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Druckschluss der WerktagstazPrêt-à-papier

In wenigen Wochen steht das Ende der gedruckten Werktagstaz bevor. Zu diesem Anlass hat die Designerin Ellena Lüking ein Kleid aus tazzen entworfen.

Nicht ganz Prêt-à-porter, sondern Haute Couture: das taz-Kleid von und an Ellena Lüking Foto: Steve Braun

Das taz-Zeitungskleid ist ein cooler, geistreicher Entwurf und bereits das dritte Zeitungskleid der Designerin Ellena Lüking. Ohne die beiden Vorgängermodelle wäre es nicht zum taz-Kleid gekommen. Denn die kannte Johannes Kopp, Sportredakteur der taz und Nachbar von Elli Lüking, was ihn auf die Idee brachte, sie zu fragen, ob sie nicht noch ein drittes Kleid schneidern könnte, für den ganz besonderen Anlass der Einstellung der täglichen Printausgabe der taz, die künftig, mit Ausnahme der Wochentaz, nur noch digital erscheint.

Eine gute Idee, die ganz frech mit der Erfahrung spielt, dass die Papierzeitung ja nicht nur gelesen wird. Sie taugt auch als Verpackungsmaterial. Bestimmt haben manche Leute die Zeitung nie gelesen und nur Fische darin eingewickelt. Dass sie stattdessen eine schöne junge Frau bekleiden soll, ist dann doch ein echter Fortschritt.

Ein Fortschritt soll ja auch die Digitalisierung sein. Im konkreten Fall der Zeitung wird Papier gespart, was dem Wald und der Umwelt zugutekommen soll. Trotzdem ist nicht ausgemacht, ob die Digitalisierung ein Fortschritt ist. Denn inzwischen wird allzu deutlich, dass allein das Kapital diesen Fortschritt managt, weshalb die emanzipatorischen Möglichkeiten weitgehend auf der Strecke bleiben.

Papierzeitung wird nicht nur gelesen

Ein Fortschritt, unbestritten, war allerdings die Gründung der taz. Es ist müßig über ihre Erfolge und vor allem über die Folgen ihres Erscheinens für die gesamte deutsche Presselandschaft zu sprechen. Längst ist sie ein Schwergewicht im öffentlichen Diskurs. Das wird sich durch den Wegfall der gedruckten täglichen Ausgabe nicht ändern. Hat man sich erst einmal daran gewöhnt, die Zeitung auf dem Handy oder dem Tablet zu lesen, möchte man diesen Zugang nicht mehr missen.

Der minimalistische und zeitlose Stil des Kleids täuscht darüber hinweg, wie aufwendig seine Fertigung war Foto: Steve Braun

Nun wurde und wird die Papierzeitung nicht nur zum Einpacken verwendet, sondern auch gelesen. Deshalb muss das taz-Kleid von Ellena Lüking nicht nur als cool, sondern auch als geistreich bezeichnet werden. Schließlich finden sich darauf viele kluge Analysen und solide, faktenbasierte Argumente. Nicht zu vergessen, dass auch einige Dada-Poesie entzückt, verursacht durch die harten Montageschnitte der Zeitungsseiten.

Tatsächlich hat Lüking viel Sorgfalt darauf verwendet, dass der Körper des Kleids rein im Schwarz-Weiß des Textes gehalten ist, während das Rot des taz-Logos und der taz-Überschriften bei den Verzierungen zum Einsatz kommt.

Der minimalistische und zeitlose Stil des Kleids täuscht darüber hinweg, wie aufwendig seine Fertigung war. Über eine Woche lang haben Lüking und ihre Assistentin Schicht für Schicht das Kleid tragfähig geklebt. Es ist eine hervorragende Portfolioarbeit, mit der sich Ellena Lüking jederzeit für den Studiengang Kostümbild an der UdK bewerben könnte.

Nicht das erste Kleid aus Papier

Die 19-Jährige hat gerade ein Praktikum bei den Sommerfestspielen in Eutin absolviert und strebt diesen Ausbildungsgang an. Dramatik und Modernität zeigt denn auch das taz-Kleid, dessen schmal zulaufender Rock in einer weit ausgestellten Passe endet.

Das Drama liegt darin, dass die Trägerin in diesem Kleid nicht wirklich gehen kann. Die Modernität, dass es dafür gemacht ist, dass sie sich an die Bar stellt und elegante Cocktails schlürft, wobei sie auf eine neue erfolgreiche Ära der digitalen taz anstößt.

Muss nicht nur als cool, sondern auch als geistreich bezeichnet werden: das taz-Kleid von Ellena Lüking Foto: Steve Braun

Kleidung aus Papier zu fertigen, ist hingegen nicht neu. Der Legende nach soll im Jahr 988 n. Chr. ein japanischer Mönch, der seine Besucher in sauberer Kleidung empfangen wollte, die Seiten der heiligen Schriften Buddhas benutzt haben, um sich daraus ein provisorisches Papierhemd zu basteln. Das war wohl schon damals cool und geistreich.

Kein Wunder, dass das Tragen von Papierkleidern bei den buddhistischen Mönchen Japans zur Tradition wurde. In Europa war Kleidung aus Papier vor dem 19. Jahrhundert unbekannt. Stattdessen wurde aus Kleidung hochwertiges Papier gewonnen. Ein Hit wurden billige Wegwerf-Papierkleider in den 1960er Jahren. Selbst Prominente wie Claudia Cardinale, von der wir uns gerade in Trauer verabschieden, zeigten sich im Papierkleid.

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1 Kommentar

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  • Ein schöner(supi) Beitrag!



    Ich habe schon gelauert wann der Satz für mich kommt, da isser:



    ...Dramatik und Modernität zeigt denn auch das taz-Kleid, dessen schmal zulaufender Rock in einer weit ausgestellten Passe endet...



    Klar mußte ich sofort nachschauen was eine Passe ist. Ihr nicht?



    Das taz-Kleid ist ein Hammer.



    Das Bild ist toll und je länger ich hinschaue entdecke ich immer mehr künstlerische Kreativität.



    An Papierkleider kann ich mich, aus dem tiefsten Osten stammend, erinnern. Müssen aus dem Westen gekommen sein!



    Die Verbindung mit der Historie im Beitrag ist auch sehr interessant!



    Dann bin ich schon wieder neidisch auf die junge Frau im Bild.



    Alles (Gute) noch vor sich!



    ...dass sie sich an die Bar stellt und elegante Cocktails schlürft, wobei sie auf eine neue erfolgreiche Ära der digitalen taz anstößt....



    Wunderbar, die künstlerische Kurve bekommen..!



    Klasse Beitrag!