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Mit Schiffen übers Meer

Von hanseatischen Kolonialisten und Kriegsgewinnlern: Eine Vortragsreihe der Geschichtswerkstatt Eimsbüttel über die Hamburger Beteiligung am deutschen Kolonialismus

von CORINNA KAHL

An einigen der verbliebenen Tante-Emma-Läden lässt sich die einstige Geschäftsbezeichnung noch erkennen: „Kolonialwaren“. Ansonsten gehört der deutsche Kolonialismus zu den gern aus dem öffentlichen Gedächtnis verdrängten Themen, was kaum näher verwundert: Wirtschaft und Politik haben sich nicht mit Ruhm bekleckert, als es um die Durchsetzung ihrer Interessen auf den besetzten Böden ging. Doch die gesellschaftlichen Begleiterscheinungen wie Intoleranz, Überheblichkeit oder Rassismus sind heute noch virulent.

Auch wenn ein deutsches Kolonialreich nur kurzzeitig existierte: Der Traum eines imperialistischen Deutschland mit seinen herrschaftsideologischen und kolonialrassistischen Implikationen wurde schon schnell nach der so genannten Entdeckung Amerikas durch Columbus manifest.

Wie verwurzelt der imperialistische Grundgedanke Mitte des 19. Jahrhunderts im damaligen deutschen Denken war, illustriert ein Zitat Richard Wagners: „Nun wollen wir in Schiffen über das Meer fahren, da und dort ein junges Deutschland gründen, es mit den Ergebnissen unseres Ringens und Strebens befruchten, die edelsten, gottähnlichsten Kinder zeugen und erziehen ... Wir wollen es deutsch und herrlich machen.“ Gar nicht unähnlich argumentierten noch die Nationalsozialisten, als sie darangingen, ihr Herrschaftsgebiet im Osten kriegerisch auszuweiten.

Hamburg, wo Politik und Wirtschaft schon traditionell einander zuarbeiten und man nicht umsonst von der Handelskammer als „Hamburgs heimlicher Regierung“ spricht, war als Deutschlands wichtigste Hafenstadt nach Berlin die zweite Metropole des wilhelminischen Kolonialismus. Eine Vortragsreihe der Geschichtswerkstatt Eimsbüttel mit eben diesem Themenschwerpunkt beschäftigt sich jetzt mit den Auswirkungen des Kolonialismus und deren heute noch wahrnehmbaren Spuren in der Gesellschaft.

Den Anfang macht am heutigen Dienstag der Autor und Sonderforschungsbereichs-Koordinator der Universität Hamburg, Heiko Möhle. Entlang von aus dem öffentlichen Gedächtnis verdrängten „Erinnerungsorten“ zeichnet er die Bedeutung Hamburgs für die deutsche Kolonialherrschaft in Afrika nach. Der reich bebilderte Vortrag beschäftigt sich aber auch damit, wie der Kolonialismus die hanseatische Gesellschaft bis in den Nazionalsozialismus hinein prägte. Am Beispiel des geplanten „Tansania-Parks“ zeigt Möhle, wie umstritten noch heute der Umgang mit dem „kolonialen Erbe“ ist.

Ein Vortrag der Historikerin Birthe Kundus beschäftigt sich mit „kolonialen Mischehen“, den Ehen zwischen deutschen Männern und Frauen aus den Kolonien des Reiches, die um 1900 die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregten und zu kontroversen Debatten – auch über die Definition von „schwarz“ und „weiß“ führten. Die Reihe wird fortgesetzt mit Beiträgen zu dem Verhältnis von Kolonialismus und Mission, das ganze Kulturräume nachhaltig prägte, und einer Beschäftigung mit der Vorarbeit Hamburger Reeder zu der Erklärung von Samoa zum deutschen „Schutzgebiet“ durch Wilhelm II. im März 1900.

heute: Kolonialismus und Erinnerungskultur in Hamburg; 1.10.: Die Farbe der Ehe, 8.10.: Kolonialismus und Mission, 22.10.: Samoa – deutsches Paradies in der Südsee, 24.10.: „Wir leben ewig“, Vortrag und Film von S. Schüler-Springorum über das Wilnaer Ghetto, 31.10.: Der deutsche Kolonialismus – Geschichte, Ideologie, Praxis. Alle Veranstaltungen jeweils 19.30 Uhr, Geschichtswerkstatt Eimsbüttel, Sillemstr. 79Literatur: Heiko Möhle (Hg.): Branntwein, Bibeln und Bananen. Der deutsche Kolonialismus in Afrika – eine Spurensuche in Hamburg, Verlag Libertäre Assoziation, Hamburg 1999,Horst Gründer (Hg.): „... da und dort ein junges Deutschland gründen“. Rassismus, Kolonien und kolonialer Gedanke vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 1999

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