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die dritte meinungDieselfahrer sollten mit Umtauschprämien handeln dürfen, sagt Gerd Grözinger

Gerd Grözinger

ist Professor

und leitet die

Abteilung für

Sozial- und

Bildungsökonomik der

Europa-Universität

Flensburg.

Dass die Politiker der schrumpfenden Großen Koalition ein Herz für die Autoindustrie haben, ist bekannt. Und dass sie dabei über Leichen gehen. Das sah man schon an der beharrlichen Weigerung, wie in allen anderen EU-Staaten auch in Deutschland eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen einzuführen.

Aber jetzt haben sie sich einen neuen Feind geschaffen: den gemeinen Dieselfahrer. Denn es ist absehbar, dass bei Nachrüstungen die Hersteller blockieren, gleichzeitig Fahrverbote zunehmen und sehr viele Autobesitzer nicht die Mittel oder die Lust haben, ein neues, teures Gefährt zu erwerben.

Für die Grünen, die einzige Partei, die hier auch die Interessen der wirklich Geschädigten, der Innenstadtbewohner, vertritt, ist das ein Dilemma. Natürlich können sie dabei bleiben, weiter blaue Plaketten und Hardware-Nachrüstungen für alle Wagen einschließlich der auch problematischen Euro-6-Norm zu fordern. Aber das Taktieren etwa des grünen Ministerpräsidenten aus einem autoproduzierenden Flächenland zeigt, dass man vor Ort sehr viel weniger radikal auftritt.

Deshalb ein Vorschlag, der einen praktischen Schritt hin zu den betrogenen Dieselfahrern macht. Die Grünen – oder wer auch immer – könnten doch im Bundestag eine Resolution einbringen, dass die von den Herstellern angebotenen Umtauschprämien handelbar werden. Wer also seine alte Dreckschleuder künftig nur noch zu Landausflügen nutzt und in die Innenstadt lieber mit Bus und Rad fährt, oder den Wagen ganz abschafft, der oder die verkauft einfach die Prämie. Es sind da ja schöne Einkünfte zu erzielen, von 4.000 bis 10.000 Euro liest man. Andere werden das Geld nehmen und auf eigene Faust eine Nachrüstung damit finanzieren. Käufer für solche gehandelten Prämien gibt’s genug, wenn man die Zulassungsstatistik sieht.

Möglicherweise werden die Abgeordneten der Groko eine solche Resolution niederstimmen. Aber sie werden zu Recht eine harte Zeit haben, das in den Wahlkreisen ihren dieselfahrenden WählerInnen zu erklären.

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