: Volksmudschaheddin als Wahlkampfthema in Köln
Kurz vor der OB-Wahl streiten SPD und Grüne über „Iranische Flüchtlingskinderhilfe“. Grüne Müller und Lütkes ziehen sich aus Vereinsvorstand zurück
KÖLN taz ■ Der Streit um die „Iranische Flüchtlingskinderhilfe Köln e.V.“, deren Vorstand die Grünen-Politikerinnen Kerstin Müller und Anne Lütkes angehören, geht weiter. In einer nicht öffentlichen Sitzung des Kölner Rechnungsprüfungsausschusses warf der Ausschussvorsitzende Axel Kaske (SPD) der Stadtverwaltung am Donnerstag vor, die Heime des Vereins nie besucht zu haben. Zudem habe sich das Jugendamt nicht um die Betreuungspraxis des Vereins gekümmert. Kaske kritisierte, dass einige der betreuten Jugendlichen aus Köln „verschwunden“ und in die Camps der islamistischen Volksmudschaheddin im Irak zurückgekehrt seien, um sich dort dem bewaffneten Kampf gegen das Mullah-Regime im Iran anzuschließen. Selbst wenn die Flüchtlinge zu diesem Zeitpunkt volljährig gewesen seien, sei das nicht in Ordnung: „Da kann das pädagogische Konzept doch überhaupt nicht aufgegangen sein, wenn die Kinder mit schweren Traumata aus ihrer Heimat geflüchtet sind und dann freiwillig zurückkehren.“
Grünen-Ratsherr Harald Junge bezeichnete Kaskes Vorwürfe wörtlich als „Lüge“. Die Grünen vermuten hinter den aus ihrer Sicht unhaltbaren öffentlichen Anschuldigungen ein Wahlkampfmanöver vor der Kölner OB-Wahl am 3. September. Selbstverständlich habe die Stadt Heime und dort betreute Kinder überprüft, so Junge. Im Übrigen sei zweifelsfrei festgestellt worden, dass bei dem Verein keine finanziellen Unregelmäßigkeiten aufgetreten sind.
Auch Margret Dresler-Graf (CDU) konstatierte: „Aus den Berichten des Rechnungsprüfungsamts lassen sich keinerlei Versäumnisse des Vereins ableiten.“ Das bestätigt auch ein interner Bericht des Landesjugendamts, den der Landschaftsverband Rheinland an die Stadt Köln übersandt hat. Darin sieht das Landesjugendamt keinen Anlass, die Arbeit der „Flüchtlingskinderhilfe“ in Zweifel zu ziehen.
Ausgangspunkt der Auseinandersetzung um die „Iranische Flüchtlingskinderhilfe“ ist ein interner Bericht des Bundeskriminalamts (BKA). Das BKA hatte dem Verein unterstellt, eine Tarnorganisation der Volksmudschaheddin zu sein. Pflegegelder sollen an militante iranische Oppositionelle weitergeleitet und die vom Verein betreuten Kinder indoktriniert worden sein. Der Verein wies alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe als absurd zurück. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen wegen Betrugsverdachts gegen unbekannt.
Nach der schleswig-holsteinischen Justizministerin Anne Lütkes hat inzwischen auch die Fraktionssprecherin der Grünen im Bundestag, Kerstin Müller, angekündigt, sich aus dem Vorstand der „Iranischen Flüchtlingskinderhilfe“ zurückzuziehen. Ebenso wie Lütkes begründete Müller dies mit ihrem Wegzug aus Köln. Ihr Rückzug habe nichts mit den BKA-Vorwürfen zu tun. Gegen die setzen sich die beiden Grünen-Politikerinnen mittlerweile juristisch zur Wehr.
PASCAL BEUCKER/FRANK ÜBERALL
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