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Neue DemokratiemodelleTrump beikommen

Das US-Regime ist Folge der Versäumnisse der 90er Jahre. Die demokratischen Parteien müssen jetzt Handlungswillen und -fähigkeit zeigen.

Es ist ein langer Weg zu gehen, um dem Faschismus auf die Spur zu kommen, denn es begann schon lange vor Donald Trump Foto: Helen H. Richardson/ap

M an kann das Regime von US-Präsident Donald Trump auf verschiedene Weise analysieren: als faschistischen Coup, wobei sich die Deutschen immer noch im diskursiven Besitzerstolz üben und den Amerikanern erklären wollen, dass Faschismus eigentlich nur echt „made in Germany“ ist.

So wie neulich erst bei „Maischberger“ mit Befremden auf eine lebhafte US-amerikanische Diskussion zu dem Thema geschaut wurde, die einen intellektuellen Reichtum offenbart zwischen so auseinanderdriftenden Positionen wie etwa Timothy Snyder und John Ganz.

Man kann das Regime Trump als autoritäre Machtübernahme beschreiben und auf den Druck auf die Universitäten verweisen, auf die menschenverachtende Grenzpolitik, auf die Einschränkung der Meinungsfreiheit, auf den Angriff auf die Medien und die Justiz und letztlich das ­System der Demokratie selbst.

Man kann das Regime speziell von Elon Musk als Staatszerstörung verstehen, verbunden mit einer techno-feudalistischen Arrondierung, was einen Abschied vom System der freien Märkte bedeutet, wie es Peter Thiel fordert, der ein Übermenschentum feiert, das wahlweise mehr Nietzsche oder mehr Nazi ist.

Je nachdem, wie man das Trump-Regime beschreibt, ergeben sich Konsequenzen, wie man es bekämpfen kann

Man kann es auch weiter gefasst als techno-futuristische Vorbereitung auf eine Welt ohne Menschen oder jedenfalls Menschlichkeit sehen, weil diese Kreaturen auf dem immer klimadurchschüttelteren Planeten eh nur ein Hindernis sind auf dem Weg ins All – der Mars als Grönland in den Sternen also: Was sich auf der Erde als neoimperiale Machtpolitik zeigt, Landnahme nach Lustgewinn und Profitorientierung, wird damit zum Muster einer mafiösen Umverteilungsmaschinerie, angetrieben von Leuten, die auf die Fragen von globaler Gerechtigkeit mit dem Gelächter der Schlechtmenschen antworten.

Und je nachdem, wie man das Regime beschreibt, ergeben sich bestimmte Konsequenzen, wie man das Regime bekämpfen kann. Sind es Rassisten, die vor allem die Herrschaft der Weißen sichern wollen? Sind es Frauenfeinde, die ihre eigene toxische Männlichkeit in ein effektives Machtmittel verwandelt haben? Sind es über­rationale Paranoiker, schwer gestörte Vateropfer, in Südafrika erzogene Suprematisten?

Georg Diez

ist Autor und Journalist. Er ist Mitarbeiter beim Thinktank „ProjectTogether“ und Fellow beim Max-Planck-Institut für religiöse und ethnische Diversität in Göttingen. Frisch im Aufbau-Verlag: „Kipppunkte. Von den Versprechen der Neunziger zu den Krisen der Gegenwart“.

Es ist schwer, in dem postideologischen Wirrwarr den Ansatz für Widerstand zu finden, und auch deshalb ist die Demokratische Partei in den USA augenblicklich so erschreckend ratlos. Wenn man sich aber die jüngere Geschichte anschaut und vor allem die Verbindung zwischen Trump und etwa der AfD sucht, dann kommt noch eine andere Erklärung in den Blick, die ihren Ursprung in den 90er Jahren hat und möglicherweise einen wirkungsvolleren Ansatz bietet, wie sich eine politische Antwort auf die auch politische Herausforderung von Trump finden lässt.

Dieses Regime, erkennt man dann, wirkt auch deshalb auf viele Menschen so anziehend, weil Trump ihnen zeigt, dass Politik nicht machtlos ist, dass Versprechen gehalten werden und Wahlen wirken können. Das ist eine sehr unangenehme Antwort, weil sie das eigene Milieu und die eigenen blinden Flecken betrifft: Was ist das für ein System, das nach dem Ende des Kalten Krieges 1989 entstanden ist und dessen Ära nun zu Ende geht – der Neoliberalismus, der auch deshalb so erfolgreich werden konnte, weil sich die konservativen, besonders aber die sozialdemokratischen Parteien der Dominanz des Marktes hingegeben haben?

