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„Ja, gut, o.k. Wir schützen die ganze Welt“

■  Der Polizeipräsident war früher von der Gefahr für das israelische Generalkonsulat vor drei Monaten gewarnt als bisher angenommen. Werthebach stellt sich als erster Zeuge im Untersuchungsausschuß nur zaghaft vor ihn

Der Stuhl des Polizeipräsidenten Hagen Saberschinsky wackelt. Drei Monate nach den Protesten am israelischen Generalkonsulat, bei dem israelische Sicherheitsmänner vier Kurden erschossen, wurde gestern bekannt, daß Saberschinsky die Gefahr für das Konsulat offensichtlich unterschätzt hat. Selbst sein Chef, Innensenator Eckart Werthebach (CDU), der gestern als erster Zeuge im Untersuchungsausschuß zu den Ereignissen gehört wurde, sagte auf die Frage, ob Saberschinsky bleiben könne, bloß: „Er ist tragbar.“

Nach dem Wortprotokoll eines Telefongesprächs, das dem SFB vorliegt, hatte Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU) Saberschinsky am Vortag des Blutbads „noch mal Sensibilisierung“ für israelische Einrichtungen angemahnt. Saberschinsky antwortete: „Ja, ja, ja, ist gut, o.k. Wir schützen die ganze Welt.“ Auf die Frage, ob das Angebot einer Verstärkung des Bundesgrenzschutzes (BGS) wahrgenommen werde sollte, sagte Saberschinsky: „Im Moment mal nicht.“ Im Polizeilagezentrum, von wo Böse anrief, werden alle Telefonate aufgezeichnet.

Der Ausschußvorsitzende Wolfgang Wieland (Bündnisgrüne) bezeichnete Saberschinskys Worte als „erklärungsbedürftig“. Unklar sei, ob sie lediglich „flapsig“ waren oder zeigten, daß er die Gefahr unterschätzt habe. Man müsse die Aussagen Saberschinskys abwarten, der in einer Woche gehört werden soll. Eine Woche später soll Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) aussagen.

Das Ausschußmitglied Marion Seelig (PDS) wollte ebenfalls erst den nächsten Freitag abwarten. Andreas Gram hingegen, für die CDU im Ausschuß, vermochte nicht zu erkennen, was an den Aussagen Saberschinskys „falsch“ gewesen sei.

Werthebach bekräftigte im Untersuchungsausschuß im wesentlichen die Positionen, die er schon vor Wochen geäußert hatte: Alle Hinweise auf die Gefährdung israelischer Einrichtungen in der Stadt seien „abstrakt“ gewesen. Er habe sich nicht um den konkreten Schutz aller möglichen gefährdeten Objekte gekümmert, sondern dies seinen Fachleuten überlassen, da er als Senator lediglich die „große Linie“ vorgeben müsse.

Saberschinsky betonte, daß lange vor dem Telefonat in einer Prioritätenliste der Bundesbehörden fünf abstrakt gefährdete Staaten genannt wurden, wobei Israel an letzter Stelle stand: „Der Sturm auf das Konsulat hätte nicht vermieden werden können.“ Das Konsulat wurde – im Gegensatz zu anderen Objekten – bis kurz vor dem Ansturm der Kurden nur von drei Polizisten bewacht. Erst während der Besetzung waren 180 Beamte am Tatort. Philipp Gessler

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