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Aufklärung ist der taz teuer

Wer sich mit Sekten, Rechtsextremisten oder Islamisten anlegt, der braucht neben Recherchen, einen ambitionierten Verlag und guten Anwalt. Die Verteidigung journalistischer Freiheit kostet Geld

BERLIN taz ■ Investigativer und aufklärerischer Journalismus ist nicht nur eine Frage des guten Willens und der Recherche. Denn allzu häufig endet er in langwierigen und vor allem kostspieligen Rechtsstreitigkeiten. Wer zum Beispiel die Kreise von Sekten, rechtsextremistischen oder islamistischen Organisationen durch eine kritische Berichterstattung stört, der braucht Dreierlei: gutes Material, einen politisch und journalistisch ambitionierten Verlag und schließlich einen guten Anwalt.

Die taz hat sich die Verteidigung journalistischer Freiheiten vor Gericht bislang stets etwas kosten lassen. Und taz-Anwalt Johnny Eisenberg hat in den letzten Jahren vor Gericht immer wieder wichtige Siege erstritten, von denen auch die Konkurrenz profitierte. Zum Beispiel als er im Mai 2001 vor dem Landgericht Berlin durchsetzte, dass die „Böhsen Onkelz“ eine „berüchtigte rechtsradikale Band“ genannt werden dürfen. Bis zu diesem Zeitpunkt gingen die „Onkelz“ rechtlich stets erfolgreich gegen Journalisten vor, die genau dies behauptet hatten.

Und im April 2002 erstritt sich die taz nach acht Prozessen das Recht, weiterhin verbreiten zu dürfen, dass, wie von Focus-Online berichtet, die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) ihren langjährigen Mitherausgeber Hugo Müller-Vogg aus politischen Gründen von seinem Amt enthoben hat. Im Gegensatz zu Focus-Online und Welt weigerte sich die taz, Unterlassungsaufforderungen der FAZ zu unterschreiben. In einem noch anstehenden Gerichtsprozess ist zu klären, ob die taz dies nicht nur verbreiten, sondern auch behaupten darf. taz-Anwalt Johnny Eisenberg jedenfalls darf dies bereits, nachdem er kürzlich den Prozess gewann, den die FAZ gegen ihn persönlich angestrengt hatte.

Im Augenblick geht es für die taz vor Gericht um das Recht, angemessen über Organisationen des politischen Islams berichten zu können. Denn seit islamistische Gruppen nach dem 11. September stärker in den Mittelpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit rückten, versuchen sie, Berichterstatter einzuschüchtern. Derzeit muss zum Beispiel jeder, der auf die Verbindungen der Islamischen Föderation Berlin e. V. (IF) oder einzelner ihrer Nebenorganisationen zu der vom Verfassungsschutz beobachteten „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs – Landesverband Berlin“ hinweist, mit einstweiligen Unterlassungsverfügungen und Widerrufsbegehren rechnen. Die Liste der Belangten und Beklagten ist lang – Tagesspiegel, Berliner Morgenpost, ZDF, der Bayerischer Rundfunk, Aypa-TV Berlin, die Welt und die Berliner Zeitung. Und wie gesagt die taz.

Mehr als ein Dutzend Anwälte beschäftigt das Milieu der IF, um ein Klima der Verunsicherung zu verbreiten. Mit Erfolg. Denn kaum ein Kollege wagt es noch, über ihre Aktivitäten im islamistischen Milieu zu berichten. Bei der IF und ihrem Umfeld geht es um Macht und viel Geld. Ab kommendem Schuljahr will die Islamische Föderation Berlin e. V. (IF) an 20 Schulen rund 3.500 Kindern bekennenden islamischen Religionsunterricht erteilen. Die Kosten trägt vor allem der Steuerzahler. Möglich wurde dies durch ein Urteil des Berliner Oberverwaltungsgerichts vom 4. November 1998, das die IF als Religionsgemeinschaft nach dem Berliner Schulgesetz anerkennt. Aufgrund der Berliner Rechtslage hatte das Bundesverwaltungsgericht am 23. Februar 2000 keine gesetzliche Handhabe, dieses Urteil aufzuheben.