Wie konnten wir glauben, dass die dauernde Schwächung demokratischer Handlungsfähigkeit zugunsten ökonomischer Akteure, Institutionen, Rationalität langfristig ohne Folgen für die Demokratie bleiben würde? Wo die Ordnung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 durch die Vereinten Nationen gestaltet wurde, was immerhin eine Art von geopolitisch realistischer Utopie nationalstaatlich vermittelter Gerechtigkeit in sich trug, war es nach dem Ende des Kalten Krieges 1989 die Welthandelsorganisation WTO, die mit immer destruktiveren Mitteln in die demokratischen Prozesse zahlreicher Länder hineinwirkte.

Von Russland bis Indonesien reichte der Einfluss von Austerität, Freihandel und einem finanzpolitisch mehr als demokratisch legitimierten Regime, das viele Menschen wütend, verletzt, verarmt zurückließ.

Trump ist jemand, der handelt

Viele demokratische Parteien hatten es sich in der eigenen Macht- und Visionslosigkeit technokratisch bequem gemacht – sie verwalteten den langsamen Abstiegsprozess einer Mittelschicht, die immer mehr unter Druck geriet, während man die Allerärmsten gegeneinander oder gegen Migranten ausspielte.

Trump ist demnach eine Antwort auf die Versäumnisse der 90er Jahre: Hier ist jemand, der handelt – in einer Welt, in der Handlungen zu einem sehr undurchsichtigen Vorgang geworden sind, schwer zu lokalisieren, so wie es überhaupt im komplizierten System unserer überkomplexen Gegenwart schwer ist zu verstehen, wo genau die Macht liegt und wie man Widerstand leisten kann.

Die Herausforderung der demokratischen Parteien wird demnach sein, dass sie beweisen müssen, dass sie auch handeln, dass sie Probleme wie die grassierende Milliardärsvermehrung oder hohe Butter-, Wohnungs- und Restaurantpreise ernst nehmen – und etwas dagegen tun.

Trump ist dennoch alles, was ihm vorgeworfen wird, Faschist, Rassist, Mafioso, imperialer Deal-Maker, König von eigenen Gnaden. Aber man wird ihm auf dieser Ebene nicht beikommen. Es ist nicht mal eine Ebene, es ist ein Sumpf. Hier kann man sich diskursiv verlieren – es ist in vielem bequemer, weil man sich nicht seinen eigenen Widersprüchen stellen und den langen Weg zu einer anderen Form von Demokratie beginnen muss. Aber anders wird es nicht gelingen: Geschichte wird rückwärts verstanden, vorwärts gemacht.

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9 Kommentare

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  • " ... die grassierende Milliardärsvermehrung oder hohe Butter-, Wohnungs- und Restaurantpreise ernst nehmen – und etwas dagegen tun ... "

    Wie die Abstimmung zur Schweizer "99% Initiative" gezeigt hat, wollen das viele gar nicht und damit können demokratische Kräfte gar nicht handeln. Erster Schritt muss sein, dass die Mehrheit versteht, was zu Ihrem Nach- und Vorteil ist. Dank KI haben es Machthaber / Oligarchen immer leichter, die Mehrheit zu manipulieren. Deshalb ist es für den ersten Schritt notwendig, die Mehrheit vor "schlechen" Informationen zu schützen. Siehe auch WeAct "Kein Hass im Internet - Pressekodex umsetzen".

  • Es ist genau dieses Nichthandeln und Aussitzen von Problemen (z.B. akute Wohnungsnot) gepaart mit Ignoranz ("Sollen die Menschen halt aufs Land ziehen"), die bei vielen Bürger:innen Frust erzeugt hat. Hier hätte der Staat aktiv etwa durch Sozialen Wohnungsbau Abhilfe schaffen können oder alternative Wohn- und Bauformen fördern können.



