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die dritte meinungBei den Neuwahlen sollten wir nicht in Grabenkämpfe verfallen, meint Kristina Lepold

Es ist momentan schwer, nicht zu resignieren. Die Wahl in den USA, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, das Erstarken demokratie- und menschenfeindlicher Kräfte in Deutschland und Europa lösen bei vielen Gefühle von Ohnmacht und Verzweiflung aus. Aber wir können etwas tun.

Zum Beispiel: für Vereine und demokratische Parteien spenden oder dort Mitglied werden, guten Journalismus unterstützen, hin- und nicht wegschauen, demonstrieren, politische Gespräche suchen, Fremde einladen, zuhören, gemeinsam kreativ werden und neue Gemeinschaften bauen. Am besten machen wir ganz viel davon, am besten alles auf einmal.

Außerdem ist es so: Nicht alle, aber viele von uns dürfen hier wählen. Auf Bundesebene bekommen wir schon sehr bald die Gelegenheit dazu. Im Englischen gibt es den schönen Ausdruck „narcissism of small differences“, was sich mit dem deutschen Wort „Haarspalterei“ nur zum Teil übersetzen lässt. Der Narzissmus der kleinen Differenzen beharrt darauf, dass man hier und da doch nicht ganz einverstanden ist und dass man dieses oder jenes letztlich doch skeptisch sieht. Häufig dient das allerdings nur einem: unseren eigenen Befindlichkeiten und Eitelkeiten. Dafür haben wir gerade keine Zeit.

Natürlich gibt es auch berechtigte Auseinandersetzungen, zum Beispiel in der Klima-, in der Wirtschafts-, in der Sozial- oder in der Migrationspolitik. Aber auch da gilt: Zum Wählen gibt es in Zeiten wie unseren keine Alternative.

Kristina Lepold

ist seit 2020 Juniorprofessorin für Sozial­philosophie/Kritische Theorie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie forscht im Bereich der Sozialphilosophie, der politischen Philosophie und der Critical Philosophy of Race.

Indem wir für demokratische Parteien stimmen, ebnen wir den Weg dafür, dass wir auch in zehn Jahren noch freie und faire Wahlen haben, unabhängige Gerichte, eine vielstimmige Öffentlichkeit sowie unabhängige Kultur- und Bildungseinrichtungen. Genauso macht es einen Unterschied, ob wir uns auf eine Welt zubewegen, in der die Klimakatastrophe ein menschenwürdiges Leben für viele unmöglich macht oder nicht. Wir haben das großartige Recht, im Rahmen von demokratischen Wahlen darauf Einfluss zu nehmen. Lasst uns also viel machen, und dabei nicht das Wählen vergessen!

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