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heute in hamburg„Sehnsucht nach Aufklärung“

NSUDie Angehörigen des ermordeten Süleyman Taşköprü fordern noch immer eine Entschuldigung

Foto: privat
Gül Pinar

48, die Hamburger Rechtsanwältin vertritt als Nebenklägerin beim NSU-Prozess die Familie Taşköprü.

taz: Frau Pinar, wie geht es der Familie Taşköprü?

Gül Pinar: Wir hatten unsere Mandanten vorbereitet, dass so ein Strafverfahren wie das gegen NSU-Mitglied Beate Zschäpe seine eigene Dynamik haben kann. Mit dieser langen Dauer des Verfahrens hatte aber keiner gerechnet. Mit der Zeit mussten sich alle damit arrangieren.

Verfolgen Ihre Mandanten den Prozess gegen Beate Zschäpe auch nach drei Jahren noch?

Nach wie vor sind unsere Mandanten interessiert, was genau an den Verhandlungstagen passiert und setzen sich damit auch auseinander. Das ist, denke ich, der Weg, den sie für sich gefunden haben.

Wie haben Ihre Mandanten es aufgenommen, dass Zschäpe sich vor Gericht bei den Angehörigen der Opfer entschuldigte – also ja auch bei ihnen?

Wie man diese Aussage nur aufnehmen konnte: als verlogen und unaufrichtig. Diese Art von Entschuldigung wird von keinem der Angehörigen als eine solche anerkannt, geschweige denn angenommen.

Wieso fordern Sie weiterhin auch in Hamburg einen NSU-Untersuchungsausschuss?

Ich halte ihn nach wie vor für geboten. Denn über mögliche Strukturen in Hamburg wurde und konnte im Prozess gegen Zschäpe in München nichts aufgeklärt werden. Ich halte daran fest, dass es Indizien für Verbindungen nach Hamburg gibt.

Wurde denn mittlerweile die Aussage des sterbenden Süleyman Taşköprü, der 2001 mit drei Kopfschüssen in seinem Hamburger Gemüseladen erschossen wurde, ernstgenommen?

Süleyman sagte damals seinem Vater, der ihn sterbend im Laden fand, dass er zwei weiße Männer gesehen habe. Verfolgt wurde diese Aussage nie. Dass ist nach wie vor unser nachdrücklichster Vorwurf an die Ermittler.

Über fehlende Empathie, die Sie vor vier Jahren noch beklagten, können Sie sich aber nicht mehr beklagen, oder? In Hamburg ist eine Straße nach Süleyman Taşköprü benannt worden.

Es gab nach wie vor keine Entschuldigung.

Sehnen sich Ihre Mandanten nach einen Ende der öffentlichen Auseinandersetzung?

Sie sehnen sich nach Aufklärung.

Interview: Andreas Speit

„Norddeutschland, der NSU und der rechte Terror“ – es diskutieren u. a. Ibrahim Arslan, Überlebender des Brandanschlags von Mölln, Rafael Behr von der Akademie der Polizei Hamburg und Caro Keller von NSU Watch: 13 Uhr, Gewerkschaftshaus, Besenbinderhof 57a

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