    Zeitgleich wurden leider sämtliche Bevölkerungsschichten gegeneinander ausgespielt, etwa Autochthone gegen Flüchtlinge, "Hartzer" gegen "arbeitende Bürger:innen" oder auch Autofahrer:innen gegen Klimaaktivist:innen. Leider hat die linke Intersektionalität mit zu dieser Spaltung beigetragen. Es wurde und wird bewusst oder unterbewusst ein "Wir" Gefühl innerhalb der Gesellschaft vermieden. Volle Solidarität verdienen, je nach pol. Ausrichtung dann etwa nur Flinta, POCs oder LGBTQIA* oder aber nur Passdeutsche, Berufstätige, "hart" arbeitende Milliardäre oder gar nur Deutsche, deren Stammbaum seit 10 Generationen frei von Migrationseinflüssen ist.

  • Wurde schon des öfteren diagnostiziert, der Neoliberalismus ist eine wesentliche Quelle der Probleme, m.E. auch korrekt. Durchaus auch als Begründung für die Enttäuschung von der Politik.

    Aber als Hinwendung nach rechtaußen? Die sind doch auch neoliberal. Gegen Arbeitnehmer-/Verbraucherrechte, Tarifbindung, Mindestlöhne, Soziale Sicherung, Umverteilung.

  • Eins muss man Trump lassen, er weiss wie man Leute aufrüttelt und dazu zwingt mit ihm neue Verträge auszuhandeln.



    Leider scheint er die Folgen seines Tun´s nicht zu überblicken.



    Die Wirtschaft in Amerika isoliert sich selbst vom Weltmarkt.

    Das politische Geschehen in Deutschland (eigentlich weltweit) wird schon immer durch die wirtschaftlichen, industriellen Grossmächte bestimmt.



    Schon wenn man die Anzahl der Lobyisten mit der Anzahl der Abgeordneten vergleicht wird einiges klar.

    Es hilft der Demokratie auch nicht weiter wenn die politischen Partei ständig mit Lügen auf Stimmenfang gehen um hinterher alle Versprechen zu vergessen.

    Wie man im Osten Deutschland deutlicher sieht verabschiedet sich der Wähler von den etablierten Parteien immer mehr. Die erste Euforie hat sich gelegt. Die Wähler haben erkannt das sie wie schon vor der Wende einfach manipuliert werden.



    Das treibt sie in die Hände der Populisten. Welche im Fall das sie an die Macht kommen sicher ebenso einbrechen werden.



    Wie man in anderen Ländern schon sieht halten diese sich da durch Aushölung der demokratischen Systeme an der Macht.

  • Die USA unter Trump sind nur ein Beispiel dafür, dass die repräsentativen Demokratien am Ende auf die autoritäre Herrschaft einer Kleinen Machtelite hinausläuft. Dass liegt u.a. daran, dass der Wettbewerb um Mehrheiten in Wahlen und Abstimmungen politischen Erfolg als Sieg über Minderheitsmeinungen definiert. Und es liegt daran, dass sich in den „Demokratien“ seit dem 18. Jahrhundert praktische Politik durch die Organisationsform der Parteien und den Typus BerufspolitikerIn vollzieht. Der (Wahl-)Kampf zwischen den Parteien und die Aushandlung von parlamentarischen Mehrheiten prägen die Art und Weise, wie Politik gemacht wird. An den Diskussionen und Entscheidungen zu Sachfragen sind die einfachen BürgerInnen nicht mehr beteiligt. Auch die Parlamente sind nicht Orte der öffentliche Debatte und Entscheidung; hier wird nur noch das kommentiert und abgesegnet, was in Ausschüssen, Koalitionsgesprächen und Kabinettssitzungen längst beschlossen wurde. Die Herrschaft einer elitären Parteioligarchie ist also üblich und die „Machtergreifung“ eines kleineren Kreises aus politischer, wirtschaftlicher, medialer u.a. Eliten ein Kleiner.

  • Ich bei einigem bei Ihnen, aber die Idee, dass man einfach an der Einkommensverteilung dreht und dann alle rechten Wähler Multiethnizität, Emanzipation, Genderismus und sonstige "progressiven" Inhalte auf einmal gut finden sollen, halte ich für völlig falsch.



    Ich weiß dass der historische Materialismus diese Denke genauso vorschreibt, aber vielleicht sollte man das mal hinterfragen...

