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Der Verzicht auf Großspenden könnte dazu beitragen, die Parteien aus Abhängigkeiten zu befreien und den Bürgern näher zu bringenAnreiz zum Sparen

Wer hohe Beträge an Parteien spendet, möchte damit einen Nutzen realisieren

Was wir seit Wochen in der Parteispendenaffäre der CDU beobachten, ist mehr als eine Affäre oder ein Skandal. Was hier aufgedeckt wird, ist Korruption im Sinne des Missbrauchs eines öffentlichen Amtes oder Mandates zu privaten oder parteipolitischen Zwecken durch die Verletzung von Rechtsnormen. Völlig zu Recht stellt Ivan Krastev im Feuilleton der FAZ die Frage, weshalb niemand von Korruption spricht (18. 1.). Im Prozess der Aufklärung der korrupten Handlungen von Helmut Kohl, Walther Leisler Kiep und Manfred Kanther zeigt sich deutlich die Verselbständigung eines Teiles der Mitglieder der politischen Klasse.

Einige Spitzenpolitiker meinen Sonderrechte zu besitzen und sich weder um die Verfassung noch um die Gesetze kümmern zu müssen. Das durchschnittliche Einkommen der Bürger oder die Höhe der Renten ist offensichtlich kein Bezugspunkt für den Umgang mit Geld in der Politik. Ich vertrete die These, dass die Strukturen unserer Parteienfinanzierung zur Verselbständigung der politischen Klasse beitragen. Wir müssen diese Strukturen ändern, wenn wir erreichen wollen, dass die Parteienfinanzierung demokratischen Prinzipien entspricht.

Worin bestehen die Merkmale des Systems der Parteienfinanzierung in Deutschland? Erstens lässt sich eine zunehmende Finanzierung mit öffentlichen Geldern, ein Prozess der Etatisierung der Parteifinanzen, beobachten. Waren in den 70er-Jahren 36 Prozent der Gesamteinnahmen der Parteien staatliche Gelder, so stieg der Anteil in den 80ern auf 40 und erreichte in den 90ern 43 Prozent. Zur öffentlichen Finanzierung zähle ich dabei die Wahlkampfkostenerstattung (seit 1994 die staatlichen Mittel), die bis 1993 erfolgten Zahlungen aus dem Chancenausgleich und die Beiträge der Fraktionsmitglieder.

Die Parteien sind insgesamt also noch nicht überwiegend staatlich finanziert. Das Bild ändert sich jedoch, wenn man die Einnahmenstruktur der Parteizentralen untersucht. Bei den Parteizentralen stieg der Anteil der öffentlichen Gelder seit Mitte der 70er-Jahre kontinuierlich an und betrug in den 90ern bei allen Parteien mehr als 60 Prozent. Die Parteizentralen sind damit überwiegend öffentlich finanziert.

Zweitens ist im Bereich der privaten Parteienfinanzierung der Einfluss von Großspendern mit Gefahren für die demokratische Willensbildung verbunden. Ich spreche hier von einer Kapitalisierung der Einnahmenstruktur von Parteien. Wer hohe Geldbeträge an Parteien spendet, möchte mit dem Einsatz seines Geldes einen Nutzen realisieren, der eine höhere Rendite abwirft als die Anlage der gleichen Geldsumme zum gängigen Marktzins. Der Anteil der Großspenden über 20.000 Mark an den gesamten Einnahmen der Parteien aus Spenden ist nach den Daten der Rechenschaftsberichte nicht sehr hoch und machte zu Beginn der 90er-Jahre bei der CDU 9, bei der SPD 4 Prozent aus. Auch wenn die Kapitalisierung der Einnahmen noch kein hohes Maß erreicht hat, so ist gerade dieses Merkmal der Parteienfinanzierung eine Ursache für die Verselbständigung der Politik.

