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Frauen, die weite Wege gehen

■ Nurcan Ay und Elif Korkmaz sind zwei türkische Hamburgerinnen, die Fußball spielen

Am kommenden Sonntag spielt die deutsche Nationalfrauschaft zum Abschluß ihres Wintertrainingslagers in der Türkei gegen das türkische Frauennationalteam. Daß Frauenfußball und islamisch geprägte Kulturen keine unüberbrückbaren Gegensätze sein müssen, läßt sich am großen Medieninteresse in der Türkei ablesen. Aber auch in Hamburg spielen mittlerweile viele türkischstämmige Frauen Fußball.

Nurcan Ay ist eine davon. Sie hat einen weiten Weg vor sich, wenn sie ihren Sport ausüben will. Von ihrem Wohnort Seevetal zum Trainingsgelände des Hamburger SV nach Norderstedt. Zwei Stunden und drei Bundesländer: Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein. Dort trainiert sie mindestens zweimal wöchentlich für die in der Verbandsliga, Hamburgs höchster Klasse, spielende zweite Frauschaft des HSV. „Manchmal frage ich mich schon, warum machst du das eigentlich mit der stundenlangen Fahrerei, aber ich kann auch nicht aufhören mit dem Fußball“, sagt sie und schüttelt ein wenig den Kopf über sich selbst. Dabei hätte Ay, wenn es nach ihren Eltern gegangen wäre, gar nicht erst anfangen dürfen.

„Fußball ist bei uns schon immer ein Riesenthema gewesen. Meine Familie ist heute noch dagegen, aber ich habe mich durchgesetzt, und bis jetzt lassen sie mich in Ruhe.“ Ihre Familie kommt aus Midyat, im Dreiländereck Türkei, Iran und Irak gelegen, ist aramäischen Glaubens und 1987 wegen politischer Verfolgung in die Bundesrepublik gekommen.

Daß die Ablehnung ihrer Familie etwas mit ihrer christlich-orthodoxen Religion zu tun hat, glaubt Ay nicht. „Meine Familie ist da ganz locker, unser Tagesablauf besteht nicht aus Zuhause, Schule und wieder Zuhause.“ Aber seitdem sie ihren Tagesablauf mehr an Trainings- und Spielplänen orientiert, bekommt sie vorgehalten, Fußball sei kein Sport für Frauen, weil er ein hohes Verletzungsrisiko habe. Zwei ihrer Brüder haben ihre Fußball-Leidenschaft schon mit Knochenbrüchen abgekühlt. Insofern eine nachvollziehbare Argumentation.

Ähnlich hat auch die Mutter von Elif Korkmaz anfangs reagiert, als der Sportlehrer ihrer heute dreizehnjährigen Tochter ihr dringend geraten hatte, Elif doch „in irgendeinem Sportverein“ anzumelden. „Unsere Tochter hat sehr viel Kraft und Energie“, schmunzelt sie heute. Dabei war ihr damals nicht unbedingt zum Lachen zumute. Die in Hamburg geborene Elif entschied sich nicht wie ihre ältere Schwester für die in den Augen ihrer Mutter typischen Mädchensportarten Basketball oder Tennis, sondern es mußte Fußball sein. Als sie vor zwei Jahren erstmals zum Training der Hamburger Auswahl berufen wurde, „haben meine Eltern mir das auch noch nicht erlaubt, weil ich zu jung war und Fußball viel zu gefährlich“, erinnert sich Elif. Mittlerweile verbringt die Mutter auch schon mal einen Sonntagvormittag an der Seitenlinie, wenn ihre Tochter bei den C-Jugend-Mädchen des SC Eilbek „im Strafraum fummelt, bis der Trainer schreit“, so die spielfreudige Stürmerin über sich selbst.

Viele türkische Mädchen hören mit dem Fußball auf, bevor sie in den Frauenbereich wechseln. Das will Nurcan Ay nicht. Sie träumt davon, den Weg weiterzugehen. „Bundesliga und Nationalteam“, sagt sie und wiegt den Kopf. Mit der Hamburger U-20-Auswahl war sie im letzten Jahr bereits bei einem DFB-Turnier. Immerhin. Doch das bedeutet: weiterhin zwei Stunden, drei Länder, fünfmal die Woche. Uwe Wetzner

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