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taz-Sonderausgabe zu UtopieFuck the Dystopie

Alexandra Hilpert
Kommentar von Alexandra Hilpert

Es kann eigentlich nur schlimmer werden, denken viele. Das stimmt nicht. Um handlungsfähig zu werden, müssen wir an eine utopische Zukunft glauben.

Fuck it – die Aussichten sind düster, aber es ist unsere Zukunft und die gestalten WIR Foto: Eloisa Ramos/Westend61/imago

W ir sind jung. Und wir haben Angst. Meine Generation steht vor einer Klimakrise, unsere Lebensgrundlagen verschwinden, Hass, Kriege und Rechtsruck bedrohen unser Zusammenleben. Die Generationen vor uns, das seid unter anderem ihr Gen Xler und Boomer, haben mit ihrem Hunger nach Wachstum unsere Welt zerstört. Ihr habt die Grundlage für den gesellschaftlichen Zerfall und den Rechtsruck gelegt. Und nicht nur das, ihr habt uns auch die Hoffnung genommen: Eine schlechte Zukunft scheint alternativlos.

Die Welt ist ein Horrorhaus, das habt ihr uns früh beigebracht. In den Jahren, in denen wir aufgewachsen sind, habt ihr eine Popkultur geschaffen, die nur negative Zukünfte zeigt. „Wall-E“, „Matrix“, „Avatar“, „Maze Runner“, „Tribute von Panem“ – sie alle bilden eine Zukunft ab, in der die Natur zerstört wird und Kapitalismus oder Technik die Herrschaft über die Welt an sich gerissen haben. Und das in viel schlimmerer Form als in der Gegenwart.

Illustration von Ali Arab Purian
Die taz total utopisch

🐾 Von der Kneipe an der Ecke bis zum solidarischen Garten in Bogotá: Junge Au­to­r*in­nen haben sich auf die Suche nach utopischen Ideen begeben. Die dabei entstandenen Artikel haben sie in einer Sonderausgabe der taz veröffentlicht.

Ihr habt zwar auch Su­per­hel­d*in­nen geschaffen wie Spiderman, Batman und Wonder Woman, mit denen wir uns identifizieren sollen. Doch auch sie leben in Welten, die voller Gewalt sind. Was bei uns ankommt: Die Zukunft kann nur schlechter werden, deshalb seid froh über das, was ihr habt, und beschwert euch nicht so viel.

Was ihr uns nie gegeben habt, sind Perspektiven auf eine bessere Welt. Umweltschutz? Schadet der Wirtschaft. Soziale Gerechtigkeit? Zu teuer. Kommunismus? Hatten wir doch schon, funktioniert nicht. Anarchismus? Wirst du jetzt radikal, oder was?!

So habt ihr eine Generation herangezogen, die darauf gepolt ist, einen Kampf gegen diese Zukunft zu führen. Es stimmt, Angst ist wichtig, um die Dringlichkeit zu verstehen. Denn wir brauchen Aktivist:innen, die sich gegen die Räumung von Dörfern einsetzen. Wir brauchen Angstgefühle im Angesicht der Krisen, damit wir schneller handeln. Wir brauchen auch eine Berichterstattung, die uns zeigt, wie schlecht es der Welt geht, damit wir Mitgefühl entwickeln können.

Doch der Kampf gegen den Status quo allein reicht nicht mehr aus, es braucht auch einen Kampf für etwas. Man kann nichts abschaffen, wenn es keine Ideen gibt, wie man es ersetzen kann. Solange wir keine Vorstellung davon haben, wie toll die Zukunft sein könnte, bleiben wir handlungsunfähig.

Von Selbstwertgefühl zum Gemeinschaftswertgefühl

Wir brauchen deshalb Ideen und Vorstellungen für die Zukunft. Manche von ihnen dürfen völlig unrealistisch und voller Fantasie sein. Das ist Teil des kollektiven Brainstormings. Radikale Ideen und Umbrüche gehören zu unserer gesellschaftlichen Weiterentwicklung dazu.

