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Entscheidung für ein Schloss ist noch lange kein Schloss

Der Wiederaufbau der Stadtschlossfassade sei „keine ideologische, sondern eine nationale Aufgabe“, sagt der Chef der Kommission. Wer dafür zahlen soll, sagt er nicht

BERLIN taz ■ Eigentlich sollte die Entscheidung über die Frage „Schloss, Palast der Republik oder irgendwas dazwischen?“ erst im Januar fallen. Dass sie nun überraschend vorgezogen wurde, hat wohl nicht nur mit dem raschen rot-roten Gang vor den Traualtar zu tun.

Noch in diesem Monat geht schließlich das Preußenjahr offiziell zu Ende, und da konnten es sich die strammen Geschichtsgänger unter den Kommissionsmitgliedern wohl nicht nehmen lassen, Wowereit, Gysi und Co. noch ein paar historische Bürden mit auf den Weg zu geben. Neben dem Wiederaufbau der Schlossfassaden auf der West- Nord- und Südseite sowie des Schlüterhofs wird auch das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten an seinen alten Standort zurückkehren.

Abgerundet wird der Preußenpark auf Berlins symbolischstem Ort schließlich mit dem Wiederaufbau der Schlossfreiheit. Wie zu Kaisers Zeiten darf fortan wieder in Nachbarschaft des Schlosses gewohnt werden. So einfach kann man Sozialisten adeln. Natürlich war es auch kein Zufall, dass der Chef der Expertenkommission, der Wiener Hannes Swoboda sowie der Berliner Senatsbaudirektor Hans Stimmann gestern an ebenfalls historischem Ort vor die Journalisten gingen, um ihr mit acht zu sieben denkbar knappes Votum bekannt zu geben.

Der Wiederaufbau der Schlossfassade, betonte Swoboda im Kabinettssaal des DDR-Ministerrats im ehemaligen Staatsraatsgebäude, „ist eine nationale und keine ideologische Aufgabe.“ Das klang fast so wie die Begründung Walter Ulbrichts zur Sprengung des Stadtschlosses im Jahre 1950.

Und die PDS? Die hat nun, kaum an der Regierung, auf dem Schlossplatz gar nichts mehr. Nicht den Palast der Republik, ja noch nicht einmal den DDR-Volkskammersaal. Dessen Erhalt und Integration ins neue Legoschloss im Großformat hat die Kommission ebenfalls abgelehnt, und das, obwohl in just jenem Saal die deutsche Einheit beschlossen wurde.

Doch Schlossentscheidung ist noch lange nicht Schloss. Schon hat der einflussreiche Präsident der Bundesarchitektenkammer, Peter Conradi, eine Kampagne gegen die finanzielle Beteiligung des Bundes an dem 1,5 Milliarden Mark teuren Schlossaufbau gestartet. Und auch die rot-rote Koalition hat beschlossen, dass das Schloss mit privaten Mitteln gebaut werden müsse. So könnte am Ende das fehlende Geld für das Scheitern der Schlossträume sorgen. Es sei denn, der Bundeskanzler öffnet seine Schatulle.

Dass der bekennende Schlossanhänger Gerhard Schröder in der Lage ist, genehme Entscheidungen zu kaufen, hat er ja in der Vergangenheit zur Genüge unter Beweis gestellt.

Und wäre ein Schlossgeschenk an die Berliner nicht eine nette Rache an der Berliner SPD, die gegen seinen Willen nun doch mit der PDS koaliert?Alles kein Zufall, natürlich.

          UWE RADA

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