dm-Gründer Götz Werner ist tot: Unternehmer mit sozialer Mission
Der Gründer der führenden Drogeriekette ist 78-jährig gestorben. Bekannt wurde er durch sein Engangement für ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Kurz nach seinem 78. Geburtstag ist der Gründer der Drogeriekette dm an diesem Dienstag gestorben. Bekannt wurde er einer breiten Öffentlichkeit, weil er vor fast zwei Jahrzehnten durch die Republik tourte und Säle mit tausend Zuhörer:innen füllte, indem er als einer der ersten prominenten Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens auftrat.
Darin sah Werner die Alternative zu Hartz IV: Soziale Teilhabe betrachtete er als Menschenrecht, das die Gesellschaft niemandem vorzuenthalten, sondern zu ermöglichen habe. Jeder Bürger, jede Bürgerin, egal ob alt oder jung, solle deshalb 1.000 Euro monatlich vom Staat erhalten, ohne irgendwelche Auflagen. Bis heute ist die Diskussion darüber nicht totzukriegen.
Götz Werner
Teils merkwürdige ökonomische Ideen
Keinen Abbruch tat Werners Wirkung damals, dass er dieses Anliegen mit teilweise merkwürdigen ökonomischen Ideen mischte. Zur Finanzierung des Grundeinkommens forderte der Milliardär beispielsweise, dass die Mehrwertsteuer auf 50 Prozent angehoben und alle anderen Steuern abgeschafft werden sollten.
In erster Linie war Götz Werner Unternehmer, nicht Gesellschaftsdenker. Aufgewachsen in einer Drogistenfamilie gründete er 1973 seine erste eigene Drogerie in Karlsruhe, die Keimzelle des späteren Konzerns dm. Diesen leitete er bis 2008. Nach der Insolvenz des konkurrierenden Unternehmens Schlecker 2012 stieg das Unternehmen zur größten deutschen Drogeriekette auf. 2020 hielt die Firma einen Anteil von 47 Prozent am hiesigen Drogeriemarkt – vor Rossmann mit 40 Prozent. Mittlerweile betreibt dm nach eigenen Angaben rund 3.850 Filialen in Deutschland und weiteren europäischen Ländern, beschäftigt etwa 66.000 Leute und erwirtschaftet einen Umsatz von ungefähr 12 Milliarden Euro.
Goethe dichtete im Faust: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“ Werner machte daraus das Werbemotto: „Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein.“ Manche schüttelten den Kopf. Doch dem Sinnspruch wohnte auch eine Wahrheit inne. Als Konzernchef verhielt er sich deutlich anders als die Konkurrenz, etwa Schlecker. Bei dm war es kein Problem, Betriebsräte zu gründen. Werner zahlte Tariflohn oder sogar darüber.
Er postulierte eine „ästhetische Unternehmungsführung“, erklärte: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist schlechter“, und versuchte seine Mitarbeiter:innen als Menschen und nicht als Verkaufsautomaten zu behandeln. Eine Grundlage dieser Haltung bildete die Anthroposophie, die damals noch nicht so umstritten war wie heute, da manche Waldorflehrer:innen und Anhänger:innen von Rudolf Steiner Corona für eine Weltverschwörung der Pharmaindustrie halten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!