Neuseeland führte 1902 als erstes Land das Frauenwahlrecht ein. Die USA schafften 1865 die Sklaverei ab. Es wird wieder Zeit für große Umbrüche, die uns voranbringen. Die Veränderung kann bei uns selbst anfangen. Unser erschöpftes Selbstwertgefühl hing bisher davon ab, wie viel wir produzieren, wie schnell wir funktionieren und wie weit wir uns steigern.

Wir brauchen neue Ziele: wie gut wir im Einklang mit der Natur leben und wie liebevoll wir miteinander umgehen zum Beispiel. Statt Selbstwertgefühl brauchen wir ein Gemeinschaftswertgefühl.

Wir dürfen von uns selbst und anderen Menschen nicht mehr verlangen, dass sie sich an ein ungerechtes System, den Kapitalismus, anpassen. Stattdessen müssen wir das System verändern, damit es zu den Menschen passt und uns nicht mehr kollektiv bricht. Denn ökologische Nachhaltigkeit kann nur gelingen, wenn wir uns auch sozial verändern.

Wie das alles funktionieren kann? Dazu haben wir recherchiert. Junge Au­to­r:in­nen haben sich auf die Suche nach Utopien gemacht: Manche von ihnen gibt es schon im Kleinen, Lokalen, andere existieren in unseren Köpfen und warten auf ihre Umsetzung. Wir schauen dorthin, wo Menschen ihre eigene kleine Anarchie bauen. Wir begeben uns in einen utopischen Garten, in dem eine liebevolle Nachbarschaft entsteht. Wir erforschen, wie wir mit Gewalt in Gruppen besser umgehen können. Wir suchen nach Alternativen zu den antiquierten Erwartungen, die noch immer an Männer gestellt werden. Lasst euch inspirieren. Unsere Zukunft gestalten wir.

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Alexandra Hilpert
Redakteurin
Hat in Leipzig Journalismus studiert und ist seit 2022 fest bei der taz, aktuell im Online-Ressort als CvD und Nachrichtenchefin. Schreibt am liebsten über Wissenschaft, Technik und Gesellschaft, unter anderem in ihrer Kolumne Zockerzecke.
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7 Kommentare

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  • An eine utopische ....



    So wie die Weltreparaturträume der Habecks jetzt, die tatsächlich glauben, irgendwo aus Gottes Füllhhorn werde er schon kommen, der Grünstrom für alle und alles - zehnmalsoviel wie heute ? "Generationen" anzuklagen aber: Wie billig is das denn ? In 20 Jährchen schon werden sie Deiner Generation die Schuld für alles geben, wetten ?

    Wie oft bist Du schon in einem Flugzeug gesessen ? Wenn selten, dann bist Du im reichen Teil der Welt die Ausnahme - auch in Deiner "Generation". Wievile Quadratmeter bewohnst du ? Vor 70 jahren war's im Schnitt nicht mal die Hälfte. Dauerheizen statt Wollsocken ? Streaming ? Weltzerstörend Koloniales wie Baumwolle, Kaffee und Südfrüchte gabs vor 100 Jahren auch schon. Aber hast Du, persönlich, damit aufgehört? Die Ideologie von unserm individuellen Fußabdruck ist natürlich eine die Wirtschaftsmächte entlastende Propaganda, greift zu kurz und verschleiert wahre Ursachen - aber dennoch kann jede auch im eigenen Leben anfangen.

  • Fuck the Dystopie

    Sehr geehrte Frau Alexandra Hilpert,

    ich bin Jahrgang 1960 und Ich kenne die Denkweisen der Generationen vom Kaiserreich bis heute aus unserer Familie. Also Angst haben die alle gehabt. Auch Ihre Generation hat guten Grund für eine Zukunftsangst. Nur Angst ist kein guter Ratgeber, wenn man komplexe Systeme verstehen will. Jetzt haben komplexe Systeme noch den Nachteil, dass man weder alle Variablen noch alle Konstanten kennt. In der Physik ist es einfach, da gelten die Naturgesetze. In sozialen Gemeinschaften ist die Vielfalt der denkbaren Möglichkeiten nur durch die menschliche Vorstellungskraft beschränkt. Das kann auch das ignorieren der Naturgesetze bedeuten.

