rbb, Gasumlage und 9-Euro-Ticket: Wandel der Grünen
Annalena Baerbock beweist mit ihrer Reise nach Marokko ihre Qualität als Außenministerin. Außerdem: Ideen für eine Nachfolge beim rbb.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Gasumlage.
Und was wird besser in dieser?
Gasumlage kommt weg und wir klatschen vom Balkon für die armen Konzerne.
Der RBB sucht nun „schnellstmöglich“ gern auch ein:e Rentner:in für das „Himmelfahrtskommando“ Interimsintendanz. Bedauern Sie, dass Sie noch so jung sind? Und was wären ihre drei Feenwünsche für den RBB?
Die Jobbeschreibung nähert sich dem Sandmännchen. Oder Vorgängerin Dagmar Reim als Trümmerfrau. Keine Ahnung, ob sie sich das antut. Sie kennt den Sender, ersparte ihm die endgültige Demütigung einer fremden Nanny und träfe auch auf alte Konflikte, etwa mit den Freien. Ziele wären eben, eine Kolonialisierung durch andere ARD-Sender zu verhindern, das TV-Programm in längeren Fenstern auf die ungleichen Länder auseinanderzuschalten und dafür die Priorität von Architektur auf Rundfunk zurück zu verlagern. Im Utopiebereich steht die Chance, den Gremieninfarkt des RBB zum Anlass einer strukturellen Veränderung zu nehmen. Und die Intendantenbüros gehen natürlich an den Personalrat.
Die Springer-Marke Business Insider hat nun auch Ungutes beim NDR entdeckt, von „politischen Filtern“ bei der Berichterstattung und einem „Klima der Angst“ ist die Rede? Hatten Sie auch mal Angst vor Ihren Vorgesetzten?
Nach dem Rauswurf nicht mehr. Günther Jauch schmähte 2007 die „Gremien voller Gremlins“ in der ARD und warf später entnervt hin. Die Untersuchung von sexuellen Übergriffen im WDR führte 2018 zu einem Abschlussbericht „Mehr als #MeToo“. Testiert wurden „Machtmissbrauch, Diskriminierung, Frust“. Die vereinfachte Schlagzeile hieße „Öffentlich-Rechtliche auch nicht besser als andere Konzerne“, was besonders bei Springer tiefe Anteilnahme auslösen dürfte. Das Kernübel: Die Gremien – also die Macht – sind Beute politischer Netzwerker. Das Kernübel im Kernübel: Sonst macht’s keiner. Die Melange aus PolitikerInnen, die in den Journalismus pfuschen, und JournalistInnen, die politisch intrigieren, macht das Gemisch mitunter toxisch.
Ein Berliner Mobilitätsforscher fordert ein 29-Euro-Ticket inklusive Taxi-Flatrate. Würden Sie dafür Ihren Dienstwagen aufgeben, wenn Sie einen hätten?
In Berlin? Mit Kusshand. Und wenn der Taxifahrer vorbeigerauscht ist, weil er keinen Bock auf „800-Meter-bis-zur-Haltestelle“ hat, ist davon noch ein Stinkefinger übrig. Auf dem Land haben Anruf-Sammel-Taxis bisher wenig gelindert. Apropos: Der Finanzminister hausiert mit einer Zahl von 14 Milliarden, die ein immerwährendes 9-Euro-Ticket kosten würde. Bisher zahlte der Bund 2,5 Milliarden für ein Quartal. 2,5 mal 4 = ewiges Wunder Rechenkompetenz. Berlin will eine Insellösung, für den Rest zeigt die grüne Verkehrssenatorin auf den Bund wie ihr CDU-Kollege in zum Beispiel Düsseldorf. Die Ampel macht – siehe Gasumlage – Fehler, für die sie sich nicht entschuldigt. Dafür tun ihr ihre Erfolge aber herzlich leid.
Audi wird 2026 in die Formel 1 einsteigen. Wir dachten immer, die Audifahrer fahren schon Grand Prix auf den deutschen Autobahnen, aber Ernst beiseite: Wie nachhaltig ist diese Entscheidung?
Die Formel 1 hat die Technikführung verloren, mit der sie Turbo, Breitreifen, Spoiler, elektronische Getriebe und viele Innovationen lieferte. Heute ist jeder Ampelstart von zwei Teslas technologisch spannender als eine ganze Rennsaison. Das wird so bleiben, denn Audi und auch Porsche steigen in ein neues „Hybrid-Reglement“ ein: Noch stets soll der halbe Vortrieb aus einem Verbrenner kommen. In der „Formel E“ herrscht bereits summsumm statt brummbrumm, letztlich wird das Kaufpublikum entscheiden, wie lange der Geldverbrenner noch rollt.
Nach Streitigkeiten über den Status der Westsahara sind Marokko und Deutschland durch einen Besuch von Annalena Baerbock nun wieder Freunde. Ist sie doch eine gute Außenministerin?
Bundespräsident Steinmeier hatte zuvor den marokkanischen König eingeladen und sich zu seiner eigenen Überraschung bis heute nicht dafür entschuldigt. Baerbock geht durch die Tür, die Steinmeier geöffnet hat; der Westsahara-Status bleibt diffus: irgendwie Autonomiestatus und UN-Verhandlungen. Noch vor zwei Jahren sperrten die Grünen sich davor, Marokko als „sicheres Drittland“ anzuerkennen. War diesmal kein Thema.
Und was machen die Borussen?
Fast so gut wie Köln mit den gleichen Spielern.
Fragen: waam
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf