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Wahrzeichen mit Fußballfeld

Der ambitionierte Neubau des legendären Tempodroms wirkt wie eine Kathedrale. Der Sportplatz vor der Tür kratzt allerdings am Flair

von LARS KLAASSEN

Weithin sichtbar ragt die zwölfzackige Dachkrone des Tempodrom-Neubaus am Anhalter Bahnhof in den Himmel über Berlin. Ein Wahrzeichen am historischen Ort zu schaffen, signifikant für die „filigrane Kultur des neuen Jahrtausends“, das war die Vision des Architektenbüros Gerkan, Marg und Partner, als es das Projekt unter Regie des Architekten Stefan Schütz in Angriff nahm.

Keine leichte Aufgabe. In zweierlei Hinsicht muss sich das Haus messen lassen: Einerseits soll es dem legendären Tempodrom, das sich bislang in seinen Zirkuszelten einen provisorisch-flüchtigen Charakter bewahrt hatte, neue – und nun auch endgültige – Heimat werden. Darüber hinaus verpflichtet auch der Ort. Die Ruine des Portikus, hinter dem sich die gefaltete Dachkonstruktion erhebt, erinnert an den ehemals größten und bis heute auch klangvollsten Bahnhof der Vorkriegszeit.

Beiden Herausforderungen begegnet das neue Gebäude souverän. Die vertikal aufstrebende Dachkrone hat dem Bau bereits die Bezeichnung „Kühlturm“ eingebracht, erinnert aber mit ihrer filigranen Wirkung viel mehr an Oscar Niemeyers Kathedrale von Brasilia. Mit der Höhenausdehnung von insgesamt 37,50 Metern greift nach über 50 Jahren am ehemaligen Standort des Anhalter Bahnhofs wieder ein Bauwerk den Maßstab des Bahnhofes in der Höhenentwicklung auf. Mit dieser vertikalen Akzentuierung behauptet sich das Tempodrom auch im stadträumlichen Umfeld, das durch Nachkriegsbauten wie die Hochhausscheibe an der Stresemannstraße, Europahaus und Postgiroamt am Landwehrkanal geprägt ist.

Doch die Wirkung des ehrgeizigen Entwurfs von Stefan Schütz kann sich nur bedingt entfalten: Der genau vor dem Haupteingang an der Nordseite errichtete Sportplatz verstellt mit seiner Umzäunung den Blick vom Askanischen Platz auf das Gebäude. Ziel der Planungen war es ursprünglich, die zum Askanischen Platz gelegene Fläche als Aktionsfläche für unterschiedlichste Nutzungen zu erhalten und sie gleichermaßen als städtischen Vorplatz des Neuen Tempodroms zu begreifen.

Diese Chance wurde vertan. Wer von der holzbeplankten, öffentlich zugänglichen Terrasse die gebäudebreite Freitreppe herabkommt, steht nun vor dem Zaun eines Fußballstadions, statt auf einer Freifläche. Anders verhält es sich mit dem Stadtwäldchen auf den ehemaligen Gleisanlagen hinter dem Neubau. Hier wird eine bestehende Konzeption, nämlich das Gelände als eine Art archäologische bzw. ökologische Stätte zu erschließen, aufgegriffen.

Als Erweiterung der Außenflächen in den Innenraum entwickelt sich das großzügig verglaste Foyer des Neuen Tempodroms als vielfältig nutzbarer Großraum. Über eine frei in den Raum gestellte, halbkreisförmige Treppe erreichen die Besucher den mittleren Erschließungsring der Großen Arena. Halbgeschossig, ins Untergeschoss versetzt, werden die WCs und Garderobenbereiche sowie die Manege der Großen Arena erschlossen. Vom Foyer aus sind alle öffentlichen Einrichtungen des Neuen Tempodroms erreichbar. Die kleine Arena mit einer Kapazität von maximal 400 Plätzen kann je nach Bedarf entweder zum Eingangsbereich hin großzügig geöffnet oder komplett abgetrennt und durch einen separaten Eingang betreten werden.

Der bauliche Mittelpunkt des Neuen Tempodroms ist die Große Arena mit einer Kapazität von bis zu 3.800 Besuchern. Sie wird sowohl vom Erdgeschoss als auch vom Untergeschoss aus erschlossen und erhält gleichzeitig über die Dachterrasse eine Verbindung ins Freie.

Durch verschiebbare Tribünenanlagen lässt sich die Manege im Durchmesser um rund neun Meter erweitern. Das hoch aufragende zeltähnliche Dach über der Großen Arena, durch dessen Öffnungen im Zenit Tageslicht in die Spielstätte fällt, schafft eine Kathedralen-Atmosphäre mit einer ausgeklügelten Schalltechnik. Die hölzernen Elemente der Dachverkleidung erzeugen eine Akustik, die den Raum zur „alternativen Philharmonie“ adelt.

Unterstützt wurde der Neubau unter anderem im Rahmen des Umwelt-Förder-Programms durch die Europäische Union. Die Wärme- und Stromversorgung übernimmt zu mehr als 50 Prozent ein hauseigener Kraft- Wärme-gekoppelter Generator. Darüber hinaus unterstützen elektrische und thermische Solaranlagen sowie ein Erdwärmetauscher die Versorgung. So wurde zumindest auch ein Teil der ökologischen Visionen am Bau verwirklicht.

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