    Aber genau die menschliche Vorstellungskraft wie eine lebenswerte Zukunft gestaltet werden kann, hat bisher das Überleben der Spezies Mensch ermöglicht. Nach über 35 Jahren meiner beruflichen Tätigkeit im Bereich der erneuerbaren Energien, Transport und Verkehr können Sie mir glauben, wir haben echt hart gearbeitet. Ich habe Jahrzehnte gebraucht um zu verstehen, dass die Naturgesetze bei politischen Entscheidungen keine Rolle spielen. Ihre Generation hat zudem dem den Nachteil, dass es eine Minderheit ist. Aber Ihre Generation hat auch den Vorteil, aus unseren Arbeiten und Fehlern zu lernen. In meiner Generation hat wahrscheinlich niemand den Vorsatz gehabt, den nachfolgenden Generationen dieses Horrorhaus zu hinterlassen. Es ist ein Systemfehler in unserem Wahlsystem, dass es keine Gewichtung gibt. Aber auch das ist nicht neu, siehe Aristoteles Politik oder die Schriften von David Van Reybrouck in seinem Buch „Gegen Wahlen“. Nach meiner Meinung ist das Werk von Karl Polanyi „The Great Transformation“ sehr wichtig um die jetzige Transformation einordnen zu können. Es sind gesellschaftliche Transformationsprozesse, keine technischen.

    Ich kann den Zorn Ihrer Generation gut nachvollziehen. Ich habe diesen Zorn bis heute auch in mir. Zudem musst ich mich noch mit den Ansichten meines Gro

  • Fuck the Dystopie

    Sehr geehrte Frau Alexandra Hilpert,

    ich bin Jahrgang 1960 und Ich kenne die Denkweisen der Generationen vom Kaiserreich bis heute aus unserer Familie. Also Angst haben die alle gehabt. Auch Ihre Generation hat guten Grund für eine Zukunftsangst. Nur Angst ist kein guter Ratgeber, wenn man komplexe Systeme verstehen will. Jetzt haben komplexe Systeme noch den Nachteil, dass man weder alle Variablen noch alle Konstanten kennt. In der Physik ist es einfach, da gelten die Naturgesetze. In sozialen Gemeinschaften ist die Vielfalt der denkbaren Möglichkeiten nur durch die menschliche Vorstellungskraft beschränkt. Das kann auch das ignorieren der Naturgesetze bedeuten.

    Aber genau die menschliche Vorstellungskraft wie eine lebenswerte Zukunft gestaltet werden kann, hat bisher das Überleben der Spezies Mensch ermöglicht. Nach über 35 Jahren meiner beruflichen Tätigkeit im Bereich der erneuerbaren Energien, Transport und Verkehr können Sie mir glauben, wir haben echt hart gearbeitet. Ich habe Jahrzehnte gebraucht um zu verstehen, dass die Naturgesetze bei politischen Entscheidungen keine Rolle spielen. Ihre Generation hat zudem dem den Nachteil, dass es eine Minderheit ist. Aber Ihre Generation hat auch den Vorteil, aus unseren Arbeiten und Fehlern zu lernen. In meiner Generation hat wahrscheinlich niemand den Vorsatz gehabt, den nachfolgenden Generationen dieses Horrorhaus zu hinterlassen. Es ist ein Systemfehler in unserem Wahlsystem, dass es keine Gewichtung gibt. Aber auch das ist nicht neu, siehe Aristoteles Politik oder die Schriften von David Van Reybrouck in seinem Buch „Gegen Wahlen“. Nach meiner Meinung ist das Werk von Karl Polanyi „The Great Transformation“ sehr wichtig um die jetzige Transformation einordnen zu können. Es sind gesellschaftliche Transformationsprozesse, keine technischen.

