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petition der wocheKeine Linde ohne Bank

Ewig stand um die Linde auf dem Marktplatz in Nideggen eine Bank. Dann wurde sie entfernt. Das wollen Nideg­ge­r*in­nen so nicht hinnehmen.

So sah der Marktplatz in Nideggen aus, als die Bank noch um die Linde stand Foto: Stadt Nideggen

Die Bank rund um die Dorflinde auf dem Marktplatz von Nideggen am Fuß der Eifel bedeutet Frank Baldus viel. „Diese Bank war immer ein Platz für Wanderer, Eltern und Kinder“, schreibt der 62-Jährige in der Petition, die er zusammen mit seiner Frau Monika auf change.org angestoßen hat. Ein Treffpunkt nicht nur für „halbstarke Jugendliche, wie ich es einst war“, sei sie gewesen. „Nach dem Karneval, nach dem Jugendball hat da halb Nideggen drauf gesessen“; auch er mit seiner ersten Freundin: „Unter der Linde habe ich das erste Mal geküsst.“

Schöne Erinnerungen von vielen Menschen hängen an Baum und Bank in dem pittoresken Städtchen, das zwischen Köln und Aachen liegt. Über ihm thront die im 12. Jahrhundert erstmals erwähnte Burg. Durch die Gässchen der Altstadt ziehen jedes Jahr Hunderttausende Touristen.

Im Zentrum von Nideggen aber steht die Linde. Über 400 Jahre alt sei deren Vorgängerin gewesen, die 2012 gefällt wurde. „Der Baum war krank, hohl, große Äste drohten abzubrechen“, sagt Frank Baldus. „Im Stamm steckten noch Kugeln aus dem Zweiten Weltkrieg.“ Die Leute in Nideggen spendeten für einen neuen Baum. Und danach spendierte eine örtliche Schreinerei noch eine neue Bank, die sich wie früher rund um den Baumstamm zog.

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Trotzdem: Ein Happy End war das nicht. Die neue Linde, die in einem nur vier mal vier Meter großen, von einer Mauer umgebenen Pflanzbeet auf dem gepflasterten Marktplatz steht, kränkelte – und Grund dafür soll ausgerechnet die Bank gewesen sein: Durch ihre vielen Nut­ze­r:in­nen sei das Erdreich rund um den Baum „extrem verdichtet“, ergab 2021 ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten. Der Bauhof reagierte: „Irgendwann war die Bank einfach weg“, klagt Frank Baldus.

„Unvermeidbar“ sei das gewesen, sagt Stadtkämmerin Carola Gläser, die auch Vertreterin des Bürgermeisters ist. Durch die von den Bank-Nutzer:innen festgetrampelte Erde hätten kaum noch Wasser und Nährstoffe die Baumwurzeln erreicht. Um die nicht zu beschädigen, sei der Boden „in fast archäologischer Handarbeit“ ausgetauscht, der PH-Wert verbessert worden. „Ich verstehe die Emotionen, die an der Bank hängen“, sagt Gläser. Aber die Linde, die „aus Nideggen nicht wegzudenken ist“ – sei eben wichtiger.

Allerdings: Große Freunde hatte die Bank in der Stadtverwaltung wohl nie. Da der Marktplatz schräg abfalle, die Bank um den Baum aber erhöht stand, sagt Bürgermeistervertreterin Gläser, habe die Gefahr bestanden, dass jemand „etwa 70 Zentimeter“ auf das Marktpflaster stürzen könne – und dann die Stadt verklage.

„So scheinheilig wie falsch“ sei deshalb das Argument, die Linde habe wegen der Bank­nut­ze­r:in­nen kein Wasser mehr bekommen, schreibt Baldus in seiner Petition. „Wenn die Linde in einem heißen Sommer wie diesem nicht genug gegossen wird, geht es ihr schlecht.“ Wie der Baumgutachter schlägt auch er vor, die Bank einfach außerhalb des Pflanzbeets auf dem Pflaster rund um die Linde wieder aufzustellen.

Die Stadtverwaltung will davon noch nichts wissen. Schließlich, sagt Kämmerin Gläser, sei doch eine „komplette Neugestaltung“ des Marktes geplant. „Und das kann Jahre dauern“, seufzt Petitions-Starter Baldus.

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