taz-Serie „Was macht eigentlich…?“ (3): Sonntags ins Museum
Am ersten Sonntag im Monat ist der Eintritt in die meisten Berliner Museen frei. Der Senat wollte damit kulturelle Teilhabe erleichtern. Klappt das?
Seit Juli ist am ersten Sonntag im Monat in den meisten Berliner Museen der Eintritt frei. Und dieses Angebot wird extrem gut angenommen. Zahlen dazu will die Senatsverwaltung für Kultur teilweise im Januar, teilweise erst im kommenden Sommer vorstellen, wenn die Ergebnisse einer sozialwissenschaftlichen Studie zum Museumssonntag ausgewertet sind.
Aber so viel steht für das Haus von Kultursenator Klaus Lederer (Linke) schon nach sechs eintrittsfreien Sonntagen fest: Die Nachfrage nach den kostenlosen Zeitfenstertickets ist riesig, besonders im Pergamonmuseum, dem Neuen Museum, der Neuen Nationalgalerie, dem Deutschen Technikmuseum, dem Museum für Naturkunde und dem Deutschen Historischen Museum.
Doch auch kleinere Häuser, die man an diesen Tagen spontan ohne Zeitfensterbuchung gratis besuchen kann, profitieren von der großen Nachfrage. Die Senatsverwaltung nennt als Beispiele das Museumsdorf Düppel, das am ersten Museumssonntag im Juli zu den am besten besuchten Angeboten zählte, aber auch das Werkbundarchiv – Museum der Dinge in Kreuzberg und das Schwule Museum am Tiergarten.
Die meisten Geschichten enden nicht einfach, nachdem in der taz darüber berichtet wurde. Deshalb fragen wir und haken noch einmal nach: In unserer Serie „Was macht eigentlich?“ rund um den Jahreswechsel 2021/22 erzählen wir einige Geschichten weiter.
Teil 3: Der Museumssonntag Am ersten Sonntag im Monat können die meisten Berliner Museen ohne Eintritt besucht werden. Das Angebot gibt es seit sechs Monaten. In den Museen gilt für Personen ab 18 Jahren die 2G-Regel, das bedeutet, dass digitale Impfnachweise oder die Nachweise über eine Genesung am Eingang kontrolliert werden. In den meisten Häusern müssen außerdem medizinische Masken getragen werden. Die Zutrittsregeln können sich mit den Coronaverordnungen ändern. www.museumssonntag.berlin/de
Alle Texte der „Was macht eigentlich ...“-Serie sind künftig auch online auf taz.de/berlin nachzulesen. (taz)
Erfahrungen der taz können das bestätigen. Ob die Autorin dieser Zeilen am Museumssonntag mit der Alten Nationalgalerie ein großes Haus mit Werken von Adolph von Menzel und Caspar David Friedrich besuchte oder das kleine, etwas versteckte Museum Treptow, das auch sonst keine Eintrittsgelder erhebt – voll war es immer. Rappelvoll. Und sehenswert.
Im Heimatmuseum Treptow setzt sich eine Dauerausstellung kritisch mit der Ersten Deutschen Kolonialausstellung 1896 auseinander, bei der 106 Menschen aus den deutschen Kolonien im Treptower Park „ausgestellt“ wurden, um begafft zu werden. HistorikerInnen haben viele ihrer Biografien rekonstruiert. Mehrere sind in Berlin verstorben. Anderen fehlte das Geld für die Rückfahrt. Einige haben hier Berlin Familien gegründet oder Handwerksbetriebe geführt. Einer von ihnen hatte im Treptower Park den Spieß umgedreht und sich ein Opernglas gekauft, um damit auf die Menge zurückzugaffen.
Im Museum für Kommunikation, für das kein Zeitfensterticket vorab gebucht werden konnte, musste die Autorin an einem Museumssonntag 40 Minuten anstehen. Denn coronabedingt war der Zutritt zu dem Gebäude des früheren Reichspostmuseums wie in allen Museen begrenzt. In dem denkmalgeschützten Gebäude an der Leipziger Straße gab es historische Telekommunikationstechnik zu sehen und Informatives über den Rundfunk in der NS-Zeit zu erfahren.
Mit dem eintrittsfreien Museumssonntag wollte Rot-Rot-Grün ein Vorhaben der Koalitionsvereinbarung von 2017 umsetzen: Mehr Menschen sollte die kulturelle Teilhabe ermöglicht werden. Für Familien mit schmalem Einkommen, Studierende oder einkommensschwache FreiberuflerInnen sollte einmal im Monat die finanzielle Hürde für den Besuch eines Museums entfallen. BezieherInnen von bestimmten Transferleistungen können ohnehin den ganzen Monat über einige Museen kostenlos oder zu ermäßigten Preisen besuchen.
„Mit niederschwelligen Angeboten, einer verbesserten Aufenthaltsqualität und Willkommenskultur möchten die Häuser NichtbesucherInnen gewinnen und so aktiv gesellschaftliche Teilhabe mitgestalten“, schrieb Kultursenator Klaus Lederer, als das Angebot im Juli startete. Ob aber tatsächlich Menschen erreicht wurden, die sonst mit Museen fremdeln, oder ob eher diejenigen kamen, die ohnehin kulturelle Angebote nutzen, weiß man erst, wenn die Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Studie vorliegen.
Den landeseigenen Museen kompensiert das Land an diesen Tagen ausbleibende Eintrittsgelder in Höhe von 1,3 Millionen Euro pro Jahr. Hinzu kommen 700.000 Euro für besondere Angebote an den Museumssonntagen: Vorträge von Wissenschaftlern oder Bastelangebote für Kinder. Bundeseigene Museen und Gedenkstätten werden vom Bund dafür unterstützt.
Für private Museen gibt es den finanziellen Ausgleich nicht, sodass einige wie die Liebermann-Villa am Wannsee auch nicht daran teilnehmen. Wer dennoch mit dabei ist wie das Schwule Museum, profitiert vielleicht ein wenig von der Werbung des Senats. Und Gedenkstätten wie das Haus der Wannseekonferenz oder die Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen stünden nicht auf der Liste des Museumssonntags, weil sie ohnehin gratis besucht werden könnten, heißt es aus der Senatsverwaltung für Kultur.
Humboldt-Forum ab Januar dabei
Der neue Senat will die Angebote fortführen. Ab Januar sind auch die Ausstellungen im Humboldt Forum, das erst im Sommer eröffnet wurde, mit dabei. Die Zitadelle Spandau steht nach einer zweimonatigen Pause auch wieder auf der Angebotsliste, allerdings halbherzig: Eine Führung durch die historische Festungsanlage ist kostenpflichtig. Will man die gut erhaltene Zitadelle im äußersten Westen der Stadt auf eigene Faust erkunden, geht das ohne Eintrittsgeld. Auch Bastelworkshops für Kinder und Familien sind gratis.
Auch wenn die Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Studie noch fehlen, fest steht: Es sind überwiegend Berlinerinnen und Berliner, die sich in großer Zahl an den jeweiligen Sonntagen in den Museen tummeln. Große Reisebusse, die Touristen zu den Gratis-Angeboten fahren, stehen kaum vor den Häusern.
Das liegt ganz sicher an Corona: Die Touristenströme in die Hauptstadt waren in den vergangenen zwei Jahren deutlich kleiner als bis 2019. Hingegen waren für die HauptstädterInnen die Freizeit- und Kulturangebote in der Stadt im Coronajahr 2021 besonders wertvoll. Und sofern ein neuer Lockdown die Museen nicht zwingt, ihre Türen zu schließen, bleibt gerade in Coronazeiten der Museumssonntag ein wichtiges Freizeitangebot.
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