taz-Mitarbeiter belauscht: Recherche unter staatlicher Aufsicht
Journalisten wurden bei Kontakten zu Antifa-Aktivisten im Norden abgehört, darunter ein Mitarbeiter der taz Nord. Da stecke "kein böser Wille" hinter, behauptet die Bundesanwaltschaft.
Bei Anti-Terror-Ermittlungen in Norddeutschland wurden auch mehrere Journalisten abgehört. Einer von ihnen ist Andreas Speit, Rechtsextremismus-Experte der taz Nord. Dies geht aus Tonbandprotokollen hervor, die Gegenstand der Ermittlungsakten im Verfahren gegen eine vermeintliche terroristische Vereinigung von Antimilitaristen sind.
Betroffen sind nach Angaben des Anwalts Arne Timmermann "rund eine Handvoll Journalisten". Abgehört wurden dabei nicht deren eigene Telefonanschlüsse, vielmehr riefen sie Personen an, gegen die Ermittlungen laufen und die deshalb abgehört werden.
Nach der Erinnerung von Andreas Speit ging es in den Telefonaten "ausschließlich um Aktivitäten der Antifa-Szene in Norddeutschland". Die Gespräche seien eindeutig als Pressegespräche kenntlich gewesen. "Da wurde ich zum Beispiel gefragt, ob die taz über eine bestimmte Antifa-Aktion berichten könnte", so Speit. Ähnlich war es bei Telefonaten, die ein NDR-Redakteur, der auch Rechtsextremismus-Experte ist, in diesem Umfeld führte.
Die Ermittlungen betreffen eine Gruppe von neun Personen, die im Zeitraum von 2002 bis 2006 Brandanschläge in den benachbarten Städten Glinde und Bad Oldesloe (Schleswig-Holstein) verübt haben soll. Betroffen waren Rüstungsfirmen und ein Bundeswehrbus.
Es scheint so, dass einige der Beschuldigten legal in der Antifa aktiv waren und dabei auch Kontakte zu Journalisten hatten. Daneben wurde gegen sie wegen der Brandanschläge ermittelt und dabei auch die Gespräche mit den an Antifa-Aktivitäten interessierten Pressevertretern aufgezeichnet.
Für Anwalt Timmerman ist es ein "Novum, dass sich Gespräche mit Pressevertretern in so großer Zahl, in vollem Wortlaut und mit voller Angabe des Namens der Journalisten in der Ermittlungsakte finden". Möglicherweise wollte die Bundesanwaltschaft dabei Informationen über regionale Netzwerke und Bekanntschaften herausfinden. "Ich recherchiere nicht gern unter staatlicher Aufsicht", sagt Speit.
Die Bundesanwaltschaft will die Vorwürfe prüfen. "Da steckt aber sicher kein böser Wille dahinter", betonte ein Sprecher auf Nachfrage der taz. Er gab zu bedenken, dass Telefongespräche maschinell aufgezeichnet werden. Außerdem sei für Polizeibeamte, die die Gespräche abtippen oder zusammenfassen, nicht unbedingt erkennbar, "was nun verfahrensrelevant ist und was nicht".
Telefonate mit Journalisten können bisher - und auch nach der letzte Woche beschlossenen Neuregelung - nur verwertet werden, wenn der Nutzen nicht außer Verhältnis zum Schaden für die Pressefreiheit steht.
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