    Ich kann den Zorn Ihrer Generation gut nachvollziehen. Ich habe diesen Zorn bis heute auch in mir. Zudem mußte ich mich noch mit den Ansichten meines Gro

  • "Um handlungsfähig zu werden, müssen wir an eine utopische Zukunft glauben."

    Glauben ist tödlich in diesem Jahrhundert, und den Dutzenden die noch kommen werden.

  • Von Spaltern halte ich Nichts.



    Leider ist der Artikel kalter Kaffee.



    Diese Diskussion fand im letzten Jahr mindestens 4 Mal auf breiter Fläche in der kommune statt: wir gegen Die!



    "Wir", das sind laut Artikel die lieben Kinder, die kein Wässerchen trüben können.



    "Die" sind die älteren Generation, die an Allem Schuld tragen.



    Ein paar Sachen, die " Die" so gemacht haben:



    Partnerschaft mit dem Erzfeind Frankreich



    Ausweitung der EU



    Ende des kalten Krieges



    Wiedervereinigung



    Demokratisierung des ehemaligen Ost Blocks



    Wirtschafts- und Demokratieförderung in Osteuropa



    Umweltschutz als Thema seit den 80ern



    Einstieg in das Bio Label bis zum Discounter



    Einstieg in regenerative Energien



    Ausstieg aus der Atomkraft



    Einstieg in die E Mobilität



    ...



    Wie schon zu früheren Gelegenheiten erwähnt, leben viele der Kommenden Generation deutlich klimaschädlicher als Menschen meiner Generation.



    Der Nahostkonflikt und das Statement der FFF ist tagesaktuell.



    Gegen Rechts haben wir bereits gekämpft.



    Jetzt seid Ihr mal dran.



    Erwachsen werden heißt auch Verantwortung übernehmen. Erstmal für sich selbst und dann auch für Andere.



    Das fängt ganz simpel damit an, nicht immer die Schuld bei Anderen zu suchen, sondern die Frage zu stellen:



    " was kann ICH tun"?



    Das wäre schon eine kleine Utopie.



    Zusammenarbeit statt Spalten! eine zweite.

  • Eine Anklage an die älteren Generationen. Dass die Autorin in 30 änlichen Anklagen von der jüngeren Generation ausgesetzt sein wird, ist wohl ziemlich sicher, solange (hoffentlich) Nordeuropa der letzte Fleck der Erde bleibt, an dem es noch Redefreiheit gibt. Vielleicht gibt es auch mal eine Renaissance der humanistischen Werte, aber zur Zeit geht der globale Trend weg davon.

    Recht verlässliche Trendstudien gibt es beim PEW-Zentrum, auf das sich zum Beispiel Reuters und AP regelmäßig beziehen: www.pewresearch.org/

  • "Was ihr uns nie gegeben habt, sind Perspektiven auf eine bessere Welt. Umweltschutz? Schadet der Wirtschaft..."

    so ist der eine Teil der dt Bevölkerung aufgewachsen, der andere Teil (der linke, umweltbewegte) hat Angst vor der Zukunft, weil die Natur (vermeintlich) nur kaputter wird, die Welt (vermeintlich) nur schlechter, weil die Menschen alles zerstören... Der Effekt ist der selbe, keine Vision der Zunkunft, nur ein was nicht sein soll, Verzicht als Lösung.

    Dass, wenn man keine Idee der Zunkunft hat, andere Kräfte diese Zukunft prägen werden, Kräfte, die wir wahrscheinlich auch nicht gutfinden werden, das ist in der Verzichtslogik immanent, nur fast Keinem klar...

    Dass auch die Mehrheitsmeinung mit ihrem Verzicht auf Umweltschutz und sozialem Ausgleich genau dieselbe puritanische Zukunftverweigerung praktiziert und damit genau das riskiert was sie verhindern will, nämlich einen Verlust des Wohlstands, weil die Wirtschaft international ins Hintertreffen gerät (z.B. Elektromobilität, Solar) , dass die Gesellschaft ins Autoritäre abgleitet, das muß auch gesagt werden.



    Der Puritanismus sitzt sehr tief in der dt Seele...