Insbesondere hohe Direktspenden an Politiker tragen zu einer Abkoppelung dieser von Parteimitgliedern und Bürgern bei und begründen Abhängigkeiten von den Geldgebern. Und natürlich kann man den Einfluss von Großspenden, wie wir jetzt wieder sehen, nicht allein an den Rechenschaftsberichten ablesen. Die Untersuchungen des Landgerichts Bonn im Flick-Prozess ergaben, dass im Zeitraum von 1969 bis 1980 der Anteil der Großspenden am gesamten Spendenaufkommen von CDU, CSU und FDP bei fast 60 Prozent lag, wenn man zu den veröffentlichten auch die rechtswidrig nicht veröffentlichten Spenden hinzuzählt.

Drittens ist die Kommerzialisierung ein Merkmal der Ausgabenpolitik der Parteien. Immer häufiger beruht Parteiarbeit auf dem Prinzip „Leistung gegen Geld“ (Renate Mayntz). Ehrenamtliche Mitarbeit wird durch käufliche Werbung ersetzt. Die Kommerzialisierung bewirkt eine wachsende Abhängigkeit der Parteien von finanziellen Ressourcen – an deren Gewinnung sich dann wiederum das Handeln der Politiker orientieren muss.

Wenn die skizzierten Merkmale der Parteienfinanzierung neben anderen Faktoren zu einer Verselbständigung der Politik führen, dann muss es auch Regelungen geben, die dieser Verselbständigung entgegen wirken. Natürlich können gesetzliche Regelungen immer verletzt werden. Doch dies trifft auf alle Gesetze zu und ist kein Argument gegen Reformen der Parteienfinanzierung.

Die Art der Parteienfinanzierung führt zur Verselbständigung der politischen Klasse

Diese Reformen müssen sich an vier Kriterien orientieren: der Unabhängigkeit der Parteien vom Staat und von Großspendern, der gleichen Teilhabe der Bürger an der politischen Willensbildung, der Öffentlichkeit der Entscheidungsprozesse zu Finanzfragen und der Transparenz von Einnahmen und Ausgaben. Betrachtet man das Gesamtsystem der Parteienfinanzierung, dann kann als Devise für Reformen gelten: Die öffentliche Finanzierung ist immer noch besser als der Einfluss von Großspendern. Die öffentliche Finanzierung darf jedoch nicht mehr als 50 Prozent erreichen, damit die Unabhängigkeit vom Staat gewährleistet bleibt. Die überwiegende Finanzierung der Parteizentralen aus öffentlichen Geldern müsste daher geändert werden.

Bei den Spenden sind vor allem die Großspenden eine Gefahr für die Teilhabe der Bürger an der politischen Willensbildung. Da die Großspenden häufig von Unternehmen und Banken stammen, sollten Spenden von solchen juristischen Personen verboten werden. Zugleich sollte man eine Höchstgrenze von 40.000 Mark für Spenden einführen. Möchte man der Verselbständigung der politischen Klasse entgegen wirken, dann muss man bei dem Einfluss des großen Geldes ansetzen. Eine Höchstgrenze für Spenden würde eine begrenzte finanzielle Einbuße für die Parteien bedeuten.

Wäre dies wirklich so schlimm? Da die Parteien nicht unterfinanziert sind, wäre ein maßvoller Anreiz zum Sparen keine Katastrophe. Der Verzicht auf Großspenden könnte dazu beitragen, die politische Klasse aus Abhängigkeiten zu befreien und den Mitgliedern und Bürgern wieder näher zu bringen. In der Folge einer solchen Gesetzesänderung bestünde die Chance, dass in den Parteien darüber nachgedacht wird, ob das Geld wirklich so ausschlaggebend für die politische Arbeit ist. Wer wie Helmut Kohl politische Auseinandersetzungen als Krieg versteht, kann gar nicht genug Geld in der „Kriegskasse“ haben. Wer die Ausgaben der Parteien als „Kosten der Demokratie“ begreift, kann durchaus mit dem Gedanken leben, dass auch dem Wachstum der Parteifinanzen Grenzen gesetzt sind. Christine Landfried

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