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Nach Wirbel nur noch Wind bei SPD

SPD-Generalsekretär Franz Müntefering zieht Anzeige gegen „Bild“-Zeitung zurück, will aber weiter „politisch“ gegen deren „Kampagnenjournalismus“ vorgehen. Lufthansa beurlaubt Mitarbeiter, der Daten von Abgeordneten abgerufen haben soll

von SEBASTIAN SEDLMAYR

Franz Müntefering liebt die Metapher von den „schnell fliegenden Wolken“. Damit meint er die schlechte Presse und die miesen Umfrageergebnisse für die SPD. Mit dem Verweis auf ihre geringe Halbwertszeit versucht er, sich und der SPD-„Kampa“ Mut zu machen. Ein paar dunkle Gewitterwolken hat er nun selbst vom politischen Himmel geblasen: Nach einer Woche direkter Konfrontation mit der Bild-Zeitung zog der SPD-Generalsekretär seine Strafanzeige wegen Verdachts auf Verstoß gegen das Datenschutzgesetz zurück.

Zur Begründung sagte Müntefering, die hausinternen Ermittlungen der Lufthansa hätten „offensichtlich zu Ergebnissen geführt“. Allerdings werde er den Kampf gegen den „Kampagnenjournalismus“ aus dem Springer Verlag „politisch“ fortsetzen. Denn „Bild und Co“ wollten den CSU-Kandidaten Edmund Stoiber als Kanzler. „Ich lasse mich nicht platt machen“, kündigte Müntefering im Spiegel an.

Bild-Chefredakteuer Kai Diekmann sagte, er habe die Rücknahme der Strafanzeige „mit großer Genugtuung zur Kenntnis genommen“.

Am Freitagabend hatte die Lufthansa bekannt gegeben, einer ihrer Mitarbeiter sei wahrscheinlich verantwortlich für die Weitergabe vertraulicher Daten über Flugkontenbewegungen von Bundestagsabgeordneten. Der Mitarbeiter, zu dem das Unternehmen keine näheren Angaben machte, sei inzwischen beurlaubt, die Erkenntnis, dass er die Daten von über 100 Abgeordneten abgerufen habe, an die Frankfurter Staatsanwaltschaft weitergegeben. Die müsse nun herausfinden, welches Motiv den Angestellten getrieben habe und wie die Informationen an die Hamburger Boulevardzeitung gelangten, so Lufthansa-Sprecher Klaus Walther.

Mit Münteferings Rückzug sind die strafrechtlichen Fragen der Bonusmeilenaffäre noch längst nicht geklärt. Der Berliner Staatsanwaltschaft liegen 37 Anzeigen gegen Politiker vor, die Bonusmeilen des Bundestages privat verflogen haben sollen.

Unklar ist bislang auch, ob der Abdruck von Münteferings Strafanzeige Konsequenzen haben wird. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts, Bild habe mit der Veröffentlichung gegen den Paragrafen 353 des Strafgesetzbuches verstoßen. Danach wird mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft, wer „die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens (…) ganz oder in wesentlichen Teilen im Wortlaut öffentlich mitteilt“.

Über der SPD-Wahlkampfzentrale zieht unterdessen die nächste schwarze Wolke auf. Laut Spiegel soll Kampa-Chef Matthias Machnig teilweise entmachtet worden sein. Die SPD dementierte die Meldung, wonach Machnig mit den Slogans und Kernaussagen des Wahlkampfes nichts mehr zu tun habe. „Es gibt keine Differenzen“, sagte Müntefering. Machnig nehme unverändert die Aufgaben wahr, die ihm für die Wahlkampfführung übertragen worden seien.

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