piwik no script img

die erklärungEnergiegeld – für alle?

Angesichts der steigenden Strom- und Gaspreise diskutiert die Politik einen Inflationsausgleich. Es gibt schon einige Modelle. Die Frage ist dabei: Sollen auch Mittelschicht und Wohlhabende profitieren?

Von Hannes Koch

Die Preise für Gas, Strom, aber auch Benzin steigen beträchtlich. Bei durchschnittlichen Privathaushalten können die Mehrkosten alleine für Wärme und Elektrizität 100 Euro monatlich ausmachen. Für viele Mittelschichthaushalte ist das ärgerlich, aber nicht dramatisch. 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung werden die steigenden Energiepreise hingegen in Schwierigkeiten bringen. Deshalb läuft nun die Debatte, wie der Staat diese Menschen entlasten kann. Die Ampel arbeitet an einem Paket, einige Varianten sind in der Diskussion.

Preisdeckel

Die Idee: Alle Privathaushalte erhalten einen Grundbedarf an Gas zu einem staatlich festgesetzten Preis. Er liegt deutlich niedriger als die aktuell von den Versorgern in Rechnung gestellten Kosten. Dies schlägt das gewerkschaftliche Institut für Makroökonomie (IMK) vor. Es würden dann beispielsweise 8.000 Kilowattstunden (kWh) Gas-Grundbedarf pro Jahr und Haushalt subventioniert, das ist etwa die Hälfte des Durchschnittsverbrauchs. Versorgern, die die Energie teurer erwerben, müsste der Staat die Differenz zwischen dem niedrigen Abgabe- und dem höheren Einkaufspreis erstatten. „Wenn wir mit 5 Cent Subvention pro kWh rechnen und knapp 20 Millionen Haushalten mit Gasanschluss, dann wären wir bei rund 8 Milliarden Euro für ein Jahr“, sagte IMK-Chef Sebastian Dullien.

Für eine Marktwirtschaft klingt diese Idee erst mal merkwürdig. Aber Dullien weist darauf hin, dass auch andere Preise „staatlich administriert“ seien, etwa die Mieten durch die Mietpreisbremse. Die französische Regierung gab unlängst eine Preisdeckelung für Strom und Gas bis April bekannt.

Wirkung: Alle Privathaushalte profitieren, auch wohlhabende. Für niedrige Einkommen ist die Einsparung relativ gesehen aber größer, weil sie einen höheren Anteil für Grundbedarf ausgeben. Die Kosten des Bundes wären mit 8 Milliarden Euro beträchtlich, hielten sich jedoch im Rahmen des Finanzierbaren.

Niedrige Mehrwertsteuer

Die Idee: Die Mehrwertsteuer für Strom, Gas und Fernwärme solle für die Jahre 2022 und 2023 von 19 Prozent auf 7 Prozent gesenkt werden, fordern CDU und CSU im Bundestag. Außerdem schlägt die Union vor, die Stromsteuer vorübergehend auf ein Minimum zu begrenzen. Die Gewerkschaft Verdi regt an, die komplette Mehrwertsteuer für Strom und Gas auszusetzen. Einem Durchschnittshaushalt bringe das 850 Euro pro Jahr.

Wirkung: Wie beim Preisdeckel werden alle entlastet, Leute mit niedrigem Einkommen aber relativ gesehen stärker. Insgesamt wird es für die Gemeinschaft aber teurer. Nach Berechnungen des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung müsste der Staat dafür pro Jahr auf bis zu 14 Milliarden Euro verzichten. Auch ist nicht sicher, ob die Firmen die Preissenkung vollständig weitergeben.

EEG-Umlage

Die Idee: Die Umlage für Ökostrom, die alle Privathaushalte und fast alle Firmen mit ihren Stromrechnungen entrichten, beträgt zurzeit 3,7 Cent pro Kilowattstunde. Dass sie ab 2023 wegfällt, ist bereits beschlossen. Eventuell will die Ampelregierung die Erleichterung aber vorziehen. Durchschnittliche Verbraucher sparen dann 120 bis 150 Euro pro Jahr.

Wirkung: Alle Haushalte und auch die meisten Firmen profitieren. Aber es ist ebenfalls fraglich, ob die Versorger den Vorteil komplett weitergeben. Das Bundeswirtschaftsministerium prüft, ob man sie dazu verpflichten kann.

Zuschuss für Niedrigverdiener

Die Idee: In Frankreich erhielten im Dezember 2021 alle 5,8 Millionen Haushalte, die weniger als 2.000 Euro netto zur Verfügung haben, von der Regierung einen „Energie-Scheck“ über 100 Euro. Griffe die Bundesregierung die Idee auf, könnten beispielsweise die 10 Millionen Privathaushalte mit den geringsten Einkommen einmalig 1.000 Euro empfangen – was 10 Milliarden Euro kosten würde. Ein derartiger Zuschuss ist hierzulande allerdings schwer umzusetzen, weil es kein Register aller Haushalte und ihrer Einkommen gibt, nicht mal bei den Finanzämtern.

Wirkung: Es würden gezielt alle Haushalte gefördert, die eine Unterstützung wirklich brauchen. Die Kosten für den Staat würden sich halbwegs in Grenzen halten.

Höheres Hartz IV

Die Idee: Verdi möchte, dass alle Be­zie­he­r:in­nen des ALG II einen Energiekostenzuschuss von 200 Euro erhalten. Eine ähnliche Idee hat auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) formuliert: „Ein Kinder-Sofort-Zuschlag, der an Familien geht, die jeden Cent umdrehen müssen, ist wesentlich gezielter als eine pauschale Steuersenkung, von der auch Reiche profitieren.“

Wirkung: Diese Unterstützung richtet sich gezielt an Leute mit wenig Geld, im Gegensatz zum Zuschuss für Nied­rig­ver­die­ne­r:in­nen aber eine kleinere Gruppe. Beispielsweise gingen viele arme Rent­ne­r:in­nen leer aus.

Heizkostenzuschuss

Die Idee: Einen einmaligen Heizkostenzuschuss unter anderem für gut 2 Millionen Be­zie­he­r:in­nen von Wohngeld und Stu­den­t:in­nen mit Bafög hat die Regierung bereits beschlossen. Emp­fän­ge­r:in­nen von Wohngeld, die alleine leben, bekommen 135 Euro, Zwei-Personen-Haushalte 175 Euro. Für jede weitere Person sind 35 Euro vorgesehen. Bafög-Geförderte erhalten pauschal 115 Euro. Diese Hilfe kostet den Bund etwa 190 Millionen Euro.

Wirkung: Der Zuschuss fließt gezielt an Menschen mit niedrigen Einkommen.

Die Pendlerpauschale

Die Idee: Die Union möchte die Pendlerpauschale für diejenigen erhöhen, die längere Strecken zur Arbeit zurücklegen müssen. Das wäre ein gewisser Ausgleich für die steigenden Benzinkosten.

Wirkung: Steu­er­zah­le­r:in­nen mit hohen Verdiensten und großen Autos, die lange Strecken fahren, profitieren überproportional.

Klimageld

Die Idee: Damit würden die staatlichen Einnahmen durch den zusätzlichen Kohlendioxidpreis auf Benzin und Heizwärme mit einem einheitlichen Pro-Kopf-Betrag an die Bun­des­bür­ge­r:in­nen zurückgezahlt. Unter anderem die Klimaallianz, der Umweltverband BUND und der Paritätische Wohlfahrtsverband haben in dieser Woche einen Vorschlag dafür gemacht.

Dabei geht es nicht um den Ausgleich der jetzt steigenden Kosten für fossile Energie, die augenblicklich einen erheblichen Teil der Inflation ausmachen, sondern um den künftig wohl stark wachsenden CO2-Preis, der die fossile Energie dann zusätzlich verteuert. Die Organisationen schlagen vor, beispielsweise 130 Euro pro Jahr an alle Bürger:innen, auch Kinder, auszuzahlen. Überwiesen werden soll das Geld über die Finanzämter, Rentenkassen und So­zialbehörden. Kontrolliert würde es mittels der Steuer-ID, die alle haben.

Wirkung: Privathaushalte mit großen Autos und Wohnungen zahlen drauf: Die 130 Euro wären weniger, als sie durch den CO2-Preis zuvor entrichteten. Klein­ver­brau­che­r:in­nen profitieren, weil sie mehr herausbekommen als ihre CO2-Kosten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen