: Da waren’s nur noch drei
Nach dem Teilgeständnis von Rudolf Schindler im Berliner RZ-Prozess setzt das Kammergericht die Haftbefehle gegen ihn und Sabine Eckle außer Vollzug. Übrige Angeklagte werfen den Richtern „Handel mit der Gerechtigkeit“ vor
Stundenlang mussten die zahlreich erschienenen Zuschauer vor dem Saal 500 des Berliner Kriminalgerichts ausharren, doch gegen 12 Uhr war es schließlich soweit. Je länger das Warten dauerte, umso größer wurden die Spekulationen um den Inhalt der angekündigten „Einlassung zur Sache“ des Angeklagten Rudolf Schindler (59) im Berliner Prozess gegen angebliche Mitglieder der Revolutionären Zellen (RZ). Schließlich verlas Hans Euler, Anwalt von Schindler, die 25-seitige Erklärung. Darin bekennt sich Schindler zur Mitgliedschaft in den RZ und seiner Beteiligung an den Knieschussanschlägen 1986 auf den Chef der Berliner Ausländerpolizei, Harald Hollenberg, und 1987 auf den Vorsitzenden Asylrichter Günter Korbmacher. Die Ausführungen unterscheiden sich fundamental von den in den vorigen Monaten vom Kronzeugen der Bundesanwaltschaft, Tarek Mousli, vorgetragenen Anschuldigungen.
Seit Mai 2001 wird im Saal 500 nun gegen fünf Angeklagte, darunter Schindler und seine Ehefrau Sabine Eckle (55), wegen angeblicher Mitgliedschaft in der Berliner RZ verhandelt. Die Beschuldigungen beruhen vor allem auf den Aussagen von Mousli. Der zuvor als „Rädelsführer der Berliner RZ“ Beschuldigte wurde im Dezember 2000 für seine Aussagebereitschaft mit einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren belohnt.
Die Verzögerungen zu Beginn des Prozesses ergaben sich, weil hinter den Kulissen heftig verhandelt wurde. Die Vorsitzende Richterin Gisela Hennig hatte wiederholt bei Haftprüfungen angedeutet, dass sie bei einer Einlassung in der Haftfrage mit sich reden lasse. Nun stellte sich die Frage, ob Schindlers Einlassung auch für seine Ehefrau Sabine Eckle gilt.
Nach einer Stunde kam es zu einem ersten Anlauf für die Prozesseröffnung. Hennig gab bekannt, dass es seit Ende November Gespräche zwischen dem Gericht, der Staatsanwälte und Euler gegeben habe. Die Verteidigerinnen von Harald Glöde, Andrea Würdinger und Silke Studzinski, fielen aus allen Wolken, da sie vom Gericht nicht „zeitnah“ über diese Vorgänge informiert worden seien. Nach einer weiteren Stunde Unterbrechung präsentierten sie einen Befangenheitsantrag. Das Gericht betreibe „einen Handel mit der Gerechtigkeit“.
Der Deal sah im Fall Schindler konkret so aus: Das Gericht gab bekannt, dass im Falle einer Einlassung das Strafmaß drei Jahre und neun Monate nicht überschreiten werde. Eine Abschrift von Schindlers konkreter Einlassung wurde dem Gericht am Donnerstag übergeben, so genannte Eckpunkte waren allerdings schon vorher abgeklärt.
Nach dem Verlesen der Einlassung erfüllte das Gericht sein Versprechen und ließ Schindler und Eckle noch im Gerichtssaal frei. Direkt davor hatte es sich allerdings noch auf Donnerstag nächster Woche vertagt. Der Plan mehrerer Verteidiger, Mousli sofort mit den für ihn unbekannten Aussagen zu konfrontieren, war somit gescheitert. Auch was Schindlers Einlassung für den Wahrheitsgehalt von Mouslis Beschuldigungen gegen die anderen drei Angeklagten bedeutet, blieb offen. CHRISTOPH VILLINGER
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