Zwei Tage vor der Gerichtsverhandlung im Februar 2000 warnte die taz in dem Artikel „Lügen im Namen Gottes“: „Ihre Anerkennung als Religionsgemeinschaft erreichte die Islamische Föderation vor dem Oberverwaltungsgericht 1998 auch deshalb, weil sie die Öffentlichkeit über ihre personelle und institutionelle Verflechtung mit Milli Görüs täuschen konnte. Tatsächlich ist sie seit ihrer Gründung im Januar 1980 aufs Engste mit Milli Görüs verbandelt.“

Zwei Jahre lang blieben diese von der taz publizierten Erkenntnisse unwidersprochen. Inzwischen ist das anders. Anlass war die Internetpräsentation (www.taz.de) der von Claudia Dantschke, taz-Redakteur Eberhard Seidel und Ali Yildirim bereits im September 2000 publizierten Studie „Politik im Namen Allahs. Der Islamismus – eine Herausforderung für Europa“.

Der Justitiar der IF, Abdurrahim Vural, der auch das Islam Kolleg, den Trägerverein der islamischen Grundschule Berlin vertritt, stört sich an folgenden Sätzen: „Islam Kolleg, die islamische Föderation und Milli Görüs sind voneinander unabhängige Organisationen, behaupten die Funktionäre seit mehr als zehn Jahren – und sie lügen. Erfolgreich. Denn wäre der Nachweis gelungen, dass das Islam Kolleg e. V. eine Tarnorganisation von Milli Görüs ist, hätte der Senat 1995 die islamische Grundschule nicht anerkannt …“. Und das Gericht möglicherweise die IF nicht als Religionsgemeinschaft.

Am 21. März 2001 verhängte das Landgericht auf Initiative des Islam Kollegs eine einstweilige Verfügung gegen die taz, die ihr die weitere Verbreitung des Satzes bei Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 250.000 Euro untersagte. Am 25. April hob das Landgericht Berlin die Verfügung wieder auf. Seitdem darf die taz das Islam Kolleg wieder als Tarnorganisation von Milli Görüs bezeichnen.

Vor allem die seit Ende Mai vorliegende schriftliche Begründung des Urteils dürfte auch die Kollegen in anderen Redaktionen ermutigen, wieder offensiver über das Islam Kolleg und die Islamische Föderation zu berichten. Denn erstmals hat das Gericht nicht über die Dringlichkeit einer einstweiligen Verfügung entschieden, sondern in der Sache selbst.

Wörtlich heißt es: „Charakteristisch für eine Tarnorganisation ist, dass sie dem bestimmenden Einfluss eines Dritten unterliegt, der seine beherrschende Stellung zu verheimlichen trachtet. Dieser Einfluss muss nicht notwendig rechtlich abgesichert sein. Die rechtliche Selbstständigkeit, die der Antragssteller als eingetragener Verein genießt, verbietet deshalb nicht von vornherein die Vorstellung, er könne eine Organisation der IGMG darstellen. Eine ideologische Einflussnahme lässt sich auch dadurch erzielen, dass als Entscheidungsträger solche Personen eingesetzt werden, die die Zielsetzung der IGMG befolgen. Eine solche Einflussnahme auf das Islam Kolleg Berlin e. V. darzulegen und glaubhaft zu machen, war Aufgabe der taz, da die von ihr verbreitete Unterstellung ehrenrühriger Natur ist. Dem ist die taz nachgekommen.“ (Geschäftsnummer 27.O.134/02)

Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz führt in seinem jüngsten Bericht aus, ohne die IF und das Islam Kolleg konkret beim Namen zu nennen: Die „Islamische Gemeinschaft Milli Görüs versucht weiterhin, ihren Anhängern ein Scharia-konformes gesellschaftliches Leben zu ermöglichen. Um dies zu erreichen, ist die Organisation auch darum bemüht, landes- bzw. bundesweite Föderationen und Dachverbände von Muslimen, die zunehmend als Ansprechpartner staatlicher und kirchlicher Stellen an Bedeutung gewinnen, zu dominieren.

Ob die nun auch vor Gericht verhandelten Erkenntnisse über die Verbindungen zwischen Islamischer Föderation, Islam Kolleg und Milli Görüs Folgen für die Berliner Politik haben werden, ist noch offen. Immerhin hat sich der Berliner Schulsenator Klaus Böger (SPD) bereits zu folgender Stellungnahme durchgerungen: „Diese Urteilsbegründung bestätigt meine Vermutung, dass es Verbindungen zwischen der Islamischen Föderation Berlin und Milli Görüs gibt. Der von der Islamischen Föderation erteilte Unterricht wird meiner Meinung nach nicht die Integration fördern.“

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