    "Man kann das Regime von US-Präsident Donald Trump auf verschiedene Weise analysieren: als faschistischen Coup, wobei sich die Deutschen immer noch im diskursiven Besitzerstolz üben und den Amerikanern erklären wollen, dass Faschismus eigentlich nur echt „made in Germany“ ist."

    Das interessiert mich. Sind das die selben Leute, die immer gesagt haben dass Russland gar kein faschistisch-kapitalistisches Imperium sei, sondern der Vorkämpfer der freien Welt?

  • Es ist offensichtlich Neoliberalismus.

    Erst führt das System zur Unterfinanzierung und damit zum Versagen staatlicher Institutionen.

    Verbunden ist das mit immer weiterer Kapitalkonzentration bei Einzelnen, die sich natürlich auch in politische Macht übersetzt und gemeinorientierte Institutionen weiter schwächt.

    Auf einmal sind die öffentlichen Beschäftigten die "Betrüger" und nicht die oligarchischen Milliardäre, die Abermilliarden an Subventionen für zweifelhafte Projekte erhalten haben.

    Die Analyse ist klar.

    Die entscheidende Frage ist: Bringt das System noch einmal die Kraft auf, alles wieder in Balance zu bringen?

    Da viele Akteure bereits mit der Analyse Probleme haben oder ebenfalls mit den Profiteuren verquickt sind, habe ich so meine Zweifel.

    Nur wenn die Bevölkerungen endlich aufwachen und das System des Neoliberalismus durchschauen und überwinden wollen, wird es wieder Hoffnung geben.

  • "weil Trump ihnen zeigt, dass Politik nicht machtlos ist, dass Versprechen gehalten werden und Wahlen wirken können. "



    genau das ist der wichtige Punkt. Menschen zu erklären, "geht nicht, weil Gesetz XYZ, Sachzwang M oder Europa dagegen sprechen" ist eine Form von verkaufter Machtlosigkeit, die Verdruß erzeugt, Ausgeliefertsein. Das führt dann schnell zur Wahrnehmung von Politik als etwas Fremden, bis hin zum Elitevorwurf.



    Bestes Beispiel ist die Gegenargumentation gegen die Merzschen Abschiebefantasien, da wird mit Gesetzen, mit Europa argumentiert, alles (technisch) richtig, aber niemand sagt, "das wollen wir nicht". Das wäre aber die korrekte Antwort. Politik ist Willensbekundung. Stattdessen wird dieser Wille, die Ablehnung der Merzschen Fantasien hinter Formalien versteckt, wo es nur eine Frage der Zeit ist, bis jemand sagt, na dann ändern wir die Gesetze eben (oder ignorieren) sie.



    Was auf nicht-populistischer Politikseite vergessen wird, diese Regeln wurden durch Politik gemacht, also kann Politik sie auch wieder ändern. Alles andere ist Selbstverzwergung. Und! wenn man keine Merzschen Abschiebeorgien will, muß man das sagen, deutlich!

    • @nutzer:

      "Bestes Beispiel ist die Gegenargumentation gegen die Merzschen Abschiebefantasien, da wird mit Gesetzen, mit Europa argumentiert, alles (technisch) richtig," bis dahin völlig richtig aber Sie stellen im folgenden die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung völlig auf den Kopf. Dass Sie ausgerechnet dieses Beispiel für die Machtlosigkeit der Politik gegenüber Bürokratie heranziehen, ist ein Eigentor!

      Es ist schon rein theoretisch nicht zu vermitteln, warum der deutsche Staat nicht die Macht haben soll, darüber zu entscheiden, wer auf dessen Territorium leben darf. Insbesondere dann wenn den Deutschen dadurch Schaden entsteht. Soll das staatliche Souveränität sein?

      Warum sollten wir es einfach hinnehmen, dass zusätzlich zu unseren Nazis und Kriminellen ("Gesocks" wie hier jüngst eine taz-Kolumnistin schrieb) auch noch die Nazis und Kriminellen aus anderen Gesellschaft beliebig dazustoßen dürfen und sogar noch von uns dafür bezahlt werden, dass sie unserer Gesellschaft schaden?

      Und wenn dann auch noch die rechtlich-technische Ebene (Entzug der dt. Staatsangehörigkeit bei Doppelstaatlern) falsch bzw. verkürzt dargestellt wird, dann macht man sich doch gänzlich unglaubwürdig.