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Musik und Ausstellung zum Thema PilzeEin Schleierling namens Cage

Uneindeutig und Unbehagen stiftend: Der Pilz erlebt eine bemerkenswerte Konjunktur – auch und gerade in kulturellen Zusammenhängen.

Kulturell angesagt: Pilze wie zum Beispiel der „Zweifarbige Wasserkopf“ Foto: Reidun Braathen (CC BY 4.0)

Sie haben Karriere gemacht, die schwammigen, auch mal schuppigen (oder auch ganz andere Haptik mitbringenden) Gesellen: Auf Theaterbühnen und in Ausstellungen sind sie aufgetreten und liefern zuverlässig Stoff für populäre Bücher.

„Das größte Lebewesen der Welt ist nicht etwa ein Wal oder so etwas, nein“, skeetete es dieser Tage erst wieder die Autorin Jasmin Schreiber auf Bluesky: „Es ist ein 2.400 Jahre alter Pilz (Armillaria ostoyae), der sich in Oregon über eine Fläche von fast 900 Hektar erstreckt!“ So was ist der Stoff, aus dem Sachbuch-Bestseller sich speisen; gut, Horrorfilme auch. Und worum geht es noch mal in diesem wiederum als Fernsehserie adaptierten Erfolgs-Videospiel „The Last of us“? Na?

Was wir gerne dem Eisberg nachsagen, gilt allemal für so einen Monsterpilz, nämlich dass er sich allergrößtenteils verborgen hält vor unserem Blick. Was ihn ja gerade so gruselig unberechenbar scheinen lässt. Tatsächlich unsichtbar fürs unverstärkte menschliche Auge ist die umso realere Gefahr, die Pilzbefall in unseren Wohnräumen bedeutet: Schimmelsporen in der Atemluft können zu schweren Erkrankungen führen – und da reden wir noch nicht mal von einem ausdrücklich giftigen Pilz.

Unbehagen mag manchem schon das vermeintlich Amorph-Schwammige, auch mal Glitschige an sich bereiten – „Pilz“ stammt übrigens vom lateinischen „bōlētus“ ab und hat mit der Form zu tun, in der uns viele auch essbare Pilze begegnen: Hut und Stiel, aus dem Waldboden hervorragend etwa.

Der Termin

Musikalische Lecture Performance „John Cage und die Pilze“ mit Christiane Abt: Mi, 12. 3., 18.30 Uhr, Oldenburg, Edith-Russ-Haus

Ausstellung Jakrawal Nilthamrong & Kaensan Rattanasomrerk, „Spore“: bis 23. 3., ebd.

Dem gegenüber verweist das botanische „Fungi“, von lateinisch „fungus“ aufs altgriechische Wort „sphóngos“ – „Schwämme“. Und können sich die Dinger nicht auch einfach mal entscheiden, ob sie nun Pflanze sind oder Tier? Ganz schwer auszuhalten, so was, für den alles und jedes so gerne rubrizierenden, sortierenden, in Ordnungen bringenden Menschen.

Oder ist Ambivalenz halt einfach, was unser ganzes Verhältnis mit Schwamm und Pilz und Spore ausmacht? Was auf der Badezimmertapete ein Problem ist, ist auf dem Herd dann konstitutiver Bestandteil von Gerichten. „Geh hinaus in die Felder und Wälder und suche Dir einen Pilz. Bring ihn in die Küche, in die Du zuvor Dein Klavier bugsiert hast“: Was kurz klingt wie aus dem Vorwort eines Kochbuchs, stammt vom US-amerikanischen Avantgardekomponisten John Cage (1912–1992). Der war nicht nur passionierter Sammler und Verarbeiter von Pilzen und erwarb sich autodidaktisch erhebliches Pilz-Wissen.

Der Freund des vermeintlich Zufälligen suchte auch das Komponieren von Musik auf Pilz-Prinzipien fußen zu lassen: „Zähle die Lamellen des Pilzes (im Fall einer Morchel die Löchlein). Ihre Anzahl ergibt die Takte des Stücks“, so geht es weiter in seiner Spielanweisung zur „Mushroom Music“ für präpariertes Klavier; den Takt, also Drei- oder Vier-Viertel, bestimmt dann wiederum die Stängellänge in Zentimetern, respektive, ob sie sich durch drei teilen lässt oder durch zwei …

„Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass man durch die Beschäftigung mit Pilzen viel über Musik lernen kann“, schrieb Cage 1954 in seinem Buch „A Mycological Foray“. Im Gegenzug, vielleicht, trägt einer von ihnen, der – ungenießbare – „Zweifarbige Wasserkopf“ aus der Gattung der Schleierlinge, auch seinen Namen: Cortinarius cagei.

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