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„Die Leute haben Angst“

Homosexuelle wollen heute vor der Hedwigskirche in Mitte gegen die katholische Kirche demonstrieren: Sie soll ihre Entscheidung kassieren, Angestellte zu kündigen, die sich „verpartnern“

von MARTIN MAIER

Es werden wohl eher leise Töne sein. Heute, 11 Uhr, wollen verschiedene Berliner Lesben- und Schwulenverbände vor der Hedwigskirche in Mitte gegen die katholische Kirche demonstrieren – und gegen deren Entschluss, homosexuellen Mitarbeitern zu kündigen, sollten sie sich nach dem neuen Lebenspartnerschaftsgesetz eintragen lassen.

Anfang August war das entsprechende Diktum der katholischen Oberhirten öffentlich geworden. Allerdings kann über die Zahl der Betroffenen nur spekuliert werden. Zu ihnen gehören Pfarrer, Nonnen und Mönchen ebenso wie die Angestellten sämtlicher Einrichtungen in Trägerschaft der Katholischen Kirche: Krankenhäuser, Pflegeheime, Schulen. Als die Entscheidung der Bischöfe bekannt wurde, klingelten die Telefone beim Berliner Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Sturm, heißt es dort. Der LSVD schätzt, dass 1.200 Lesben und Schwule bei der Kirche in Lohn und Brot stehen. Davon hätten zehn Prozent die Absicht, sich zu verpartnern.

Dennoch rechnet Jörg Litwinschuh, Geschäftsführer des LSVD und verantwortlicher Demonstrationsleiter, mit allenfalls einhundert Teilnehmern. „Und das wäre schon ein Erfolg“, sagt er, „denn die Kirche hat ein enormes Potenzial, Leute zu verschrecken.“ Er wisse um das Risiko, das jeder eingehe, der offen aufbegehre. „Die Leute haben schlicht und einfach Angst“, fügt er hinzu. Deshalb auch der Name der Demo: „Standesamt statt Arbeitsamt“. Wie der LSVD fordern Bündnis 90/Die Grünen und der Bundesverband der Eltern, Freunde und Angehörige von Homosexuellen eine Rücknahme des Bischofswortes. Mit dem Ort der Demonstration, direkt am Sitz des Erzbistums, wolle man auch provozieren, erklärt Litwinschuh. „Allerdings werden wir die Sache ganz bewusst sehr, sehr leise aufziehen, ohne Lautsprecher, aus Respekt vor dem Glauben.“

Weder beim LSVD noch beim Bistum oder der Caritas, dem größten kirchlichen Arbeitgeber in Berlin, weiß man, ob sich bisher habe jemand „verpartnern“ lassen. „Wir haben viele schwule Mitarbeiter“, sagt Caritas-Sprecherin Barbara Schwemmer, „die leisten auch gute Arbeit und deren Homosexualität interessiert deshalb niemanden.“ Eine Verpartnerung sei aber ein Loyalitätsbruch, der eine Kündigung rechtfertige, erklärt Barbara Schwemmer: eben, weil sie ein Verstoß gegen den Begriff von Ehe und Familie sei, wie ihn die katholische Kirche lehrt. Den Vorwurf der Diskriminierung von Homosexuellen lässt die Caritas-Sprecherin nicht gelten. Sie verweist darauf, dass sich die Kirche Ähnliches für Angestellte vorbehalte, die sich wiederverheiraten wollen. Beides falle unter den „Tendenzschutz“ des Arbeitgebers. Deren Umsetzung sei aber bisher ins Belieben der einzelnen Verbände gesetzt. „Wenn ein Mitarbeiter sich verpartnert, dann heißt das noch lange nicht, dass ihm gekündigt wird“, erklärt Schwemmer. Man kenne einige Fälle, in denen Mitarbeiter eine zweite Ehe eingegangen seien. Von denen wurde keinem die Kündigung ausgesprochen.

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