Barthelmeß, wurden bereits in der Steinzeit wegen ihrer enormen Fleischmengen als „Göttergeschenk“ verehrt.
Sogar in den Rhein verirren sich gelegentlich Wale, wie das Beispiel des „Weißen Riesen“ aus dem Jahre 1966 zeigte. Häufiger als die Rheinländer machen jedoch die Elbanlieger ihre Walbekanntschaften. Sie waren nicht nur „Quelle lokalen Reichtums“, sondern führten auch zu Querelen. Um den Schnabelwal, der 1913 bei Freiburg am Elbufer strandete, stritten sich die Anwohner des Elbufers sogar vor Gericht.
„Den Streckenrekord in der Elbe haben Schweinswale und Große Tümmler aufgestellt, die in der Nordsee heimisch sind“, berichtet Natureums-Leiter Reinhard Kölmel, der die Nachrichten von Walstrandungen und -fängen aus 340 Jahren unter dem Titel „Wale aus der Elbe“ zusammengestellt hat. Die etwa zwei Meter langen Kleinwale zogen Anfang des Jahrhunderts sogar noch bis nach Magdeburg.
Insgesamt informiert die Schau mit Präparaten, Fotos und Infotafeln über 48 Wal-Ereignisse aus der Unter- und Außenelbe. Zu sehen ist die Ausstellung „Wale aus der Elbe“ noch bis zum 17. Januar 1999 jeweils dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr. Unter der Erde vor dem Natureum „schmoren“ derweil noch die Knochen des Ende 1997 vor Cuxhaven gestrandeten Pottwals. Bodenbakterien reinigen das Skelett, bevor es 1999 als Glanzstück ins Museum kommt.
Jörn Freyenhagen
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