: Kommissar Zufall löste Kiepert-Überfall
■ Gestern begann der Prozess gegen einen Dreher, der direkt nach dem Überfall auf den Buchhändler Kiepert gestellt wurde. Außerdem soll er drei Monate zuvor bei dem Mord an einem Drogendealer Schmiere gestanden haben, bei dem die gleiche Waffe benutzt wurde
Es war der berühmte Kommissar Zufall, der das Verbrechen aufklärte. Als Anfang November vergangenen Jahres ein Drogendealer in der Lietzenburger Straße mit zwei Kopfschüssen getötet wurde, tappte die Polizei wochenlang im Dunkeln.
Als drei Monate später, Anfang Februar dieses Jahres, der Buchhändler Robert Kiepert bei einem brutalen Raubüberfall mit der gleichen Waffe bedroht wurde, mit der der Dealer erschossen wurde – einer Ceska Modell 83, Kaliber 7,65 Millimeter Browning –, kam Licht ins Dunkel der Ermittlungen. Im Mai erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den 42-jährigen Dreher Jürgen N. und gegen den ebenfalls 42-jährigen Maler Andreas K., der den Drogendealer erschossen haben soll, während Jürgen N. Schmiere gestanden haben soll. Beim gestrigen Prozessauftakt schwiegen die Angeklagten. Das ist zumindest im Fall des Drehers verwunderlich. Denn er wurde direkt am Tatort von einem Wachschutzmann gestellt. Während der oder die bisher unbekannten Mittäter, die sich gegen 22 Uhr durch eine Hintertür Zutritt verschafft hatten, mit der Beute von über 25.000 Mark flüchteten, hatte er sich im Keller versteckt und wollte sich erschießen. Offensichtlich war er so nervös, dass er trotz dreier Fluchtwege nicht aus dem Keller herausfand. Mit der Browning mit Schalldämpfer im Rücken hatten die Täter Kiepert gezwungen, sie zu dem Geld im Keller zu führen.
Kiepert hatte nicht das Gefühl, es mit Profis zu tun gehabt zu haben. Als er in die Toilette gebracht und dort mit Klebeband gefesselt wurde, hatte sich einer von ihnen „vor lauter Aufregung selbst mit dem Zeug ganz verheddert“, hatte er am nächsten Tag gesagt. Als ihm einer der Täter zur Einschüchterung das Magazin der Waffe zeigte, rollte die Munition hinter die Klobürste, von wo er sie nur mühselig wieder hervorholte. Auch das herbeigerufene Sondereinsatzkommando war nervös bei dem Einsatz. Ein Beamter schoss sich mit seiner eigenen Maschinenpistole in den Fuß.
Am 23. August, wenn der Prozess fortgesetzt wird, werden sich die Angeklagten, die beide vorbestraft sind, vielleicht zu den Vorwürfen äußern. Während dem Dreher Jürgen N. neben schwerer räuberischer Erpressung Raub mit Todesfolge vorgeworfen wird, muss sich der Maler Andreas K. wegen Mord aus Habgier und zur Verdeckung einer Straftat verantworten. Beiden wirft die Staatsanwaltschaft vor, im Falle des Drogendealers nach einem zuvor gefassten Plan gehandelt zu haben. Sie sollen ihm vor seinem Wohnhaus aufgelauert haben, um ihm eine Summe zwischen 50.000 bis 60.000 Mark abzunehmen. Andreas K. soll die Waffe, für die er keine Erlaubnis hatte, mit sich geführt haben, um das Opfer einzuschüchtern. Jürgen N. soll die Wohnung des Opfers beobachtet haben, um seinem Kumpel Zeichen zu geben, wann er rauskomt. Als der Mann in seinen Wagen gestiegen war, so die Anklage weiter, soll ihm Andreas K. entgegen dem Plan zweimal in den Kopf geschossen haben. Er starb an Ort und Stelle. Die Beute betrug nur ein Zehntel des erwarteten Betrages. B. Bollwahn de Paez Casanova
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